BUND Landesverband Schleswig-Holstein e.V. - Kiel, 4. Februar 2016
Klimaschutzgesetz zu unkonkret und auf Technik fixiert
Zum Entwurf der Landesregierung Schleswig-Holstein für ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz hat heute der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Schleswig-Holstein Stellung bezogen. Der BUND begrüßt das Gesetz prinzipiell, fordert aber mehr konkrete Maßnahmen sowie mehr Schutz für klimafreundliche Ökosysteme.
"Ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz zu verabschieden ist überfällig und ausdrücklich zu begrüßen. Denn nur mit dem Ausbau der Windkraft ist es nicht getan: Für echte Erfolge im Klimaschutz müssen wir klimafreundliche Mobilität fördern, die Energieeffizienz voranbringen und natürliche Kohlenstoffsenken stärker einbeziehen", äußert sich Carl-Heinz Christiansen, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND Schleswig-Holstein. "Der Gesetzesentwurf ist in Teilen ein Schritt in die richtige Richtung, greift aber zu kurz. Die Treibhausgase müssen zügig und nachhaltig reduziert werden - dafür brauchen wir Verlässlichkeit. Das wäre gut fürs Klima, bietet aber auch Chancen für nachhaltiges Wirtschaften und Arbeitsplätze. Eines ist klar: Wer heute nicht in den Klimaschutz investiert, zahlt morgen kräftig drauf", so Christiansen weiter.
Aus Sicht des BUND müsse die öffentliche Hand als Vorbild beim Klimaschutz auftreten. Dies bedeute, dass etwa der Fuhrpark der Landesregierung auf Elektrofahrzeuge umgestellt und im Beschaffungswesen Klimafreundlichkeit verankert werde. Dies könne beispielsweise bedeuten, dass regionale Bio-Lebensmittel für die Kantinen des Landes bevorzugt werden. Auch sei es dringend geboten, dass alle Kommunen mit Hilfe des Landes verpflichtende Kälte- und Wärmepläne aufstellen. Aber auch im Bereich natürliche Kohlenstoffspeicher verschenke die Landesregierung Chancen.
"Bisher konzentriert sich das Gesetz zu sehr auf Technik. Aber gerade
Ökosysteme, die Kohlenstoff lange speichern können, sind enorm wichtig
für den Klimaschutz", erläutert Tobias Langguth, Referent für
Naturschutz beim BUND Schleswig-Holstein. "Im Vergleich zu teuren,
großtechnischen Lösungen ist der Schutz von natürlichen
Kohlenstoffsenken eine kostengünstige und effektive Möglichkeit, im
Klimaschutz etwas zu erreichen. Das Einsparen einer Tonne CO2 durch
Wärmedämmung kann bis zu 750 Euro pro Tonne CO2 kosten. Will man
denselben Effekt durch Wiedervernässung eines Niedermoors erreichen,
muss man aber lediglich 1 bis 2 Euro pro Tonne CO2 investieren. Hier
erwarten wir mehr vom Land - etwa großflächige Schutzgebiete und
Wiederherstellungen von Mooren und Auen", schließt Langguth ab.
Ministerium für Energiewende,
Landwirtschaft, Umwelt und
ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein
Herrn Philipp Rüther
Postfach 71 51
24171 Kiel
per Mail an philipp.ruether[at]melur.landsh.de
Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland
Landesverband Schleswig-Holstein eV
Lorentzendamm 16, 24103 Kiel
Landesgeschäftsstelle
Fon 0431-66060-0
Fax 0431-66060-33
Absender des Schreibens:
Carl-Heinz Christiansen
Stellv. Landesvorsitzender
Peter-Schmidts-Weg 5
25920 Risum-Lindholm
carl-heinz.christiansen[at]bund-sh.de
Unser Zeichen: SH-2015-518 LGST
Datum: 3. Februar 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e.V. (BUND SH) nimmt zum Entwurf des Gesetzes zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schles-wig-Holstein wie folgt Stellung:
Der BUND SH begrüßt ausdrücklich die Initiative der Landesregierung, ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz zu verabschieden. Der vorliegende Entwurf für ein Klimaschutzgesetz des Landes Landes Schleswig-Holstein ist aus unserer Sicht ein notwendiger, in Teilen durchaus anspruchsvoller und richtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Klimaschutz in Schleswig-Holstein. Im Hinblick auf die Brisanz des Klimawandels und der zu befürchtenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgewirkungen reichen die gemachten Vorschläge aber nicht aus. Der Gesetzentwurf nutzt die technischen Innovations- und Entwicklungspotentiale, die ökonomischen Anreize für Arbeit und Beschäftigung sowie die gesellschaftlichen Chancen für Lebensqualität und Gesundheit hinsichtlich einer zügigeren, effektiveren und langfristigen Reduktion von Treibhausgasen nur bedingt. Klimaschutz braucht Verbindlichkeit: Der Gesetzentwurf ist durchdrungen von unverbindlichen Formulierungen. Klimaschutz braucht aber Verbindlichkeit, wenn die im § 3 Abs. 1 genannten Ziele erreicht werden sollen.
