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KLIMA/540: Klimaschutz, Ressourcennutz - EU-Außenbeauftragte Ashton auf dem 45. Pacific Islands Forum (SB)


Klimawandel, Fischerei, Bergbau

Die Europäische Union sichert sich ihren Einfluß im pazifischen Raum



Sieben Kontinente gibt es auf der Erde, das hat jedes Schulkind schon früh im Erdkundeunterricht gelernt. Was den Sprößlingen in den seltensten Fällen erklärt wird: Andere zählen anders oder, ausführlicher formuliert, diese Zählweise ist Ausdruck einer historisch gewachsenen, politisch nach wie vor virulenten Sichtweise des hiesigen, sich allen anderen gegenüber überlegen wähnenden Kulturkreises.

Wir betrachten den Pazifik als "flüssigen Kontinent", sagt dagegen Maureen Penjueli von der Republik Fidschi. Wir leben nicht auf "kleinen Inselstaaten", wie es gemeinhin behauptet wird, sondern in "großen Ozean-Inselstaaten", so die Koordinatorin des pazifischen Netzwerks zur Globalisierung, PANG (Pacific Network on Globalisation), kürzlich im Gespräch mit dem Schattenblick. [1]

Penjuelis Standpunkt ist auf dem mit Abstand größten Kontinent der Erde - der Pazifische Ozean nimmt immerhin rund ein Drittel der Erdoberfläche ein - durchaus verbreitet und, so darf mit einiger Berechtigung vermutet werden, er hätte sich auch in Europa durchgesetzt, wenn nicht unsere Vorfahren die Eroberer gewesen wären, die ihre Kultur und Weltanschauung exportiert haben, sondern umgekehrt die Pazifikbewohner, die ihren Standpunkt den Europäern oktroyiert hätten.

Der flüssige Kontinent ist riesig und in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen. Viele Inseln ragen nur wenige Dezimeter oder Meter über den Meeresspiegel hinaus und drohen unterzugehen, wenn sich die Erde weiter erwärmt. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge steigt der Meeresspiegel nicht nur linear an, sondern beschleunigt, und die Beschleunigung nimmt zu, so daß am Ende dieses Jahrhunderts das Meer um mehrere Dezimeter bis Meter höher sein könnte als heute.

Diese Gefahr, ihre Folgen und welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, hatten die Teilnehmer des 45th Pacific Islands Forum, das vom 29. Juli bis 1. August in Koror, Palau, stattfand, zu einem Schwerpunkt ihrer Vorträge und Diskussionen gemacht. "Der Ozean: Leben & Zukunft" lautete der offizielle Titel des Treffens. Abgesehen vom Klimawandel waren weitere Themenschwerpunkte der Schutz der Meereslebewesen, die Verbreitung nicht-übertragbarer Krankheiten sowie die mögliche Wiederaufnahme Fidschis in das Forum. Dessen Mitgliedschaft war aufgrund des Militärputsches 2006 suspendiert worden, was wahrscheinlich nach den für September angesetzten Wahlen in dem Land wieder rückgängig gemacht wird.

Zum Pacific Islands Forum (PIF) haben sich alle 16 unabhängigen Staaten Ozeaniens - Australien, Cookinseln, Fidschi, Kiribati, Marshallinseln, Mikronesien, Nauru, Neuseeland, Niue, Palau, Papua-Neuguinea, Samoa, Salomonen, Tonga, Tuvalu und Vanuatu - zusammengeschlossen. Assoziierte Mitglieder des PIF sind Französisch-Polynesien und Neukaledonien, die zu Frankreich bzw. Großbritannien gehören. Zudem gibt es eine Reihe von Beobachterstaaten. Der Austragungsort des Forumstreffens, die ehemalige deutsche Kolonie Palau, zählt zu den Karolinen-Inseln, die rund 800 Kilometer östlich der Philippinen und 800 Kilometer nördlich von Papua-Neuguinea liegen.

Wenn man sich anschaut, welche Institutionen Gesandte zum diesjährigen Forum geschickt haben, könnte man beinahe den Eindruck gewinnen, die ganze Welt sorge sich um die Fischbestände der Inselstaaten, die Verbreitung von Krankheiten wie Diabetes unter den Insulanern oder darum, daß einige Inseln untergehen, wenn der Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten steigt. Führende Wirtschaftsnationen wie die USA, China und Indien waren ebenso vertreten wie die Europäische Union. Letztere hatte niemand geringeren als Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, als Leiterin einer Delegation nach Palau entsandt. [2]

Mit ihr und John Podesta, der den US-Präsidenten Barack Obama unter anderem in Klimafragen berät, erhielt das 45. Pacific Islands Forum ein beachtliches politisches Gewicht. Durchaus angemessen für den riesigen "flüssigen Kontinent", doch im Widerspruch zu seiner vergleichsweise geringen politischen Bedeutung. Worauf richtet sich also das ausgeprägte Interesse der Europäischen Union?

