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KLIMA/333: James Hansen warnt - Letzte Chance zur CO2-Reduzierung (SB)


"Wir sind Toast, wenn wir nicht einen ganz anderen Weg einschlagen"

Der führende Klimaforscher der USA beschreibt mit drastischen Worten die Gefahren des Klimawandels


Es gibt in den USA, möglicherweise sogar weltweit kaum einen bekannteren Klimaforscher als James E. Hansen. Der heutige Direktor des Goddard Institute of Space Sciences und führende Klimaexperte der US-Weltraumbehörde NASA ist seit über zwei Jahrzehnten im Geschäft. Im Juni 1988, also vor ziemlich genau zwanzig Jahren, erregte er mit einem Auftritt vor dem US-Kongreß größere Aufmerksamkeit. Damals herrschte in den Vereinigten Staaten eine Hitzewelle, und Hansen erklärte den Abgeordneten, daß dies ein Indiz für den Klimawandel sei und sich die Lage verschlimmern werde, sofern nicht entschiedene Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Was in den Ohren vieler Politiker wie Alarmismus klang, sollte sich bewahrheiten. 1988 war das bis dahin heißeste Jahr weltweit - aber bis heute wurde der Wert schon vierzehnmal übertroffen.

In Erinnerung an die legendäre Anhörung sprach Hansen diese Woche Montag erneut vor dem US-Kongreß bzw. dem House Select Committee on Energy Independence and Global Warming über den Klimawandel und lud anschließend zu einer Pressekonferenz in den Nationalen Presseclub in Washington. Eindringlicher denn je erklärte der Wissenschaftler, daß sich die Lage aufs übelste entwickelt habe und die Menschheit kurz davor stehe, einen "gefährlichen Level" der Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre zu überschreiten. Man müsse unbedingt auf den Wert des Jahres 1988 zurückkommen, besser wäre es, sogar noch größere CO2-Reduktionen vorzunehmen.

Im vergangenen Monat lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 386,7 ppm (parts per million - Teil pro Million). Laut Hansen muß dieser Wert drastisch gesenkt werden, möglichst unter 350 ppm. Bislang sind die Anhaltspunkte dafür, daß dieses Ziel in der gebotenen Geschwindigkeit erreicht wird, äußerst dünn gesät. Vielleicht sorgt ja die weltweite Verteuerung von Energie aus Öl, Gas, Kohle und Uran für einen sinkenden Verbrauch und damit für eine Reduzierung des atmosphärischen CO2-Gehalts, doch damit sollte man besser nicht rechnen. Denn in den letzten Jahren nahm die Kohlendioxidkonzentration immer schneller zu, das heißt, es fand eine Beschleunigung des CO2-Anstiegs statt, der regelrecht nach oben schoß. Da dieser Wert normalerweise keinen nennenswerten Schwankungen unterworfen ist, muß man davon ausgehen, daß eine Umkehr ein sehr behäbiger Prozeß ist und Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird.

Hansen nahm diese Woche vor allem die Kohlekraftwerks ins Visier, da ihnen ein vergleichsweise hoher Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen zukommt. Kohlekraftwerke, die diese Emissionen nicht einfangen, sollten in den USA bis 2025 und weltweit bis 2030 außer Betrieb genommen werden, forderte der Klimaforscher. Bis heute gibt es jedoch noch keine marktfähige Technologie, die das zu leisten vermag. Die Kosten zum Auffangen des CO2-Anteil an den Kraftwerksabgasen sind gegenwärtig noch sehr hoch.

Interessanterweise erhielten jene britischen Aktivisten, die gegen die geplanten neuen Kohlekraftwerke ihrer Regierung zu Felde ziehen, von Hansen volle Rückendeckung. Er sei zwar nicht so weit, daß er sich selbst anketten würde, aber irgendwie müsse man ja Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, erklärte er. In Großbritannien hatten sich Gegner der neuen Kohlekraftwerke an Tore und Ausrüstungsgegenstände mehrerer Standorte für neue Kohlekraftwerke angekettet, um gegen die Anlagen zu protestieren und ihren Weiterbau zu stoppen. Auch in den USA - ebenso wie in Deutschland - sollen neue Kohlekraftwerke entstehen. Dies will Hansen verhindern. Das sei das wichtigste überhaupt, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur AP am Montag.

Der US-Forscher war schon immer ein streitbarer Geist. Von Versuchen seitens des Weißen Hauses vor drei Jahren, ihm einen Maulkorb zu verpassen, hat er sich nicht beeindrucken lassen. Seine aktuelle Stellungnahme für Klimaschutz-Aktivisten, die handfesten Widerstand gegen luftverschmutzende Kohlekraftwerke leisten, zeigt zum einen, daß Hansen so renommiert ist, daß er sich solche Bekenntnisse leisten kann. Es zeigt aber auch, daß er den Klimawandel als eine große Gefahr für die menschliche Gesellschaft betrachtet und für ihn augenscheinlich die Zeit zu Ende ist, da Wissenschaftler sich hinter ihrer beanspruchten Objektivität verstecken, um politisch keine Stellung beziehen zu müssen.

26. Juni 2008