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KLIMA/556: Warum Bakterien Heißhunger auf Plankton haben - Grundlagenforschung zum Climate Engineering? (SB)


Neue Studie zum Verhalten von Plankton

Sterbende Meeresalgen senden chemische Signale aus, so daß Bakterien ihren Metabolismus auf Hochtouren bringen


Nachdem im vergangenen Jahrzehnt Experimente zur Eisendüngung der Meere für einige Debatten gesorgt hatten, ist es inzwischen still um solche Forschungen geworden. Mit Versuchen wie beispielsweise EisenEX und LOHAFEX, die in den Jahren 2000 und 2004 sowie 2009 vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) durchgeführt wurden, sollten Fragen beantwortet werden wie, ob das Wachstum von Algen (Phytoplankton) im Meer durch die Düngung mit Eisensulfat angeregt werden kann oder auch ob dies einen Beitrag zur Verringerung des Gehalts an Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Erdatmosphäre leistet oder nicht.

Die Idee hinter solchen nicht nur von deutscher Seite betriebenen Versuchen lautet vereinfacht gesagt, daß die Algen aufgrund ihres künstlich angeregten Wachstums Kohlenstoff aus der obersten Meeresschicht entziehen, was wiederum Platz zur Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre schafft. Die Algen, so die Hoffnung, würden beim Absterben auf den Grund sinken und auf diese Weise das CO2 dem Kohlenstoffkreislauf für über tausend Jahre entziehen.

Die Ergebnisse solcher Versuche fielen uneindeutig aus. Auch wenn das Algenwachstum tatsächlich angeregt wurde, bedeutete das nicht automatisch, daß der Kohlenstoff dauerhaft dem sogenannten Kohlenstoffkreislauf entzogen wurde. Ein Teil der Algen wurde gefressen, ein weiterer Teil von Bakterien zersetzt; in beiden Fällen sorgte die Verstoffwechslung dafür, daß der Kohlenstoff wahrscheinlich wieder in den Kreislauf eingespeist wurde.

Außerdem kam es zu bemerkenswerten Nebenwirkungen. Bei Experimenten in den USA wurden durch die Eisendüngung auch unerwünschte Kieselalgen der Gattung Pseudonitzschia zum Wachstum angeregt. Die sondern jedoch die bei Muschelessern gefürchtete Domoinsäure ab. Da sich dieses Nervengift in Muscheln akkumuliert, wird regelmäßig vor der kalifornischen Küste im Frühling und Sommer die Muschelfischerei untersagt. Und Seevögel, die mit ihrer Nahrung dieses Nervengift zu sich nehmen, taumeln im Flug und zeigen ein ziemlich verrücktes Verhalten - ein Phänomen, das den in Nordkalifornien lebenden Regisseur Alfred Hitchcock zu dem Horrorfilm "Die Vögel" angeregt haben soll.

Eine weitere Nebenwirkung der Eisendüngung besteht darin, daß durch das Algenwachstum dem Meer nicht nur Kohlenstoff, sondern auch Sauerstoff entzogen wird. In solchen sauerstoffarmen (hypoxischen) Zonen wird jedoch die Produktion von Lachgas (N2O - Distickstoffmonoxid) angeregt, das eine rund 300mal höhere Klimawirksamkeit als Kohlendioxid hat.

Damit soll nur angedeutet werden, daß die Experimente zur Eisendüngung der Meere Effekte erzeugen, die nach Ansicht der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf jeden Fall noch genauer erforscht gehören, bevor man auch nur daran denken könnte, diese Climate-Engineering-Methode in den Köcher an Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhausgases (CDR - Carbon Dioxid Removal) aufzunehmen.

Die Eisendüngungsexperimente werden von den Forschern jedoch nicht als gescheitert angesehen, sondern sogar als gelungen, da sie eine wichtige Erkenntnis gebracht haben: So geht es nicht.

Aber vielleicht anders. Auch wenn es, wie eingangs erwähnt, still um die Methode der Eisendüngung geworden ist, wird weiter Grundlagenforschung betrieben. In einer aktuellen Studie wurden Erkenntnisse zum Verhalten von Phytoplankton (pflanzliches Plankton) gewonnen, die theoretisch einen Beitrag für die Eisendüngung als Klimaschutzmaßnahme leisten könnten.

