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STANDPUNKT/538: GroKo ohne Biss in der Atompolitik (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 23 / Winter 2013/2014

Analyse
GroKo ohne Biss in der Atompolitik

CDU/CSU setzen eine Steuerbefreiung für AKW-Betreiber durch. In Bayern gehen bereits Diskussionen über Laufzeitverlängerungen los. Eine Personalentscheidung birgt Chancen

von Jochen Stay



Die UmweltpolitikerInnen der SPD hatten sich viel vorgenommen, am Ende standen sie mit leeren Händen da: Fünf atompolitische Streitfragen gab es in den Koalitionsverhandlungen und die Union hat sich bei allen fünf durchgesetzt. Damit ist die Vereinbarung zwischen den Regierungspartnern ein großer Sieg für die Atomlobby.

Die Erhöhung der Brennelementesteuer um 30 Prozent, die Weiterführung dieser Steuer über 2016 hinaus, die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds für die Entsorgungsrückstellungen, ein Verbot von Hermesbürgschaften für Atomexporte und den Stopp einer Klage des Bundes gegen die Rücknahme des Rahmenbetriebsplans in Gorleben, all dies wollte die SPD festschreiben und hätte damit den AKW-Betreibern das Leben ökonomisch schwer machen können. Doch keines dieser Projekte kommt im Verhandlungsergebnis vor.

Faktisch läuft das Auslaufen der Brennelementesteuer Ende 2016 auf eine Steuerbefreiung für die AKW-Betreiber von jährlich über einer Milliarde Euro hinaus. Die alten abgeschriebenen Kraftwerke werden dann (erneut) zu richtigen Goldeseln, die den Gewinn von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall kräftig aufpäppeln. Noch 2011 hatte die CDU die Einführung der Steuer als "Subventionsabbau" bezeichnet, mit dem "die direkte Bevorzugung der Kernenergiewirtschaft beendet" und die "Chancengerechtigkeit" auf dem Strommarkt verbessert werden sollte. Jetzt gelten die umgekehrten Ziele: Bevorzugung der Atomwirtschaft und bessere Chancen für die vier großen Stromkonzerne.

Kleine Hoffnungsschimmer bleiben und wir AtomkraftgegnerInnen sollten alles versuchen, damit daraus mehr wird: Denn zu den meisten Atom-Streitfragen findet sich im Koalitionsvertrag schlicht gar keine Formulierung. So steht nun dort zum Beispiel auch nicht, dass es weiterhin Hermes-Bürgschaften für Atomtechnik geben solle. Die Frage wurde vielmehr einfach offen gelassen. Im Zweifel gilt damit natürlich die derzeitige Rechtslage und die nutzt der Atomwirtschaft. Aber zumindest ist die SPD an dieser Stelle nicht an eine Festlegung in der Vereinbarung mit der Union gebunden, sondern kann sich jederzeit dafür einsetzen, die Rechtslage zu ändern.

Hennenhöfer ist weg. Was darf sein Nachfolger?

Dass dies nicht völlig unrealistisch ist, zeigt eine Personalentscheidung der neuen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): Sie hat den langjährigen Leiter der Atomabteilung und ehemaligen Eon-Lobbyisten Gerald Hennenhöfer entlassen und den bisherigen Chef der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht, Wolfgang Cloosters, zu seinem Nachfolger ernannt. Cloosters hat mit dafür gesorgt, dass die AKW Brunsbüttel und Krümmel nach den Bränden von 2007 nicht wieder ans Netz gegangen sind. Vor seiner Zeit in Kiel war er in NRW am Aus für den schnellen Brüter in Kalkar und den Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop beteiligt.

Cloosters hat sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, die Brennelementesteuer zu verlängern und die Entsorgungsrückstellungen nicht bei den Betreibern zu belassen - also genau die Projekte, die die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnte. Ob er allerdings bei diesen Fragen von der Spitze des Umweltministeriums Unterstützung erfahren wird, muss sich noch zeigen. Schon während der letzten großen Koalition, als Sigmar Gabriel das Ministerium leitete, konnte die damals durchaus kritische Atom-Abteilung nicht alles so umsetzen, wie sie gerne gewollt hätte.

Neue Debatte um Laufzeitverlängerungen

Ungemach droht auch aus Bayern: Schneller als befürchtet beginnt dort die Debatte um neue Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke. Auslöser sind die energiepolitischen Beschlüsse der großen Koalition, die den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch verlangsamen könnten. Eigentlich soll das AKW-Grafenrheinfeld bei Schweinfurt Ende 2015 abgeschaltet werden - als einziges in der gesamten Legislaturperiode. Doch seit Dezember ist selbst das nicht mehr sicher: Ilse Aigner, neue bayerische Wirtschaftsministerin, erklärte via 'Süddeutsche Zeitung', sie wolle das nach Fukushima entwickelte Energiekonzept des Freistaats grundlegend überarbeiten. Im selben Atemzug stellte sie explizit den bisherigen Ausstiegszeitplan in Frage. Prompt meldet sich der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft und macht sich öffentlich Gedanken darüber, die Laufzeit von Grafenrheinfeld zu verlängern. Das wird ein heißer Tanz in den nächsten 23 Monaten...


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Energiewende kaputtmachen, AKW unterstützen? Nicht mit uns! Demo am 30.11. in Berlin - Foto: Julia Baier

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Quelle:
Rundbrief 23, Winter 2013/2014, Seite 2
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014