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STANDPUNKT/434: Langfristige Umweltbeobachtung - aufwendig, aber unverzichtbar (UFZ Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2013

Standpunkt:
Langfristige Umweltbeobachtung - aufwendig, aber unverzichtbar

von Dr. Steffen Zacharias



Als Charles David Keeling 1958 begann, an einem Vulkanstandort auf Hawaii den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu messen, war nicht zu erahnen, welche Bedeutung diese Messungen einmal für unser Verständnis des globalen Umweltsystems haben werden. Doch Mitte der 1970er Jahre lieferten seine jahrelang gesammelten Daten das erste messtechnische Indiz für den menschengemachten Einfluss auf das weltweite Klimageschehen, den Treibhauseffekt. Charles D. Keeling und seinen Nachfolgern gelang es, die Messungen auf dem Mauna Loa bis heute fortzusetzen. Die daraus resultierende Kurve des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre, die Keeling-Kurve, zählt unzweifelhaft zu den (auch über die Grenzen der Naturwissenschaft hinaus) bekanntesten Grafiken der neueren Wissenschaftsgeschichte.

Die Erhebung langfristiger Datenreihen war stets ein mühsames Geschäft. Dies galt zu Keelings Zeiten - seine Messungen sollten infolge fehlender Finanzierung mehrfach abgebrochen werden - und gilt bis heute. Die Ansprüche an eine langfristige Sicherung der Datenqualität sind immens. Der Aufwand für den langfristigen Betrieb der Messtechnik und die Datenbearbeitung ist gewaltig und die Finanzierung eine Herausforderung. Auch die oft übliche Projektlaufzeit von drei bis fünf Jahren steht ihrer Etablierung entgegen. Hinzu kommt, dass der Erkenntnisgewinn aus langfristigen Messungen und Beobachtungen mitunter langen Atem braucht und damit im Widerspruch zu einer Wissenschaftskultur steht, die wissenschaftliche Qualität anhand der Publikationsfrequenz bewertet. Doch damit nicht genug. Im Wettstreit um knapper werdende Forschungsgelder müssen sich Verfechter langfristiger Programme zur Umweltbeobachtung auch Widerständen aus den Reihen der Wissenschaft selbst erwehren: Der Aufwand dazu wird in Zeiten immer umfassenderer Computersimulationen mitunter mehr oder minder offen belächelt oder die Idee als "nicht wissenschaftlich genug" kritisiert.

Ich meine, dass es heute wichtiger denn je ist, langfristige Programme zur Umweltbeobachtung zu etablieren. Klima- und Landnutzungswandel beeinflussen die Umweltsysteme in bisher nicht bekannter Art und Weise; viele von ihnen reagieren jedoch mit zeitlicher Verzögerung. Politische oder ökonomische Entscheidungen können dagegen innerhalb kurzer Zeit Wirkung entfalten. Damit steigt das Risiko, dass die Folgen menschlichen Eingreifens in die Umwelt erst sehr spät sichtbar werden. Kontinuierliche Messprogramme können helfen, "außergewöhnliche Effekte" von potenziell signifikanten Trends frühzeitig zu unterscheiden und somit Entwicklungen der Umweltsysteme sicherer zu prognostizieren. Dies macht sie auch zu einem wichtigen Instrument, mögliche Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen zu prüfen und zu optimieren.

Ebenso unverzichtbar sind sie, um Computermodelle zu kalibrieren und deren Ergebnisse mit der Wirklichkeit zu vergleichen oder um Satelliteninformationen in die reale Welt zu übersetzen. Denn die Informationen aus dem All ermöglichen heute zwar eine flächendeckende Erkundung unseres Planeten, doch die genaue Beziehung zwischen den gemessenen Signalen und den interessierenden Umweltparametern wäre ohne am Boden erhobene Daten oft nur unzureichend oder gar nicht bekannt.

So neuartig wie die wissenschaftlichen Herausforderungen durch den globalen Wandel, so neuartig sind die Anforderungen an eine moderne Umweltbeobachtung. Sie muss das Umweltsystem als "Ganzes" ins Auge fassen. Das erfordert Forschungsprogramme, die verschiedene Wissenschaftsdisziplinen zusammenbringen, auf gemeinsamen Hypothesen fußen und korrespondierende, skalenübergreifende Messprogramme langfristig sicherstellen.

Trotz der damit verbundenen immensen wissenschaftlich-methodischen und finanziellen Anforderungen wird weltweit damit begonnen, solche Programme zu etablieren.

Prominentes deutsches Beispiel dafür ist neben der gerade eingeweihten GCEF in Bad Lauchstädt (Gobal Change Experimental Facility) die von sechs Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam betriebene Forschungsplattform TERENO. Das ist ein bundesweites Netzwerk zur Erdbeobachtung, welches die ökologischen und sozialen Auswirkungen des globalen Wandels auf regionaler Ebene langfristig katalogisiert. Eine internationale Einbindung wird TERENO über ICOS (Integrated Carbon Observation System) bekommen, eine derzeit im Aufbau befindliche europäische Initiative, die an einem europäischen Gesamtbild der Treibhausgasemissionen arbeitet. Solche Initiativen sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis bzw. Management des regionalen und globalen Umweltwandels. Ich bin davon überzeugt, der Aufwand lohnt sich.


Dr. Steffen Zacharias ist Mitarbeiter im UFZ-Department Monitoring- und Erkundungstechnologien. Er studierte Landeskultur und Umweltschutz an der Universität Rostock und promovierte zum Einfluss nachwachsender Rohstoffe auf den Bodenwasserhaushalt. Danach arbeitete er an verschiedenen Forschungsprojekten zum Wasserhaushalt von Böden und Landschaften. Seit 2007 koordiniert er am UFZ das TERENO-Observatorium Harz/Mitteldeutsches Tiefland.
e-mail: steffen.zacharias@ufz.de


Siehe auch die vorangegangenen Schattenblick-Artikel unter:

UMWELT\KLIMA
FORSCHUNG/432: Was bringt der Klimawandel? Die Zukunft unterm Stahlgerüst (UFZ Newsletter)

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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2013, S. 7
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2013