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KLIMA/337: Folgenschwerer Wassermangel in Australien (SB)


Jahrhundertdürre in Australien nicht überwunden

Regierung erwirbt landwirtschaftliche Flächen zum Schutz großer Flußsysteme


Mit banger Erwartung sehen die Einwohner Australiens dem nächsten Sommer entgegen. Wird er abermals eine Dürre im Gepäck haben? Auf der Südhalbkugel der Erde steht nun das Frühjahr vor der Tür, doch hat der Winter nicht die erforderlichen Niederschlagsmengen gebracht, um die mehrjährige schwere Dürre in diesem Jahrzehnt zu kompensieren. Die Aussies sprechen nur noch vom "Big Dry", der großen Trockenheit, oder auch der Jahrhundertdürre. Seit sieben Jahren regnet es entschieden zu wenig, das vergangene Jahr war eines der trockensten überhaupt. Einige Landwirte im Outback haben bereits die Koffer gepackt, weil sie sich verschulden mußten und Jahr für Jahr von den geringen Ernteerträgen enttäuscht wurden. Andere haben aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende bereitet.

Die Bewässerungswirtschaft gelangt in Australien an ihre Grenzen, denn sie setzt voraus, daß zumindest die großen Flüsse des Kontinents - der Murchison im Westen, der Murray, Darling und Murrumbidgee im Osten - permanent genügend Wasser führen. Insbesondere das Murray-Darling-Becken in den Bundesstaaten Neusüdwales, Victoria und Südaustralien leidet jedoch unter starkem Wasserschwund.

Es läßt sich denken, daß es in diesem Gebiet, auf das 40 Prozent der australischen Landwirtschaft und 75 Prozent der künstlichen Bewässerung entfallen, zwischen den verschiedenen Interessensgruppen zu erheblichen Differenzen über die Verteilung des kostbaren Nasses kommt. Die Städte und Gemeinden am Unterlauf des Murray beklagen sich über die Anwohner des Oberlaufs und behaupten, daß sie zuviel Wasser entnehmen und den einst breiten Strom zu einem Flüßchen verkommen lassen. Letztere kontern, daß die Bewohner des Unterlaufs doch das gleiche machen und sich nur beschweren, weil sie ihre Erträge steigern wollen.

Naturschützer werfen beiden Seiten vor, sie nähmen keine Rücksicht auf die ökologisch einzigartige Flora und Fauna, die sich im Mündungsgebiet des Murray mit seinen Ausgleichsseen entwickelt hätten. Die Landwirte wiederum zeihen die Naturschützer der Naivität. Bevor irgendwelche Sümpfe und Seen geschützt werden, sollte man doch gefälligst die Landwirtschaft bewahren, andernfalls habe Australien schwere wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen. Die Regierung in Canberra und die Gouverneure der Bundesstaaten versuchen, eine vermittelnde Position einzunehmen, und machen es damit niemandem vollständig recht. Wobei die frühere konservative Regierung John Howards' von der Bevölkerung unter anderem deshalb Ende vergangenen Jahres abgestraft und nicht wiedergewählt wurde, weil die Politiker den Klimawandel ignoriert haben und erst mit dem Beginn des Wahlkampfs, als sich die Niederlage abzeichnete, mit Subventionen in Millionenhöhe den Eindruck zu erwecken versuchten, sie setzten sich für die dürregeplagten Landwirte und für den Klimaschutz ein.

Howards' Nachfolger, Premierminister Kevin Rudd, unterzeichnete als erste Amtshandlung das Kyoto-Protokoll. Ob und in welcher Konsequenz er eine Klimaschutzpolitik betreibt, muß sich allerdings noch zeigen. Im Vergleich zu einem Politiker wie Howards zu glänzen, dem zum Thema Dürre nichts Besseres einfiel als zu erklären, daß man jetzt nur noch beten könne, fällt sicherlich nicht schwer.

