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KLIMA/569: Pacific Islands Forum droht die Spaltung - verwässerter Klimaschutzvorschlag (SB)


Fragwürdige Vorbereitung auf UN-Klimagipfel in Paris

Forderung nach 1,5-Grad-Ziel wird noch weiter marginalisiert


Wie nicht anders zu erwarten, wird schon im Vorfeld der UN-Klimakonferenz COP 21 Ende des Jahres in Paris versucht, die eigenen politischen Interessen so sehr nach vorne zu bringen, daß sie sich möglichst weitgehend mit dem zu vereinbarenden Abschlußdokument decken. In Anbetracht der oftmals einander ausschließenden nationalen Interessen dürfte das keinem Staat eins zu eins gelingen, was jedoch das Taktieren der Beteiligten noch mehr anzustacheln scheint.

So geht anscheinend ein tiefer Riß durch das Pacific Islands Forum (PIF), einen Zusammenschluß von 15 pazifischen Inselstaaten, deren politische Führer sich diese Woche Mittwoch und Donnerstag in Port Moresby, Hauptstadt von Papua-Neuguinea, treffen, um unter anderem über eine gemeinsame Position zur internationalen Klimapolitik zu sprechen. Jedoch kursierte bei dem bereits laufenden Forum ein mutmaßlich von Australien und Neuseeland lanciertes Positionspapier zum Klimawandel, in dem das sogenannte 2-Grad-Ziel anerkannt wird.

Das besagt, daß die Vertragsstaaten des UN-Klimaschutzabkommens dafür Sorge tragen sollen, daß die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt. Da das aber bedeutet, daß flache Inselstaaten und Staaten mit niedrig gelegenen Küsten wie Bangladesch voraussichtlich teilweise oder ganz überflutet werden, fordern die pazifischen Inselstaaten die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Das würde allerdings die wohlhabenderen Staaten, die wesentlich mehr Treibhausgase emittieren als die ärmeren, zu umfangreicheren CO2-Reduktionen oder zumindest zu beträchtlichen Ausgleichszahlungen verpflichten.

Beispielsweise Australien. Es liegt laut statista [1] hinsichtlich der Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen im Jahr 2012 mit 28,52 Tonnen CO2-Äquivalent an der Spitze aller Länder. Zum Vergleich: Deutschland kommt pro Kopf auf "nur" 11,03 Tonnen CO2-Äquivalent. Rechnerisch emittiert ein Australier rund zweieinhalb mal so viel wie ein Deutscher. (Und dieser rund das Fünffache eines Inders, auf den 2,44 t CO2-Äquivalent entfallen!)

Auch Neuseeland liegt mit seinen CO2-Emissionen noch erheblich über denen anderer PIF-Mitgliedstaaten wie Vanuatu, Marshall-Inseln oder Tonga. Es wundert also nicht, daß nun, da der Termin der Klimakonferenz näherrückt, die Interessenunterschiede deutlich hervortreten. Das PIF bildet gewissermaßen im regionalen Maßstab den Konflikt der globalen Klimaschutzpolitik ab.

Ein namentlich nicht genannter Delegierter des Treffens der Führer kleiner Inselstaaten beim PIF in Port Moresby berichtete gegenüber "Islands Business", daß unter den Teilnehmenden des Forums bereits der Entwurf eines Abschlußdokuments, in dem das 2-Grad-Ziel anerkannt wird, kursiere. [2] Und das, obwohl AOSIS, die Allianz der kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States), in der Suva-Deklaration [3] vom 4. September 2015 die klare Forderung nach Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels verlangt hat.

Aufgrund des Widerspruchs zwischen dem PIF-Positionspapier und der Suva-Deklaration zieht jener Delegierte den Schluß: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müßten wir wohl eine eigene Position der kleinen Inselstaaten zum Klimawandel mit zur COP 21 im Dezember in Paris mitnehmen, separat von der vorwiegenden Position des Pacific Islands Forum." [2]

Sollte das geschehen - und danach sieht es aus -, haben die wirtschaftlich stärkeren Staaten eigentlich schon gewonnen. Denn die Spaltung einer sowieso marginalen Position wie die der kleinen Inselstaaten schwächt deren Anliegen noch mehr. Wobei mit "marginal" nicht die Anzahl der Staaten gemeint ist, die das 1,5-Grad-Ziel fordern, sondern ihr Einfluß auf den Verlauf der Klimaschutzverhandlungen in den letzten knapp zwanzig Jahren.

Bei früheren Klimaschutzkonferenzen wußten die ärmeren Länder zumindest China auf ihrer Seite. Diese Zeiten dürften vorbei sein, denn das Reich der Mitte emittiert in absoluten Zahlen (also nicht pro Kopf der Bevölkerung gerechnet) weltweit am meisten Kohlenstoffdioxid und gehört damit in eine Kategorie mit den führenden Wirtschaftsnationen USA, Kanada, Australien und Europäische Union.

