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KLIMA/470: Keine Wachstumsideologie - das einzig annehmbare Geoengineering-Konzept (SB)


Geoengineering andersrum - Reduktion der Treibhausgasemissionen


Das ursprüngliche Geoengineering-Projekt ist auf ganzer Linie gescheitert, nun sollen es andere globale Maßnahmen der Manipulation der Erdatmosphäre wieder richten. Die Rede ist von der Erderwärmung durch anthropogene Treibhausgase. Zwar wurde die Erhöhung der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre als Folge des permanenten Eintrags von Kohlendioxid aus unzähligen Verbrennungsvorgängen nie als absichtsvolles Geoengineering-Projekt ausgewiesen, aber es kann als Musterbeispiel dafür genommen werden, auf welche Weise der Mensch Einfluß auf den gesamten Planeten genommen hat.

An Ideen und Konzepten, wie der Erderwärmung mit einer weiteren globalen Maßnahme entgegengewirkt werden sollte, mangelt es nicht. Es wurden auch schon Firmen gegründet, die Geld damit verdienen wollen, indem sie beispielsweise Eisenpulver ins Meer streuen. Das soll das Algenwachstum anregen und in der Kette das Treibhausgas Kohlendioxid dauerhaft binden. Experimente haben gezeigt, daß das nicht funktioniert. Die Algen wurden gefressen, so daß der in den Mikropflanzen gebundene Kohlenstoff nicht mit den absterbenden Algen zu Boden sank, sondern weiter in Umlauf gebracht wurde.

Am Rande der noch bis zum 29. Oktober laufenden Weltnaturschutzkonferenz in Nagoya warnten Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, daß keine Geoengineering-Projekte in Angriff genommen werden dürften, solange solche Vorhaben nicht von der ganzen Welt akzeptiert seien. Pat Mooney von der ETC Group in Kanada sagte laut ScienceDaily.com [*] gegenüber Reuters, daß die Industriestaaten keine Experimente durchführen sollten, solange die Vereinten Nationen nicht damit einverstanden sind. Es müsse ein Moratorium gegen solche Projekte ausgesprochen werden.

Das erste Geoengineering-Projekt - die Erderwärmung durch CO2-Verbrennungsgase seit Beginn der Industriealisierung vor rund zwei Jahrhunderten - wird zwar seit vielen Jahren sehr genau erforscht, nachdem Wissenschaftler erstmals festgestellt hatten, daß es der Menschheit gelungen war, Einfluß auf das globale Klima zu nehmen, aber von einem ausreichenden Verständnis der Vorgänge ist man trotz der inzwischen Bibliotheken füllenden Erkenntnisse noch entfernt. Zu komplex für das menschliche Fassungsvermögen sind die Wechselwirkungen der zahlreichen Klimafaktoren. Mit den leistungsfähigsten Rechnern der Welt werden zwar immer detailliertere Simulationen durchgespielt, um Szenarien darzustellen, wie sich das Klima unter welchen Bedingungen entwickeln könnte, aber die beteiligten Forscher sind sich weitgehend einig darin, daß die aus der vergangenen Klimaentwicklung abgeleiteten Prognosen mit großer Unsicherheit behaftet sind.

Es gibt durchaus namhafte Forscher, die den Standpunkt vertreten und wissenschaftlich zu begründen versuchen, daß der menschliche Einfluß auf das Klima gering ist im Verhältnis zu anderen Faktoren, beispielsweise der Veränderung der Sonneneinstrahlung aufgrund von Vorgängen innerhalb der Sonne oder auch als Folge von Veränderungen der Erdbahn. Andere Forscher nehmen an, daß hauptsächlich Wolken das Klimageschehen auf der Erde bestimmen, nicht Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan, Lachgas, etc.

An dieser Stelle soll keine Debatte über das Für und Wider der Standpunkte der sogenannten Klimaskeptiker geführt werden. Das Beispiel dient lediglich zu Verdeutlichung, daß selbst der umfassend erforschte Themenkomplex Treibhausgase-Klima-Erderwärmung keine gesicherten Prognosen über die zukünftige Entwicklung erlaubt.

Nun bringen sich jedoch Forscher oder Unternehmen ins Spiel, die profitorientiert arbeiten, und wollen einen weltweiten Klimaeffekt künstlich herbeiführen, der von seiner Wirkung her nicht geringer ausfallen darf als der, der die Erderwärmung antreibt - ohne daß die Methoden erforscht wurden. Selbst wenn sich sämtliche Klimaforscher der Welt jahrelang nur mit der Frage befaßten, welche Folgen die Eisendüngung der Meere, das Ausbringen von riesigen Reflektoren im Orbit, das Versprühen von Wassertröpfchen oder chemischen Partikeln in der Atmosphäre hätte, wären die aus ihrer Forschung hergeleiteten Versuche noch immer mit einem so hohen Risiko behaftet, daß es niemand ernsthaft auf sich nehmen kann.

Mooney fordert, daß die UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD - U. N. Convention on Biological Diversity), die gegenwärtig in Nagoya Leitlinien für den Zeitraum 2010 bis 2020 erarbeitet, ihr De-facto-Moratorium gegen Eisendüngung der Ozeane aus dem Jahre 2008 auf sämtliche Geoengineering-Vorhaben erweitert. Doch Kanada und andere Staaten haben sich gegen ein so weitreichendes Moratorium ausgesprochen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß diese Staaten Pläne haben, Geoengineering zu betreiben. Aber man kann davon ausgehen, daß die Staaten, bevor sie ein pauschales Moratorium aussprechen, definieren wollen, was überhaupt unter Geoengineering zu verstehen ist.

Es leuchtet sofort ein, daß von all den bekannten Geoengineering-Maßnahmen diejenige am sichersten sein dürfte, die ihre Wirkung bereits in umgekehrter Richtung gezeigt hat. Anstatt immer mehr Treibhausgase zu emittieren, sollten immer weniger produziert werden. Die Schraube wird zurückgedreht - auch das ist Geoengineering.

Die auf Verbrauch und Verschleiß abzielende Wirtschaftsweise wird im ersten Schritt ersetzt durch eine, die dem Bestand und der Bewahrung verpflichtet ist. Das setzt allerdings bereits bei den gesellschaftlichen Grundstrukturen an. Solange das Erringen von Profiten Hauptantrieb für Veränderungen ist, kann unter den vorherrschenden wachstumsorientierten Produktions- und Reproduktionsbedingungen nichts anderes herauskommen, als daß Unternehmen versuchen werden, zu expandieren und ihren Umsatz zum Beispiel über den Verbrauch dessen, was sie herstellen, zu steigern. Der Kampf gegen den Klimawandel richtet sich zuvorderst gegen den Wachstumszwang und all seine Implikationen. Die sind weniger im technologischen, denn im sozialen Bereich anzutreffen.


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Anmerkungen:

[1] "U.N. urged to freeze climate geo-engineering projects", ScienceDaily, 21. Oktober 2010
http://www.sciencedaily.com/releases/2010/10/101018163743.htm

21. Oktober 2010