Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

ATOM/333: Südafrika streicht Kernkraftwerkspläne (SB)


Pläne zum Bau des Kernkraftwerks Nuclear One vom Tisch

Südafrikanischer Energiekonzern Eskom verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel


Am vergangenen Freitag hat der südafrikanische Energiekonzern Eskom angekündigt, daß er kein neues Kernkraftwerk bauen wird. Der Bieterprozeß zwischen dem von Areva angeführten EPR-Konsortium und dem Unternehmenszusammenschluß N-Powerment, das vom US-Konzern Westinghouse angeführt wird, müsse wegen der zu hohen Investitionssumme von schätzungsweise zwölf Milliarden Dollar abgebrochen werden. [1]

Umweltschutzgruppen wie Greenpeace Africa und Earthlife Africa jubeln, sehen sie doch in dieser überraschenden Wendung eine Chance, daß sich Südafrika verstärkt der Nutzung erneuerbarer Energien zuwenden wird. Diese Hoffnung ist zwar nicht völlig unbegründet, aber nach dem bisherigen Stand der Entwicklung sollte eher davon ausgegangen werden, daß das Land weiter auf Kohleverstromung setzt. Immerhin verfügt es über riesige, leicht abbaubare Kohlereserven und deckt damit schon heute 90 Prozent seines Energiebedarfs ab. Umweltschutzgründe waren es jedenfalls nicht, die Eskom bewogen hat, den bereits fortgeschrittenen Bieterprozeß für den Bau eines Kernkraftwerks zu beenden.

Auch wenn das Projekt "Nuclear One" damit zunächst vom Tisch ist, steigt Südafrika nicht grundsätzlich aus der Nuklearenergiegewinnung aus. In Koeberg ist das einzige Kernkraftwerk des Landes und sogar des Kontinents in Betrieb. Es läuft seit 22 Jahren und liefert 1900 Megawatt elektrische Energie. Damit werden fünf Prozent des Energiehungers Südafrikas gestillt. Davon abgesehen entwickelt Südafrika den Kugelhaufenreaktor weiter, der auf kleindimensionale Anwendungen ausgelegt sein soll.

Es fällt wahrlich nicht schwer, die Entscheidung des Eskom-Vorstands zum Ausstieg aus dem Bieterprozeß nachzuvollziehen. Internationale Ratingagenturen hatten kürzlich die Kreditwürdigkeit des Unternehmens herabgestuft, weil angenommen wurde, daß es sich mit dem Kernkraftwerk und anderen Projekten, deren Kosten sich zusammen auf 34 Mrd. Dollar (343 Mrd. Rand) belaufen, übernimmt, berichtete "Business Day" am 8. Dezember. [2] Die südafrikanische Wirtschaftszeitung vertrat allerdings die Ansicht, daß Nuklearenergie weiterhin Bestandteil des Energiemixes bleiben werde und daß das Land im Zeitraum 2012, 2013, wenn das Rekapitalisierungsrogramm Eskoms Fahrt aufgenommen habe, die Nuklearpläne wiederbelebt werden könnten.

Eigentlich hatte Eskom gehofft, seine Investitionskosten durch eine Erhöhung der Strompreise um 50 Prozent auffangen zu können, doch dem hat die südafrikanische Regierung einen Riegel vorgeschoben und festgelegt, daß der Preisanstieg nicht 30 Prozent überschreiten dürfe. Folglich mußte Eskom etwas unternehmen, um seine Kreditwürdigkeit wiederzuerlangen, und so warf es den Ratingagenturen und Banken die Streichung von Nuclear One zum Fraße hin.

Zu den beschriebenen finanziellen Schwierigkeiten des Energiekonzerns kommt die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hinzu, die auch vor Südafrikas Toren nicht haltmacht. Südafrikanische Konzerne sind international aufgestellt, und Autobauer wie BMW, Toyota oder Mercedes lassen im Kapstaat Fahrzeuge anfertigen. Der Eskom-Vorstand stand vor der Frage, ob seine Anfang 2007 erstellte Energiebedarfsrechnung nicht obsolet ist. Womöglich wird der Energieverbrauch nicht so schnell steigen oder im Falle einer Rezession - wovon zur Zeit in Südafrika nicht gesprochen werden kann - sogar zurückgehen.