Aber selbst wenn das PIF nicht den verwässerten Entwurf, sondern die Suva-Deklaration als offizielles Positionspapier mit nach Paris nähme, würde sich Australien wohl kaum dafür starkmachen. Seine nationalen Klimaschutzziele gelten als viel zu wenig ambitioniert, nach wie vor ist in Downunder die Kohle ein wesentlicher Energieträger, daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern - mag der Präsident von Palau, Tommy E. Remengesau Junior, auch noch so eindringliche Worte finden, wenn er sagt: "Laßt uns unsere Botschaft in Paris zu einer Botschaft machen, die wir mit Stolz zu unseren Völkern zurückbringen, eine Botschaft, durch die unsere Umwelt und unser kulturelles Erbe bewahrt wird. Unsere Länder werden vielleicht als klein angesehen, aber tatsächlich sind wir Vorreiter und Wegbereiter bei der Wiederherstellung des Gleichgewichts mit der Erde. Wir haben ein Beispiel geliefert, indem wird uns dafür entschieden zu handeln, bevor es zu spät ist, um die Bedrohung durch illegalen Fischfang und die globale Überfischung der Ressourcen des Ozeans durch die Ausweisung von großmaßstäblichen Meeresschutzgebieten zu stoppen." [2]

Bis zum Klimagipfel in Paris und auch währenddessen werden vermutlich noch viele gutgemeinte, hoffnungsvolle, aufmunternde oder fordernde Reden gehalten, am Ende zählt die nüchterne Bilanz. Die besagt, daß die bislang von den Nationalstaaten beim UN-Klimasekretariat eingereichten beabsichtigten Klimaschutzmaßnahmen - Intended nationally determined contributions (INDC) - nicht genügen, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. Ganz zu schweigen von der weitergehenden Forderung jener Staaten, denen absehbar das Wasser bis zum Hals stehen wird.

Der Schwerpunkt der internationalen Klimaschutzverhandlungen hat sich im Laufe der Jahre verschoben. Hatte es zunächst geheißen, daß die globale Erwärmung durch Klimaschutzmaßnahmen verhindert werden müsse (Mitigation), wurde mit der Zeit mehr und mehr Wert auf Anpassung (Adaptation) gelegt, da die Klimaschutzziele aufgrund der Ablehnung der führenden Wirtschaftsmächte nach ambitionierteren CO2-Reduktionsmaßnahmen nicht mehr einzuhalten waren. Die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise setzt die Braunkohleverstromung als "Brückentechnologie" über das Jahr 2040 hinaus fort. Inzwischen wird aber schleichend selbst die Anpassung, bei der zumindest eine deutliche Unterstützung der wirtschaftlich schwächeren durch die wirtschaftlich stärkeren Maßnahmen zu erwarten gewesen wäre, durch das "Zauberwort" Resilienz - Widerstandsfähigkeit - ersetzt.

Die Resilienz der vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten stärken zu wollen, läuft darauf hinaus, sie allenfalls dabei zu unterstützen, daß sie sich selbst vor Meeresspiegelanstieg, Stürmen, Hochwasser oder auch Dürren schützen. Wenn dann später einmal ein flacher Inselstaat wie Tuvalu vom Meer überspült wird, werden die führenden Wirtschaftsmächte vielleicht ihr Bedauern ausdrücken, aber auch behaupten, daß Tuvalu nicht genug getan habe, seine Resilienz zu stärken, und darauf habe man doch schon lange gedrängt ...

Fehlt nur noch, daß die reichen Staaten irgendwann das vermeintliche Versäumnis unliebsamer Regierungen, die eigene Bevölkerung vor den Klimawandelfolgen zu schützen, zum Vorwand für eine "humanitäre Intervention" nehmen. Dann würden für eine ungenügende Resilienz der ärmeren Staaten nicht die größten Treibhausgasemittenten verantwortlich gemacht, wie es zu Beginn des internationalen Klimaschutzes noch als selbstverständlich angesehen worden war, sondern es würde der Mechanismus der "Schutzverantwortung" (responsibility to protect) aufgerufen.

Durch die Spaltung des Pacific Islands Forums wird die Position der ärmeren Länder schon im Vorfeld des Pariser Gipfels geschwächt. Eingedenk der Klimaschutzverhandlung der zurückliegenden zwanzig Jahre gewinnt dieses Großereignis immer mehr den Charakter einer Scharade.


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/pb4c8xl

[2] http://www.loopvanuatu.com/content/climate-change-threatens-forum-solidarity

[3] tinyurl.com/q8d8so6

8. September 2015


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