Die frühere, regelmäßige Forderung der sogenannten kleinen Inselstaaten auf den großen UN-Klimaschutzkonferenzen, derzufolge die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel, die Industriestaaten, bitte schön dafür sorgen sollten, daß die globale Erwärmung nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt, wurde von den Adressaten dieses Appells geflissentlich ignoriert. Das dürfte auch diesmal nicht der wichtigste Anlaß für Ashton gewesen sein, daß sie um die halbe Welt reist, eine Rede hält und zu Abend ißt. Handfeste wirtschaftliche Interessen an dieser Gruppe der AKP-Staaten, den ehemaligen europäischen Kolonialstaaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik, spielen eine wesentliche Rolle.

Die Unterzeichner des Kyoto-Protokolls haben sich auf das sogenannte 2-Grad-Ziel geeinigt, was bedeutet, daß einige pazifische Inseln überschwemmt werden - falls dieses Ziel eingehalten werden kann, wonach es gegenwärtig nicht aussieht. Die Zunahme der Treibhausgasemissionen läßt erwarten, daß am Ende dieses Jahrhunderts die globale Durchschnittstemperatur drei bis vier Grad höher liegt als heute. Manche Projektionen, die auf durchaus realistischen Voraussetzungen beruhen, ergeben eine nochmals höhere Durchschnittstemperatur, was zur Folge hätte, daß nicht nur einige Inseln, sondern ganze Staaten von der Landkarte verschwinden.

Das 1,5-Grad-Ziel wäre zwar geboten, wenn man den Verlust der Heimat von Millionen Menschen verhindern will, wird aber gar nicht erst diskutiert. Anscheinend wurden den pazifischen Inselstaaten inzwischen die Zähne gezogen, denn die "Majuro-Deklaration für Klima-Führerschaft" [3], die das 44. PIF im vergangenen Jahr verabschiedete, ist ein zahnloser Tiger. Die Erklärung enthält keinerlei konkrete Reduktionsziele, sondern spricht von der "Verantwortung aller", die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Angesprochen ist "jede Regierung, jedes Unternehmen, jede Organisation und jede Person".

Die pazifischen Inselstaaten sind für weniger als 0,03 Prozent der derzeitigen Treibhausgasemissionen verantwortlich, sprechen aber von der Verantwortung aller, als sei diese gleich verteilt?! Mit einer so wachsweichen Erklärung können Vertreter der Industriestaaten wie Podesta und Ashton gut leben. Sollen sich doch die Mitglieder des Pacific Islands Forums als "Klimaführer" bezeichnen und wohlfeile Worte für den Klimaschutz finden, Hauptsache, sie stellen keine ernsthaften Forderungen und bleiben gefolgsam, dürfte ihre Einstellung lauten.

Hinter dem Besuch Ashtons, die eine Rede auf dem Forum gehalten und abends zum Dinner geladen hat, dürften, wenig überraschend, handfeste wirtschaftliche Interessen stecken. Zum einen geht es um Fischereiabkommen der EU mit den pazifischen Inselstaaten. Hier will man auf jeden Fall den Fuß in der Tür behalten, hat doch Palau Anfang des Jahres den kommerziellen Fischfang in seinen Gewässern (200-Seemeilen-Zone) für ausländische Trawler untersagt. Das könnte Schule machen. Bestehende Fischereiabkommen mit Japan, Taiwan und einigen Privatunternehmen laufen aus, neue Verträge werden nicht geschlossen. Nur die Einheimischen dürfen weiter fischen. Palaus Präsident Tommy Remengesau jun. will sein Land statt für den Fischfang für noch mehr Tourismus öffnen. [4]

Die pazifischen Inselstaaten versuchen mit Nachdruck, in den unter anderem mit der EU ausgehandelten Fischereiabkommen höhere Einnahmen für sich zu erstreiten. Brüssel reagiert darauf mit einer Doppelstrategie. Zum einen spricht es sich in der "Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. November 2012 zur externen Dimension der Gemeinsamen Fischereipolitik" [5] und darauf aufbauend in der "umfassenden Fischereistrategie der EU im Pazifik" [6] vom 8. Oktober 2013 für eine Unterstützung der bestandschonenden Fischereipolitik der Pazifikstaaten aus, zum anderen schließt die EU Anfang 2013 ein Fischereiabkommen mit Kiribati und bringt damit die "Parties to the Nauru Agreement" (PNA), die eine gemeinsame Position der pazifischen Staaten hinsichtlich des Thunfischfangs beschlossen haben, gegeneinander in Stellung. [7]