Der BUND SH fordert, die zahlreichen "Soll"-Formulierungen im Gesetzestext durch "Muss"-Formulierungen zu ersetzen!
Im vorliegenden Gesetzentwurf formuliert die Landesregierung Klimaschutzziele für die Landes-verwaltung und spricht ihr eine Vorbildfunktion zu (§4 Abs. 1). Dies ist zu begrüßen, aber nicht ausreichend. Die öffentliche Hand allgemein und die kommunalen Unternehmen können eine erhebliche Vorbildwirkung aufweisen. Diese Vorbildwirkung muss genutzt werden. Deshalb muss das Land stärker darauf hinwirken, dass Klimaschutzmaßnahmen auch in deren Wirkbereich umgesetzt werden. Unter Beachtung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung müssen auch Kommunen und Landkreise im Rahmen des Gesetzes stärker in die Pflicht genommen werden. Der BUND SH fordert, die Vorbildfunktion auch für die Kommunen und Landkreise zu formulieren!
Die Landesregierung, die Kommunen und Landkreise sind aufzufordern, mit den Verbänden und Bürgerinnen und Bürgern Klimaschutzkonzepte zu erstellen und konkrete Maßnahmen zu entwickeln, die den Erfolg des Klimaschutzes mittel- und langfristig voranbringen. Der BUND SH fordert, einen entsprechenden Paragrafen zu formulieren! Zu den Einzelheiten des Gesetzes: zu § 2 Abs. 11: Als Treibhausgasemissionen sind hier nur die Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) aufgeführt. Der BUND SH fordert, diese Auflistung um die Treibhausgase Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW/HFC), perfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW/PFC), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3) zu erweitern!
Das Umweltbundesamt schreibt: "Das Kyoto-Protokoll nennt sechs Treibhausgase: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), und Lachgas (N2O) sowie die fluorierten Treibhausgase (F-Gase): wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), und Schwefelhexafluorid (SF6). Ab 2015 muss Stickstofftrifluorid (NF3) zusätzlich einbezogen werden. Diese können durch Anwendung der sogenannten GWP-Werte (aktuell die des Vierten Sachstandsberichtes der IPCC im 100-Jahrehorizont) miteinander normiert werden. In Deutschland entfallen 87,9% Prozent der Freisetzung von Treibhausgasen auf Kohlendioxid, 6,2 Prozent auf Methan, 4,3 Prozent auf Lachgas und 1,6 Prozent auf die F-Gase (im Jahr 2014)".[1] Auch wenn die F-Gase nur in einem geringen Prozentsatz vorkommen, so sind sie im Vergleich zu Methan und Lachgas extrem treibhauswirksam. Außerdem ist ihre Verweildauer in der Atmosphäre extrem lang. Da sie im Kyoto-Protokoll aufgeführt sind, sollten sie auch in einem Klimaschutzgesetz für Schleswig-Holstein aufgeführt sein, auch wenn deren schleswig-holsteinischer Anteil zurzeit nicht bekannt ist.
