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STANDPUNKT/1037: Meeresschutz - Die Hände gebunden (BUND MAGAZIN)


BUNDmagazin - 3/2018
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Meeresschutz
Die Hände gebunden

von Nadja Ziebarth


Zwar verfolgt die EU seit zehn Jahren eine Strategie für Europas Meere, die in der Theorie ganz vernünftig erscheint. Praktisch hat sich der Zustand der Meere seither aber nicht verbessert. Zudem warf ein Gerichtsurteil ihren Schutz kürzlich weit zurück.


Sicherlich - der Schutz der deutschen und europäischen Meere hat in den vergangenen Jahrzehnten Fortschritte gemacht. Noch in den 80er Jahren wurde Dünnsäure in die Nordsee verklappt und radioaktives Abwasser eingeleitet. Dioxine aus der Abfallverbrennung regneten über dem Meer ab. Und Handelsschiffe durften ihr Abwasser und ihren Müll in Teilen einfach über Bord kippen. All das hat ein Ende oder zumindest konkrete Grenzwerte gefunden. Und das ist gut so!

Die Europäische Union hat seitdem den Grundstein eines umfassenden Meeresschutzes gelegt. Doch noch hakt es in vieler Hinsicht, der gute Ansatz droht im Keim zu ersticken. Ost- und Nordsee sind noch weit davon entfernt, der marinen Vielfalt und uns Menschen wenigstens stellenweise einen intakten Lebensraum zu bieten.

In schlechtem Zustand

Wie lassen sich der Schutz und die Nutzung der europäischen Meere in Einklang bringen? Die EU versucht es seit 2008 mit der »Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie«. Als erstes mussten die Mitgliedstaaten die Beschaffenheit ihrer Meeresgewässer bewerten und Umweltziele ausarbeiten. Dann galt es Maßnahmen zu formulieren, wie die eigenen Meeresgewässer einen »guten Umweltzustand« erreichen oder behalten können.

Jüngst bewerteten die Mitglieder ihre Meeresflächen erneut. Und die Bundesregierung musste - nicht zum ersten Mal -zugeben: Die deutsche Nord- und Ostsee erreichen den guten Zustand nicht. Verschiedene Belastungen summieren sich inzwischen zu einer echten Gefährdungslage. Der Meeresschutz droht damit auf der Strecke zu bleiben.

Unter Schutz, aber ...

Dabei hat Deutschland den europaweit höchsten Anteil seiner Meeresgewässer als Schutzgebiet ausgewiesen: etwa 70 Prozent seiner Küstengewässer und 30 Prozent in der Zone 12 bis 200 Seemeilen vor der Küste (die »Ausschließliche Wirtschaftszone«). Doch wie ist es tatsächlich um den Schutz dieser Gebiete bestellt? Alles andere als gut.

Geschuldet ist dies den Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft/Fischerei und Verkehr. Anstatt dazu beizutragen, unsere Meere nachhaltig und umweltgerecht zu nutzen, stellen sie die kurzsichtigen Interessen ihrer Klientel über das Gemeinwohl. So schädigt speziell die Fischerei den Meeresboden in kaum vorstellbarem Maße. Und für die Freizeitfischerei oder den Kies- und Sandabbau gelten selbst in Schutzzonen zahlreiche Ausnahmen.

Der BUND fordert in den Schutzgebieten der Nord- und Ostsee deshalb Zonen mit abgestufter Nutzung zu bestimmen. Und die sollten perspektivisch mindestens zur Hälfte frei von jeder Nutzung werden. Nur so können sie den Anspruch erfüllen, hier die marine Lebensvielfalt einmal wiederherzustellen.

Herber Rückschlag

Wer aber kann solch nutzungsbeschränkte oder -freie Zonen einrichten? Der Umweltministerin sind hier die Hände gebunden. Denn die Fischerei (als Hauptnutzerin) darf nur vom zuständigen Agrarministerium und der EU-Fischereipolitik reguliert werden. Weil das aber ganz unzureichend passiert, hatte eine Allianz von Umweltverbänden (mit dem BUND) Klage erhoben. Sie forderte, in den Vogelschutz- und FFH-Gebieten der deutschen Nord- und Ostsee das Fischen mit Grundschlepp- und Stellnetzen zu verbieten.

Im Juni hat der Europäische Gerichtshof nun sein Urteil gefällt. Das Naturschutzrecht der EU sei innerhalb des Regelwerks ihrer Fischereipolitik umzusetzen - hier müsse für eine naturverträgliche Fischerei in den Schutzgebieten gesorgt werden. De facto genießt die Fischerei damit weiter Vorrang vor dem europäischen Naturschutz. Auch künftig dürfen nationale Naturschutzbehörden in vielen Fällen nicht selbst für den Schutz der Meere aktiv werden, wenn sie damit die Fischerei einschränken.

Ein fatales Urteil, das den Bock zum Gärtner macht. Es ignoriert weitgehend, wie verheerend sich die Fischerei auf Seevögel, Meeressäugetiere und artenreiche Riffe auswirkt. Bis heute wird auch innerhalb von Schutzgebieten großflächig mit stell- und Schleppnetzen gefischt, eine höchst umweltschädliche Methode. 99,9 Prozent des Meeresbodens der deutschen Nordsee pflügen Fischtrawler alljährlich mit schwerem Fanggerät um - auch in den Nationalparken.

Die Entscheidung des Gerichtshofs ist also ein herber Rückschlag für den Schutz der europäischen Meere. Umso mehr wird der BUND dafür kämpfen, dass sie endlich angemessen geschützt werden.


Nadja Ziebarth leitet das Meeresschutzbüro des BUND in Bremen.

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Quelle:
BUNDmagazin 3/2018, Seite 12 - 13
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2018

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