Und als dritte Strategie zu dem Zweck, den generellen Einfluß in der Region zu sichern, hat im Februar dieses Jahres die EU mit dem Pacific Islands Forum Secretariat (PIFS) das Abkommen "Adapting to Climate Change and Sustainable Energy" (ACSE) getroffen, das die Finanzierung eines Anpassungsprogramms für 15 kleine Inselstaaten an den Klimawandel im Umfang von 37,3 Mio. Euro vorsieht.

Ein mindestens ebenso großes wirtschaftliches Interesse wie am Fischfang dürfte die EU am Bergbau haben. Perspektivisch ist der Meeresbodenbergbau ein Feld, für dessen Erschließung gegenwärtig die Weichen gestellt werden. Sofern sich die Aufsuchungsgebiete beispielsweise für Manganknollen, Kobaltkrusten und Massivsulfide in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) befinden, unterliegen sie dem nationalen Hoheitsrecht. Mehr noch als bei der Fischerei, bei der sich die pazifischen Staaten traditionell zusammengeschlossen haben, um dadurch eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber den USA, der EU und einer Reihe asiatischer Staaten zu erlangen, herrscht hinsichtlich des Meeresbodenbergbaus eher Konkurrenz vor, wie Maureen Penjueli berichtete. Jeder Staat strebe nach Wirtschaftswachstum, und Finanzinstitutionen, die von größeren Handelspartnern und Regierungen unterstützt werden, versuchten zunehmend, die Wirtschaftspolitik der pazifischen Staaten zu bestimmen.

Auch wenn die erforderliche Technologie für Tiefseebergbau nicht unter kommerziellen Bedingungen erprobt wurde und bislang nur in 1500 Metern Meerestiefe vor Papua-Neuguinea Rohstoffe abgebaut werden, rechnen Experten damit, daß die Entwicklung in den nächsten Jahren voranschreitet. Möglicherweise wird das ein Thema auf dem von dem EU-Botschafter für den Pazifik, Andrew Jacobs, angekündigten ersten EU-Pazifik-Gipfel sein. [8] Entsprechende wirtschaftliche Nutzinteressen verbergen sich hinter Bezeichnungen wie "Entwicklungspartnerschaft", "Modernisierung", "nachhaltige Bewirtschaftung". [9]

Selbstverständlich sind der Klimawandel und seine Folgen ein Problem, das den Mitgliedern des Pacific Islands Forums unter den Nägel brennt und besprochen werden muß. Die Teilnahme der EU-Außenbeauftragten Ashton deutet allerdings auf ein weiteres, von der Berichterstattung über das 45. Pacific Islands Forum weitgehend ausgeblendete Interesse der EU, nämlich den eigenen Einfluß auf die Region zu sichern und gegenüber Konkurrenten auf dem Weltmarkt auszubauen, also Ressourcensicherungsdiplomatie zu betreiben.


Fußnoten:

[1] INTERVIEW/115: Wohnstube Meer - Ungebremst' Zerstörungswucht, Menschen bleibt da nur die Flucht ... Maureen Penjueli aus Fidschi im Gespräch (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0115.html

[2] http://eeas.europa.eu/delegations/australia/press_corner/all_news/news/2014/20140729_en.htm

[3] http://www.irena.org/DocumentDownloads/news/Majuro_Declaration.pdf

[4] http://www.radioaustralia.net.au/international/2014-07-28/pacific-leaders-to-discuss-climate-change-sustainable-fishing-during-pacific-islands-forum-in-palau/1348872

[5] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0461+0+DOC+XML+V0//DE

[6] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2013-0402+0+DOC+XML+V0//DE

[7] http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschafts-und-finanzportal/thunfisch--eine-kostbare-ressource-1.18228072

[8] http://www.islandsbusiness.com/news/fiji/5954/eu-congratulates-new-forum-secretary-general-dame-/

[9] Alle Begriffe aus: "Die Beziehungen zwischen der EU und den Pazifik-Inseln - eine Strategie für eine verstärkte Partnerschaft", 29.5.2006.
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52006DC0248&from=EN

6. August 2014