zu § 3 Abs. 2:
Der BUND SH fordert, das Wort "mindestens" zu streichen und durch
"möglichst" zu ersetzen! Die Annahme, dass Schleswig-Holstein im Jahre
2025 mindestens 300% oder mehr seines Bruttostromverbrauchs aus
Erneuerbaren Energien erzeugen kann, beruht auf der
Potenzialuntersuchung der Pöyry Deutschland GmbH im Jahre 2014. Es ist
jedoch nicht abzusehen, wie viel Landesfläche (für Windparks,
Solaranlagen, Energiepflanzenanbau) für diese Erzeugungsleistung
tatsächlich in Anspruch genommen werden muss und welche Auswirkungen
dies auf Artenschutz, Menschen und Landschaft haben wird. Zurzeit
sollen 1,7 bis 2 Prozent der Landesfläche als Vorrangfläche für die
Windkraft ausgewiesen werden, hinzu kommen noch die Flächen für die
Freiflächen-Solaranlagen und die Flächen für den Substratanbau für die
Biogasanlagen. Es ist erst zu ermitteln, wie viel Landesfläche für die
Erzeugung erneuerbarer Energie unter Wahrung des Arten-, Boden-,
Landschafts- und Menschenschutzes tatsächlich zur Verfügung gestellt
werden kann. Unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen
(u.a. EEG-Gesetzgebung), des technischen Fortschritts und der
Verwendbarkeit des erzeugten Stroms resultiert daraus dann die
Erzeugungsleistung, die Schleswig-Holstein tatsächlich im Jahre 2025
bereit stellen kann. Eine gesetzliche Festschreibung auf "mindestens
300 Prozent" betont in unnötiger Weise, dass diese Leistung unter
allen Umständen, ohne Rücksicht auf Arten-, Boden-, Landschafts- und
Menschenschutz, erreicht werden soll.
zu § 3 Abs. 4:
Der BUND SH fordert, diesen Absatz um den Punkt Wiederherstellung
geschädigter natürlicher Ressourcen zu erweitern! Neben dem Schutz der
Ressourcen muss auch die besondere Bedeutung der Wiederherstellung von
natürlichen geschädigten Ressourcen aufgeführt werden. Gerade die
Wiederherstellung von Mooren, Auen, Naturwäldern und gesunden Böden
kann einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgase
beitragen. Die Wiederherstellung geschädigter natürlicher Ressourcen
ist eine kostengünstige Möglichkeit, klimaschädliche Gase zu
speichern. Besonders die Torfböden der Moore können hervorragend
Kohlenstoff speichern und haben aus diesem Grund eine besonders große
Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele. Durch intensive
landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden werden dagegen große Mengen
an Treibhausgasen freigesetzt. Torferhaltung und -neubildung spielt
deshalb für den Klimaschutz eine herausragende Rolle.
zu § 4
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, setzt die Landesregierung
schwerpunktmäßig auf die energetische Optimierung der
Landesliegenschaften bei Neubau und Sanierung. Da kann die
Landesregierung weitere Möglichkeiten nutzen. Der BUND SH fordert, als
weitere Maßnahmen die Umstellung der Fuhrparke der Landesregierung und
-behörden auf Elektrofahrzeuge und die Materialbeschaffung, z.B.
Papier, unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes zu tätigen.
zu § 5 Abs. 1, 2 und 3:
Besonders in diesem Paragrafen fallen die vielen unverbindlichen
"Soll"-Formulierungen auf. Die Landesregierung soll Berichte vorlegen
(Abs. 1 und Abs. 2) - muss aber nicht. Wenn die energie- und
klimapolitischen Ziele verfehlt werden, soll die Landesregierung tätig
werden (Abs. 3) - muss aber nicht. Der BUND SH fordert, "soll" durch
"muss" zu ersetzen!
zu § 6 Abs. 1 und Abs. 2:
Der BUND SH begrüßt, dass der Beirat für Energiewende und Klimaschutz
(Energiewendebeirat) fortgeführt werden soll. In Abs. 2 heißt es "...
Der Energiewendebeirat ist unabhängig ...". In Abs. 1 heißt es "... Er
besteht aus Vertreterinnen und Vertretern insbesondere aus Parlament,
Wirtschaft, Umwelt, Wissenschaft und Kommunen. Die Berufung von
Mitgliedern erfolgt jeweils für eine Legislaturperiode. Über die
Berufung entscheidet das für Energie und Klima zuständige
Ministerium."
