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KLIMA/349: Neuer Solana-Report zu "Klimawandel und Sicherheit" (SB)


Der Klimawandel wird politisch instrumentalisiert

Hegemoniale Kategorisierung durch den Hohen Repräsentanten der EU


Im März 2008 haben der Hohe Repräsentant der Europäischen Union, Javier Solana, und die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner einen Report mit dem Titel "Klimawandel und globale Sicherheit" veröffentlicht. Jetzt hat Solana mit weiteren Empfehlungen zu diesem Thema nachgelegt [1]. Prinzipiell unterscheidet sich der neue Report nicht von dem früheren. Teils werden die potentiellen klimawandelbedingten Konflikte detailreicher beschrieben, es werden auch andere Schwerpunkte gesetzt, doch alles in allem liegen die Berichte auf der gleichen Linie, wie die EU mit dem Klimawandel umzugehen gedenkt.

Wenn sich die Europäische Union Sorgen um das Klima macht, dann sollte man annehmen, daß es darum geht, die Folgen für das eigene Territorium zu benennen, präventive Maßnahmen zu ergreifen und Katastrophenszenarien durchzuspielen, um Schäden so effektiv wie möglich beheben zu können. Am Solana-Report fällt allerdings auf, daß es darin um globale Projektionen europäischer Sicherheitsvorstellungen vor dem Hintergrund des Klimawandels geht. Ein Beispiel ist der Umgang mit Migranten. Es wird zwar nicht sonderlich herausgestellt, aber immer wenn von Migranten - im Sinne von Umweltflüchtlingen - die Rede ist, wird mit ihnen Unruhe assoziiert. Sie gelten als mögliche Gefahr sowohl für die Region, aus der sie stammen, als auch für die EU, die ihre Grenzen rechtlich und militärisch nach außen abschottet.

Die Aufnahmebedingungen für in Not geratene Menschen, sei es, daß sie aus umkämpften Konfliktgebieten wie Somalia kommen, sei es, daß sie Hungerregionen wie Äthiopien oder Simbabwe zu entfliehen versuchen, wurden von den EU-Mitgliedern in den letzten Jahren zunehmend strenger ausgelegt. Gleichzeitig unternahm und unternimmt die EU einige Anstrengungen, um Hunger- und politische Flüchtlinge durch vorgelagerte Maßnahmen abzuwehren. Dazu gehört die Einrichtung von Auffanglagern in Ländern Nordafrikas ebenso wie die Blockade von Flüchtlingsbooten möglichst noch innerhalb der küstennahen Seegebiete Afrikas.

Die Hauptstoßrichtung der beiden EU-Berichte zum Thema Klimawandel und Sicherheit weist jedoch nicht einfach nur auf die Abwehr von Flüchtlingen, sondern darauf, die EU als globale Hegemonialmacht zu etablieren. Bezeichnenderweise handeln die Beispiele für geographische Konfliktgebiete entweder von umstrittenen, territorial ungeklärten Räumen wie die Arktis - hier wird unverhohlen von einer geopolitischen Herausforderung der EU gesprochen - oder von Ländern an der Peripherie bzw. weit außerhalb bestehender Hegemonialmächte. Die Beispiele handeln nicht - und das sticht geradezu ins Auge - von potentiellen Konfliktgebieten innerhalb der Vereinigten Staaten, Rußlands, Chinas oder Australiens.

Wollte man die Auswahl an Fallbeispielen, zu denen Solana eine Aussage trifft, auf ein einfaches zwischenmenschliches Verhältnis herunterbrechen, so kommt der Eindruck auf, daß er sich an manche Gebiete nicht herantraut. Beispielsweise gibt es innerhalb der USA mindestens drei Regionen, die schon heute ziemlich konfliktgeladen sind und zu rechtlichen Auseinandersetzungen der Bundesstaaten untereinander geführt haben. Der Klimawandel dürfte den Streit noch erheblich zuspitzen. Es handelt sich um die Wassernutzung des Rio Grande und seiner Zuflüsse im Süden der USA, um den Colorado und im Zusammenhang damit den Ogallala-Aquifer, einem stark genutzten fossilen Grundwasserspeicher, der sich unter mehreren Bundesstaaten erstreckt, und um das Wassereinzugsgebiet im Südosten des Landes mit den Flüssen Tennessee, Alabama, Ohio und Savannah.

