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KLIMA/520: US-Landwirtschaft - Saisonbeginn im Zeichen der Dürre (SB)


Druck auf globale Getreideproduktion wächst

Letztjährige Dürre in den USA noch deutlich übertroffen - lange Frostperiode in Europa



Inzwischen gibt es wohl keinen Klima- oder Agrarexperten mehr, der ernsthaft daran glaubt, daß das Millenniumsziel einer Halbierung der Zahl der Hungernden weltweit bis zum Jahr 2015 noch erreicht wird. Selbst regional geringfügige Steigerungen der Nahrungsproduktion vermögen andere, gegenläufige Entwicklungen nicht zu kompensieren. Ganz zu schweigen von der eigentlich gebotenen Produktionssteigerung, damit jenes Siebtel der Menschheit, das schon heute nicht ausreichend mit Nahrung versorgt ist, keinen Hunger leiden muß.

Bereits vor fünf Jahren hatte die EU-Kommission gewarnt, daß der Klimawandel als "Multiplizierer" bestehender Konflikte dienen wird. Nahrungsmangel ist eindeutig so ein potentieller Konflikt. Wobei die verbreitete Vorstellung ein Irrtum ist, daß die Hungernden beispielsweise aus Afrika nach Europa aufbrechen, um sich dort Nahrung zu beschaffen. Dazu wären sie physisch gar nicht in der Lage. Es wandern hauptsächlich jene Menschen ab, die noch kräftig genug sind und überhaupt genügend Geldmittel zusammenbekommen, um die Reise ins Ungewisse bezahlen zu können.

Ein langer Winter in Europa macht zwar noch keinen Klimawandel, und selbst das seit einigen Jahren zu beobachtende Auftreten schwerwiegender Dürren im Getreideanbaugebiet der USA beweist nicht, daß ein Klimawandel stattfindet. Aber die Folgen beider Phänomene setzen die globale Ernteproduktion unter Druck, denn in beiden Fällen handelt es sich sowohl um global wichtige Produktions- als auch Verbrauchsregionen. Bleibt die Produktion aus, ohne daß der Verbrauch zurückgefahren wird, wird die Versorgung über andere Weltregionen sichergestellt. So könnte sich die Europäische Union, die schon vor Jahren politisch entschieden hat, ihre Interventionslagerbestände zur Getreidepreisstabilisierung abzubauen, in Zukunft genötigt sehen, noch mehr Nahrung und Futter auf dem Weltmarkt zu erwerben.

Zwar haben in den USA fast 50 Millionen Einwohner Anspruch auf Lebensmittelhilfe, aber die Not kann derzeit noch verwaltet werden, ohne daß es zu größeren Ausschreitungen käme. Es ist damit zu rechnen, daß die US-Regierung, bevor sie die eigene Bevölkerung in einem Ausmaß darben läßt, daß dadurch die gesellschaftliche Ordnung gefährdet wird, dazu übergeht, die Nahrungsmittelhilfe ans Ausland zu reduzieren. Bereits vor einigen Jahren war dazu eine Reform mit einer stärkeren Konzentration der Hilfe auf politisch genehme Staaten durchgeführt worden.

Klima- und Agrarexperten der USA vermögen nicht einmal zuverlässig vorherzusagen, ob sich die gegenwärtige Dürre in weiten Landesteilen ihrem Ende zuneigt oder ob sie den Anfang eines länger anhaltenden Trends markiert. Beides ist möglich; aus keiner noch so aufwendigen Klimasimulation kann eine Prognose hergeleitet werden. Sollte sich aber das klimatische Muster aus früheren Dürreperioden, wie dem berühmten Dust Bowl der 1930 Jahre und der Dürre der 1950er Jahre, wiederholen, so "könnte ein ohnehin bereits angeschlagenes Landwirtschaftssystem schweren Schaden erleiden", schrieb die Website InsideClimateNews.org Ende vergangenen Monats. [1] Letztes Jahr sei die Lage schon schlimm genug gewesen, aber alles in allem noch immer besser als in diesem Jahr, wird der Klimaforscher Tom Karl, Direktor des National Climatic Data Center der NOAA (Nationals Oceanic and Atmospheric Administration), zitiert.

Im vergangenen Jahr erlebten die USA das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und die schwerste und hartnäckigste Dürre seit mindestens 25 Jahren. Aber noch beschränkte diese sich auf einige Flecken, in diesem Jahr dagegen tritt sie flächendeckend auf. So herrschte im Februar auf 54,2 Prozent der zusammenhängenden Landfläche der Vereinigten Staaten - ohne Alaska und die Inseln - Trockenheit. Zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr waren es 39 Prozent. Die Farmer in den Bundesstaaten South Dakota, Wyoming, Nebraska und Montana, die 2012 noch als Stützen der Landwirtschaftsproduktion der Vereinigten Staaten galten, ringen bei ihrer diesjährigen Frühjahrssaat mit schweren bis extrem schweren Dürreverhältnissen.

Selbst wenn die nächsten Wochen und Monate mehr Niederschläge bringen, wonach es den Wetterprognosen zufolge nicht aussieht, sind die Startbedingungen der Landwirtschaft in diesem Jahr so ungünstig, daß mit keinen hohen Erntezahlen zu rechnen ist.

Schätzungen zufolge besaßen die Verluste der US-Landwirtschaft im vergangenen Jahr einen Wert von 150 Mrd. Dollar. Die Lebensmittelpreise werden deshalb in diesem Jahr um rund vier Prozent steigen. Doch nicht nur innerhalb der Vereinigten Staaten wirkt sich die geringere Nahrungsproduktion, die durch klimatische Veränderungen verstärkt wird, zunächst auf die Ärmsten der Armen aus. Der Effekt dürfte sich in den nächsten Jahren, wenn die Wetterverhältnisse global noch unberechenbarer werden, als sie es heute bereits sind, in der ganzen Welt verstärken und dann auch jene Teile der Bevölkerung heimsuchen, die sich bislang sicher wähnen durften. Wobei die Vorstellung sehr verkürzt wäre und dadurch auch die Interessen der gesellschaftlich vorherrschenden Kräfte vernachlässigt würden, wollte man dafür den abstrakten Klimawandel verantwortlich machen. Wer beispielsweise von den Griechen hätte vor zehn Jahren gedacht, daß unter der Ägide der Europäischen Union und des internationalen Finanzkapitals Armut und Hunger in weiten Teilen der Gesellschaft Einzug halten werden?

Von den Entwicklungen im Agrarsektor der USA ist immer die ganze Welt betroffen, denn sie sind eine wichtige landwirtschaftliche Exportnation. Sollten in diesem Jahr weitere große Agrarländer Ernteeinbußen verzeichnen, könnte sich die Ernährungslage für viele Menschen deutlich verschlechtern. Aber es ist niemals "der Klimawandel", der etwas macht, sondern es sind die Menschen, welche auf bestimmte Weise mit den sich verändernden klimatischen Verhältnissen umgehen.


Fußnoten:

[1] http://insideclimatenews.org/news/20130328/drought-season-bad-start-scientists-forecast-another-bleak-year

14. April 2013