Die ursprüngliche Prognose lautete, daß Südafrika bis 2025 einen Bedarf von 80 Gigawatt elektrische Energie (GWe) haben wird. Davon sollten 20 GWe durch neue Nuklearkapazitäten generiert werden, was den Nuklearanteil von 5 auf 25 Prozent am Stromverbrauch erhöhen würde. Der nun gestrichene Druckwasserreaktor Nuclear One hätte bis zu 4 GWe geleistet, was bedeutet, daß der Bau weiterer Kernkraftwerke in Planung befand. Als Baubeginn für Nuclear One war 2010 und als -abschluß 2016 vorgesehen. [1]

Zu dem Druck aufgrund der Herabstufung durch die Ratingagenturen sowie der allgemeinen Wirtschaftskrise kommt die Ungewißheit über die politische Entwicklung Südafrikas hinzu. Die Regierungspartei ANC (African National Congress) hat sich gespalten. Dem war die Absetzung des früheren Präsidenten Thabo Mbeki, der eine neoliberale Politik mit afrikanischem Anstrich betrieb, vorausgegangen. Zur Zeit wird das Land von einer Übergangsmannschaft regiert, für das kommende Jahr sind Wahlen angesetzt. Als aussichtsreichster Kandidat gilt Jacob Zuma, der zwar versichert hat, daß er die Politik seines Vorgängers beibehalten wird. Zuma könnte jedoch geneigt sein, nicht im gleichen Ausmaß wirtschaftsfreundlich zu sein wie Mbeki. Schon das hat die Alarmglocken in der südafrikanischen Wirtschaft läuten lassen. Wobei dazu angemerkt werden muß, daß das Jammern immer größer ausfällt, als der Anlaß gerechtfertigt erscheinen läßt. Zuma ist kein Kommunist, der die Produktionsmittel in die Hand der Arbeiterklasse legen will.

Umweltschutzgruppen, die sich heute über die Streichung der ambitionierten Nuklearpläne freuen, könnten schon morgen lange Gesichter machen. Denn Eskom baut zur Zeit zwei neue Kohlekraftwerke. Die sind zum Preis von einem Kernkraftwerk zu haben, und dem Unternehmen bleiben dann noch Finanzmittel übrig. Außerdem sind Kohlekraftwerke berechenbarer als Kernkraftwerke, wie die erheblichen Konstruktionsverzögerungen und Kostensteigerungen zweier Kkw-Neubauten in Frankreich und Finnland zeigen.

Gegenwärtig werden in Eskoms Kohlekraftwerken 120 Mio. Tonnen Kohle pro Jahr verfeuert, demnächst sollen es 200 Mio. Tonnen sein - mit entsprechend höherer Schadstoffbelastung der Umwelt. Sicherlich wird die südafrikanische Regierung Programme zur verstärkten Nutzung von sogenannten erneuerbaren Energie auflegen. Allerdings beginnt man am Kapstaat von ganz weit unten. Bislang gibt es im ganzen Land nur einen einzigen Windpark mit vier Anlagen.

An der Südküste Afrikas wehen zwar kräftige Winde, aber die sind nicht verläßlich. Südafrika bräuchte schon einen Energiemix, um windarme Zeiten zu überbrücken. Ohne eine kontinuierliche Stromversorgung kollabiert die Wirtschaft, das haben die Stromausfälle in Südafrika im vergangenen Jahr bewiesen. Auch Solarenergie scheint eine attraktive Option zur Stromproduktion. Prinzipiell fällt jedoch die Ausbeute von Solarzellen oder solarthermischen Anlagen bescheiden aus. Wenngleich sie für autarke Anwendungen einige Attraktivität besitzen - zumal wenn eine Region infrastrukturell unerschlossen ist -, eignet sich Solarkraft zur Zeit noch nicht, um eine Industrie wie die südafrikanische im relevanten Ausmaß mit Energie zu beliefern. Bis der Anteil von Solarenergie am Strombedarf in einen nennenswerten Bereich gelangt, würden viele, viele Jahre vergehen.

Die Nuklearwirtschaft dürfte nach dem Rückzieher Südafrikas gehörig mit den Zähnen knirschen. Hatte sie doch Hoffnungen gehegt, das Land werde in seiner Vorreiterrolle in Sachen Nuklearenergie auf den gesamten Kontinent ausstrahlen. Im Zuge des drastischen Preisanstiegs für Erdöl und Erdgas in der ersten Hälfte dieses Jahres war nämlich deutlich geworden, daß sich eine Reihe von Staaten - unter ihnen Namibia, Uganda, Ghana - ernsthaft für den Bau eines Kernkraftwerks interessierten. Die Absage Südafrikas könnte nun umgekehrt ebenfalls Vorbildfunktion erfüllen und die Regierungen ihre Pläne noch einmal überdenken lassen.


*


Anmerkungen:

[1] http://www.world-nuclear-news.com/NN
-Eskom_shelves_new_nuclear_project-0512084.html

[2] http://allafrica.com/stories/200812080106.html

8. Dezember 2008