Forscher der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und der Rutgers University fanden heraus, daß gestreßtes und absterbendes Phytoplankton chemische Stoffe freisetzt, die den Appetit von Bakterien auf das Plankton anregen, genauer gesagt, die ihren Stoffwechsel beschleunigen. Dadurch wird das Plankton schon in den oberen Meeresschichten umgesetzt. Der Kohlenstoff sinkt also nicht, wie im Modell der "Biologischen Pumpe" beschrieben, zum Meeresgrund, sondern wird wieder in das System eingespeist.

Forschungsleiterin Bethanie Edwards vom MIT/WHOI Joint Program in Oceanography geht davon aus, daß die speziellen chemischen Verbindungen (PUAs - polyunsaturated aldehydes, z. Dt.: mehrfach ungesättigte Aldehyde) der Bakteriengemeinschaft signalisieren, daß Phytoplankton abstirbt, somit eine Menge Nahrung zur Verfügung steht und sie ihren Metabolismus hochfahren können. [1]

Don Rice, Leiter des Chemical Oceanography Program der National Science Foundation (NSF), die die im Journal PNAS [2] erschienene Studie mitfinanziert hat, sagte: "Die Studie zeigt, wenn es zu einer langfristigen biologischen Sequestrierung von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid im Ozean kommt, daß nicht alle Arten von Phytoplankton gleich sind." Und David Garrison, Leiter des NSF Biological Oceanography Program, wird mit den Worten zitiert: "Diese Wissenschaftler haben einen weiteren Faktor aufgedeckt, der die Leistungsfähigkeit der biologischen Pumpe, aus dem oberflächennahen Wasser Kohlenstoff zu entfernen, beeinträchtigen könnte."

Laut dem WHOI-Forscher und Berater dieser Studie, Benjamin Van Mooy, wurde erstmals aufgezeigt, wie Molekülverbindungen Einfluß darauf haben, was mit dem Kohlenstoffdioxid im Ozean geschieht. "Die Frage, wie tief CO2 absinkt, ist wichtig, da rund ein Viertel des CO2 aus der Verbrennung von fossilen Treibstoffen aufgrund dieses Wirkzusammenhangs in der Tiefsee landet."

Jon Kaye, Programmdirektor der Marine Microbiology Initiative bei der Gordon and Betty Moore Foundation, die mit mehr als 2,4 Mio. Dollar den größten Teil dieser Studie finanziert hat [3], erklärte, das Forschungsteam habe starke Argumente dafür, daß das Mikrobenwachstum und die Aufnahme von Kohlenstoff im Meer nicht nur durch Räuber und Nährstoffbegrenzung, sondern auch durch bestimmte Substanzen, die auf das Verhalten von Mikroben einwirken, beeinflußt werden. "Das ist eine bedeutende neue Idee für dieses Gebiet."

Kaye führte es nicht näher aus, aber mit "dieses Gebiet" könnte auch die Eisendüngung von Ozeanen gemeint sein. Diese potentielle Klimaschutzmaßnahme steht nach wie vor auf der Agenda, wenn im Dezember dieses Jahres in Paris ein internationales Klimaschutzabkommen ausgehandelt wird. Es entspräche dem üblichen wissenschaftlichen Vorgehen, als nächstes zu untersuchen, wie man entweder die Entstehung von PUAs unterbinden oder aber ihre Wirkung neutralisieren kann.

Bereits die Eisendüngung von Ozeanen wäre aus meeresökologischer Sicht mit enormen Risiken verbunden; würde aber abgesehen vom Eisensulfat gleichzeitig eine weitere Substanz ins Meer gegossen, damit die Algen nicht gefressen werden, würden sich die unkalkulierbaren ökologischen Folgen noch potenzieren.


Fußnoten:

[1] http://www.whoi.edu/news-release/bacteria-overdrive

[2] tinyurl.com/ls3k25v

[3] http://www.moore.org/grants/list/GBMF3301

30. April 2015


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