Der BUND SH sieht die Unabhängigkeit des Energiewendebeirats bei
diesen Formulierungen als nicht gegeben an, da die Mitglieder, nach
dem Gesetzestext, als Person vom zuständigen Ministerium berufen
werden. Damit ist ihre Berufung abhängig vom Wohlgefallen des
Ministeriums. Außerdem sagt die Formulierung "insbesondere" aus, dass
einzelne Bereiche, z.B. Umwelt, nicht vertreten sein müssen.
Der BUND SH fordert, eine klarere Formulierung, z.B. wie folgt: Der
Beirat für Energiewende und Klimaschutz (Energiewendebeirat) beim für
Energie und Klimaschutz zuständigen Ministerium wird fortgeführt. Er
besteht aus Vertreterinnen und Vertretern aus Parlament, Wirtschaft,
Umwelt, Wissenschaft, Kommunen und evtl. weiteren Verbänden und
Vereinigungen. Die Vertreterinnen und Vertreter werden von den
jeweiligen Verbänden und Vereinigungen benannt.
zu § 7 Ab.s 1:
In der Begründung zu diesem Paragrafen heißt es: "Die Landesregierung
unterstützt die Aufstellung kommunaler Wärme- und Kältepläne." Dies
sollte auch im § 7 Abs. 1 deutlich werden. Das die Gemeinden
berechtigt sind, kommunale Wärme- und Kältepläne aufzustellen, ist
selbstredend. Um den Klimaschutz voranzubringen, müssen Wärme- und
Kältepläne verpflichtend sein. Hierzu ist auch ein Zeitrahmen
vorzugeben. Der BUND SH fordert, den Absatz 1 ist wie folgt zu ändern:
Städte und Gemeinden sind verpflichtet, innerhalb von 5 Jahren,
kommunale Wärme- und Kältepläne aufzustellen. Die Landesregierung
unterstützt sie bei der Aufstellung.
zu § 9:
Wie der Begründung zu diesem Paragrafen zu entnehmen ist, ist die
Idee, die hinter ihm steht, zu begrüßen. Seine Formulierung ist jedoch
sehr unspezifisch. Außerdem gibt es bereits ein Landes- und ein
Bundesbodenschutzgesetz, die jedoch nur unzureichend angewendet
werden. Trotz Bodenschutzgesetze werden Böden im großen Stil durch die
industrielle Landwirtschaft degradiert und durch Baumaßnahmen
irreversibel zerstört. Im Hinblick für den Klimaschutz sind deshalb
weitreichende und verbindliche Konzepte vorzusehen. Auch ist dieser
Paragraf in Verbindung mit §3 Abs. 4 zu sehen.
Der BUND SH fordert folgende Formulierung:
§ 9: Förderung natürlicher Kohlenstoffspeicher
Die Landesregierung ergreift Maßnahmen zur Förderung der natürlichen
Kohlenstoffspeicher.
In den Energiewende- und Klimaschutzberichten nach § 5 Absatz 2 berichtet die Landesregierung mindestens einmal je Legislaturperiode über die von ihr umgesetzten und geplanten Maßnahmen zur Förderung der natürlichen Kohlenstoffspeicher.
Der BUND SH fordert ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz,
Dies sind nicht nur Beiträge zur Rettung des Klimas, sondern auch bedeutende Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und der Sicherung der Wirtschaftskraft. Das Energiewende- und Klimaschutzgesetz sollte als Chance begriffen werden, Schleswig-Holstein fit für die Zukunft zu machen, denn investive Maßnahmen in den Klimaschutz bedeuten weniger Folgekosten in der Zukunft.
Wir erwarten, dass unsere Anregungen und Forderungen detailliert geprüft und entsprechend berücksichtigt werden. Wir bitten um eine weitere Beteiligung im Verfahren. Mit freundlichen Grüßen
i.A. Carl-Heinz Christiansen
Stellv. Landesvorsitzender
[1] Umweltbundesamt, die Treibhausgase, 15.01.2016
*
Quelle:
Presseinformation Nr. 08, 04.02.2016
BUND-Stellungnahme zum Energiewende- und Klimaschutzgesetz
Schleswig-Holstein, 03.02.2016
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Schleswig-Holstein
Lorentzendamm Nr. 16, 24103 Kiel
Tel.: 0431/66060-0, Fax: 0431/66060-33
E-mail: bund-sh@bund-sh.de
Internet: www.bund-sh.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2016
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