Ebenfalls kein Thema in dem Report ist der inneraustralische Konflikt zwischen den Anwohnern des Unter- und des Oberlaufs des Murray über die Wasserentnahme für die Landwirtschaft. Auch innerhalb Chinas, Indiens und Rußlands herrschen mitunter konträre Ansichten, vorzugsweise zwischen einer Region und der Zentralregierung, über die Wassernutzung vor, die nicht angesprochen werden.

Nun wirkte es sicherlich befremdlich, wenn Solana den USA oder Australien (schon weniger bei Rußland, China und Indien) Vorschläge unterbreitete, wie sie mit den Folgen des Klimawandels umzugehen hätten. Das würde anmaßend wirken, und genau das ist der Punkt. Warum wirkt es weniger anmaßend, wenn Solana über Konfliktgebiete in Ostafrika oder Zentralasien schwadroniert? Handelt es sich dort um eine Kategorie von Staaten, deren Souveränität nicht in vollem Umfang anerkannt wird?

Der EU-Vertreter trifft sehr bezeichnende Unterscheidungen. Nach der Empfehlung, daß sich die Europäische Union im nächsten Jahr auf folgendes konzentrieren solle, unterteilt er in "key global partners" (entscheidende globale Partner), namentlich genannt werden USA, China, Indien und Rußland, und "regions at particular risk" (besondere Risikogebiete). Hier werden die Allianz der kleinen Inselstaaten, die Arabische Liga und die Afrikanische Union genannt. Zur dritten und letzten Kategorie gehören internationale Organisationen (VN, AU, OSZE).

Die Kategorisierung "Partner" versus "Risikogebiete" läßt den dahinterstehenden hegemonialen Anspruch der EU erahnen. Gemäß Solanas Einteilungslogik werden Afrikanische Union, Arabische Liga und Allianz der kleinen Inselstaaten als Vertreter von Risikogebieten betrachtet und somit nicht als Partner wie die anderen Staaten. Bei der Afrikanischen Union, die immerhin einen ganzen Kontinent mit über 50 Ländern repräsentiert, dürfte dies als Diffamierung ankommen.

Auf diese Deutung seiner Ausführungen angesprochen, würde Solana vermutlich erwidern, daß er und die EU sämtliche genannten Staaten als Partner betrachten, das sei selbstverständlich und etwas anderes zu unterstellen infam. Dem wäre zu entgegnen, daß Afrika und Zentralasien, um die er sich angeblich Sorgen macht, nicht erst in jüngster Zeit Brennpunkte geopolitischer Ambitionen der europäischen Mächte sind. Wer die Kontrolle über diese Ressourcenregionen erlangt, gewinnt gegenüber den konkurrierenden "Partnern" Vorteile.

Zentralasien wird auch von China und Rußland mittels des Shanghai-Kooperationsrates sowie von den USA massiv umworben. In Afrika haben sich lange Zeit die Europäer untereinander befehdet, zugleich haben die USA ihren Einfluß ausgedehnt, wobei sie sich dabei teilweise mit Großbritannien zusammengetan haben, um Frankreich aus dem Rennen zu werfen. Seit einigen Jahren baut China mit einer Politik der Diversifizierung umfangreiche wirtschaftliche Beziehungen zu Dutzenden afrikanischen Ländern aus und gewinnt auf diese Weise an Einfluß.

Die eigene Einflußsphäre auf Afrika und Zentralasien sowie als drittes die kleinen Inselstaaten ausdehnen zu können muß auf die Global Players höchst attraktiv wirken. Das gilt auch für die Europäische Union. Deutlich wird, daß deren Vertreter an das Thema Klimawandel und Sicherheit auf eine Weise herangehen, die es mit sich bringt, daß einige Staaten herabgesetzt werde. Das ist zweifellos eine wichtige Voraussetzung bei der Verfolgung hegemonialer Absichten. Die Gefahren durch den Klimawandel und die Antwort des Menschen darauf werden politisch instrumentalisiert. Das schließt überhaupt nicht aus, daß manche Regionen vom künftigen EU-Engagement profitieren - wer wollte behaupten, daß Hegemonie anders funktionierte als über Teilhaberschaft?


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Anmerkung:

[1] Climate Change and Security: Follow-up recommendations by EUHR Solana, 18. Dezember 2008
http://www.europa-eu-un.org/articles/en/article_8382_en.htm

23. Dezember 2008