Den Folgen der klimatischen Entwicklung Australiens kommt weitreichende Bedeutung zu. Immerhin ist das Land der drittgrößte Weizenexporteur der Welt. Dessen Ernteeinbußen wirken sich unmittelbar auf den Weltmarkt aus. Auch auf anderen Gebieten des Getreide-, Gemüse- und Obstanbaus sowie der Fleischerzeugung zählt Australien zu den produktiven, exportorientierten Staaten. Wenn also in dem Land Dürre herrscht, ist davon letztlich die ganze Welt betroffen, und zwar in nennenswerter Weise. Somit scheint ein Blick auf die politische Entwicklung am anderen Ende der Welt unverzichtbar. (Vom "unteren" Ende der Welt zu sprechen hieße dagegen, die eurozentrische Sichtweise unkritisch zu kolportieren, derzufolge Europa "oben" und Australien "unten" liegt. Dieses Darstellung findet sich nicht nur in Weltkarten wieder, die genauso gut andersrum gezeichnet werden könnten, sondern auch im Modell des Sonnensystems.)

Am Vorabend einer für den heutigen Donnerstag angesetzten Auktion in Sydney hat die Staatsregierung von Neusüdwales in Zusammenarbeit mit Regierungsorganisationen in Canberra eine riesige Baumwollfarm aufgekauft, um das Murray-Darling-Becken einen Teil des jährlichen Wasserverlustes zu ersparen. Die Toorale-Baumwollfarm im Nordwesten des Bundesstaats, die bislang der britischen Gesellschaft Clyde Agriculture gehörte, wechselte für 23,75 Mio. austral. Dollar den Besitzer. Die Maßnahme findet im Rahmen eines rund drei Milliarden Dollar umfassenden Nationalen Wasserplans statt. Die australische Regierung hatte im April dieses Jahres versprochen, mit dieser Summe landwirtschaftlich bewässerte Flächen zu kaufen und sie zu renaturisieren. An der ebenfalls zum Verkauf stehenden Darling-Farm, die über noch umfangreichere Wasserreserven verfügen soll als Toorale, bestand, so weit bekannt, bislang seitens der Staats- oder Bundesregierung noch kein Kaufinteresse. Insgesamt will Australien in den kommenden zehn Jahren über zwölf Milliarden Dollar in Wassereinsparungsmaßnahmen sowohl in der Landwirtschaft als auch den Städten investieren.

Die Toorale-Farm, die am Zusammenfluß des Darling und des Warrego liegt und eine Fläche von 91.000 Hektar einnimmt, soll nun zu einem Naturpark umgewandelt werden. 14.000 Megaliter Wasser können auf einen Schlag in das Flußsystem eingespeist werden, da die Dämme quer über den Warrego-Fluß entfernt werden sollen. Berechnungen zufolge bleiben dem Murray, der wiederum vom Darling gespeist wird, durch solche Maßnahmen bis zu 80 Gigaliter pro Jahr erhalten.

Naturschützer sind begeistert, doch wie gesagt, mit allen Vorhaben in dieser Region wird irgend jemandem auf die Füße getreten. So beklagen sich die Einwohner der Stadt Bourke bitterlich über den Deal und verweisen darauf, daß die Toorale-Farm ein wichtiger Arbeitgeber in der Region und unverzichtbar für den Wohlstand der Menschen ist. Skeptisch gibt sich auch der Wissenschaftler Prof. Mike Young von der Universität Adelaide und der Wentworth Group of Concerned Scientists, wenngleich aus anderen Gründen. Der Erwerb von Toorale werde nur einen minimalen Einfluß auf die Wassermenge des Murray-Darling-Systems haben. Erforderlich seien dagegen klare Entnahmebegrenzungen entlang der Flüsse, ansonsten würde das jetzt eingesparte Wasser von jemand anderem geschluckt, warnte er.

Ein Rückgang der Niederschlagsmenge von zehn Prozent würde zu einer 30- bis 50-prozentigen Reduzierung der Wassermenge im Murray-Darling-Becken führen. Es müsse das gesamte System der Wasserwirtschaft zurückgefahren und neu gestaltet werden, forderte Young in einem früheren Bericht [2]. Die Regierung sei dazu nicht in der Lage, es müßten Experten ran, die einen umfassenden Plan erstellten und sich das Vertrauen der Beteiligten erwerben.

