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STELLUNGNAHME/062: "Fracking" birgt zu große Risiken für Umwelt und Mensch (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 19. April 2012

"Fracking" birgt zu große Risiken für Umwelt und Mensch

DBV Präsidium lehnt neue Technologie zur Erdgasförderung ab



Das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes (DBV) lehnt das sogenannte "Fracking" zur Förderung von unkonventionellem Erdgas, das sich ausschließlich in porösen Gesteinsvorkommen befindet, ab. Auf Basis der aktuellen Erkenntnisse stellten sich noch eine Vielzahl von offenen Fragen und ungelösten Problemen; Risiken stünden nicht im Verhältnis zu etwaigen Vorteilen, erklärte das DBV-Präsidium in einem Positionspapier.

Die Landwirte befürchten eine Verunreinigung von Boden und Grundwasser, der wichtigsten Grundlagen für die Lebensmittelproduktion. Außerdem kritisiert der Berufsstand den hohen Flächenverbrauch, der mit dem "Fracking" verbunden sein wird.


Vollständiger Wortlaut der Stellungnahme:

DEUTSCHER BAUERNVERBAND
Berlin, 17. April 2012

Position des Deutschen Bauernverbandes zum "Fracking"

Auf Basis des aktuellen Standes der Untersuchungen und Erkenntnisse stellen sich aus Sicht des DBV eine Vielzahl von offenen Fragen und ungelösten Problemen im Zusammenhang mit dem Fracking, so dass der landwirtschaftliche Berufsstand diese Technologie zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt. Aus Sicht des DBV handelt es sich hierbei um eine Technologie, deren Risiken nicht im Verhältnis zu etwaigen Vorteilen stehen. Hierfür sind vor allem die folgenden Argumente ausschlaggebend:


1. Gefährdung der Produktionsgrundlagen

Auf der Basis bisheriger Erkenntnisse ist eine Gefährdung der nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion zu befürchten. Die bisher bekannt gewordenen eingesetzten und teilweise hoch toxischen Chemikalienmengen im Flowback liegen deutlich über den Grenzwerten.

Ein großes Risiko sieht der DBV in der hohen Anzahl geplanter Bohrungen, da diese die abdichtende Funktion der Gesteinsschichten zu tiefer gelegenen Grundwasserleitern stark beeinträchtigen. Es entsteht ein hohes Risiko, dass die eingesetzten giftigen Stoffe unkontrolliert verlagert werden. Genau mit dieser Argumentation werden Tiefenbohrungen u. a. auch zur Feldberegnung in den letzten Jahren regelmäßig nicht genehmigt. Der DBV lehnt es ab, dass dieses Risiko nun für das Fracking eingegangen wird.

Außerdem ist noch nicht geklärt, in wieweit es zu Reaktionen der Chemikalien untereinander oder mit anderen Stoffen/Schadstoffen im Erdreich kommen kann oder ob Methan oder Wasser Schadstoffe binden und eventuell in Trinkwasserzonen oder an die Oberfläche bringen können. Des Weiteren fehlt bislang eine ausgereifte Technologie zur Trennung des Flowback-Wassers von den Chemikalien sowie zur vollständigen Wiederaufbereitung. Die zur Zeit durchgeführte Verpressung des giftigen Flowbacks kann keine Lösung sein, denn eine bergbaurechtliche Verpressung ist nur vorgesehen für die Reste von geförderten Rohstoffen, nicht aber für erstmals produzierte umweltgefährdende Gemische.

Problematisch ist aus Sicht des DBV auch der sehr hohe Wasserverbrauch für eine Bohrung sowie die fragwürdige Treibhausemissionsbilanz im Vergleich zur Förderung herkömmlichen Erdgases und vor allem im Vergleich zu Erneuerbaren Energien.


2. Hoher Flächenverbrauch

Darüber hinaus ist für die Landwirtschaft die Frage nach der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen für die Erdgasförderung von großer Bedeutung. Das betrifft zum einen den Flächenverbrauch der umfangreichen Bohranlagen selbst. Zudem werden naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Dies alles wird auf Kosten wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche erfolgen, deren Verbrauch schon heute weit über dem tolerierbaren Maß liegt.


3. Bergrechtliches Genehmigungsverfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung

Genehmigungsverfahren zur Förderung von unkonventionellem Erdgas laufen bislang allein über das Bergrecht, das weder die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit, noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder in einem nach Art und Umfang vergleichbaren Verfahren vorsieht, um mögliche Risiken und Gefährdungen für die Menschen und die Umwelt auszuschließen. Dies ist aus Sicht des DBV vor dem Hintergrund der umfangreichen Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung im ländlichen Raum nicht akzeptabel. Auch seismologische Folgen sind keinesfalls auszuschließen. Dies zeigen Erfahrungen etwa im Zusammenhang mit den technisch verwandten Geothermie-Verfahren.


4. Unzureichende Schadensersatzregelung

Ein weiteres ungelöstes Problem stellt sich aus Sicht der Landwirtschaft bei entstehenden Schäden. Es ist noch nicht ausdrücklich geregelt, dass die Beweislast nicht beim Grundeigentümer liegt. Erforderlich ist auch die Durchführung einer Beweissicherung des Status Quo vor Beginn der Bohrung durch den Betreiber der Bohrung. Schließlich muss gewährleistet sein, dass die Betreiberunternehmen über ausreichenden Versicherungsschutz für die eigenen Tätigkeiten sowie die in Auftrag gegebenen Tätigkeiten (Subunternehmen) verfügen.


Gaskavernen

Der Bau und Betrieb von Erdgaskavernen und Leitungen gewinnt gerade auch im Zuge der Energiewende an Bedeutung. Bei der Verwirklichung dieser notwendigen, im öffentlichen Interesse liegenden Projekte, sind jedoch auch die Rechte der anliegenden Eigentümer und Nutzer zu gewährleisten.

Die bestehende Regelung für Untergrundspeicher, wonach hingegen die Anlieger dem betreffenden Unternehmen nachweisen müssen, dass es die Schäden verursacht hat, ist den Anliegern nicht zumutbar und nicht sachgerecht. Der DBV kann keinen sachlichen Grund erkennen, warum die speziellen Haftungsregelungen der §§ 114 ff Berggesetz, die eine Umkehr der Beweislast beinhalten, nur für Bergschäden nach § 2, Absatz 1 Nr. 1 und 2 gelten, jedoch Schäden beim Bau und Betrieb von Untergrundspeichern hiervon ausgenommen werden.

Der DBV fordert auch für die anliegenden Eigentümer und Nutzer von Untergrundspeichern eine Gleichstellung mit anliegenden Eigentümern und Nutzern bei typischen Tätigkeiten des Bergbaus in der Haftungsregelung. Daher hält der DBV eine Änderung des Berggesetzes, die die Umkehr der Beweislast für Schäden an Grundstücken und Gebäuden auch bei Untergrundspeichern für die anliegenden Eigentümer und Nutzer wie bei bergtypischen Arbeiten sicherstellt, für angezeigt.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. April 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7, 10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
E-Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2012