Das scheint bis heute nicht gelungen zu sein. Am 10. August haben sich nahe der Mündung des Murray in der Encounter-Bucht bei Adelaide rund 5000 Demonstranten eingefunden und den Erhalt des zweitlängsten Flusses des Kontinents gefordert. In einer zweiminütigen Schweigepause gedachten sie dem "Tod" des 2530 Kilometer langen Murray. Die Regierung ergreife nicht die erforderlichen Maßnahmen, um einen sinnfälligen, naturerhaltenden Umgang mit dem Wasser, das vor allem in der Bewässerungswirtschaft verbraucht werde, zu gewährleisten, lautete ein Vorwurf. Die Süßwasserseen am Unterlauf würden inzwischen kaum noch gespeist und fielen trocken oder versauerten, was weitreichende Veränderungen der Ökosysteme nach sich zöge.

Mit dem aktuellen Erwerb der Toorale-Farm erfüllt die Staatsregierung von Neusüdwales zumindest die Forderung des örtlichen Alexandrina Council, jenes Bezirks, der sich nördlich des Alexandrinasees anschließt, in den der Murray auf seiner langen Reise einmündet, bevor sich sein Wasser schlußendlich ins Meer ergießt. Der Council hatte eine Öffnung der Wasserreservoire am Oberlauf des Murray gefordert, damit die Seen erhalten bleiben. Nur so könne eine ökologische, ökonomische und soziale Katastrophe verhindert werden, sind die Anwohner überzeugt. Die Kunde, daß die Toorale-Farm künftig nicht bewirtschaftet wird und die Flußdämme abgebaut werden, dürfte bei den Einwohnern des australischen Südens Freude auslösen.

Die klimatische Lage spitzt sich allerdings weiter zu, womöglich fiele Australien auch ohne den hohen Wasserverbrauch in der Landwirtschaft trocken. Anfang dieses Monats teilte die Murray-Darling-Beckenkommission mit, daß die winterliche Wassermenge den fünftniedrigsten Stand seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen vor 117 Jahren erreicht habe. Die letzten beiden Jahre sei der Wassermangel in dem Flußsystem aufgrund mangelnder Niederschläge besonders problematisch gewesen. Eine Entspannung ist in Sicht, erklärte die Kommissionsvorsitzende Wendy Craik. Nach Einschätzung des Meteorologischen Büros Australiens bedürfte es mehrerer Monate mit starken Regenfällen, damit Murray, Darling und Murrumbidgee wieder "gesund" würden.

Die Aussichten sind nicht gut. In 16 der letzten 18 Jahren lagen die Temperaturen über dem langjährigen Durchschnitt. Das Murray-Darling-Becken hat im vergangenen Sommer, also zum Jahreswechsel 2007/08, die höchsten Temperaturen seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1910 verzeichnet, ein beträchtlicher Teil des in der Landwirtschaft benötigten Wassers verdunstet. Sollte Australien langfristig Ernteeinbußen erleiden, dann betrifft das nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern auch Getreideimporteure in Südostasien, Ozeanien und anderen Weltregionen, die sich bislang darauf verlassen haben, die notwendige Nahrung für ihre Bevölkerung auf dem Weltmarkt erwerben zu können. Der dramatische Anstieg der Getreide- und Lebensmittelpreise im vergangenen und in diesen Jahr sowie die Verhängung von Ausfuhrrestriktionen in mehreren Ländern liefert einen Vorgeschmack auf eine Zeit, in der der Klimawandel, der sicherlich noch nicht seine volle Wucht entfaltet hat, den Nahrungsmangel in der Welt noch erheblich verschärft.


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Anmerkungen:

[1] http://www.theaustralian.news.com.au/story/0,25197,24327698 -2702,00.html

[2] http://livenews.com.au/Articles/2008/09/10/Government_cant_solve_MurrayDarling_woes

11. September 2008