Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

RESSOURCEN/088: Ägyptens Militär übernimmt Brotproduktion (SB)


Brotmangel in Ägypten - Ausblick auf kommende globale Notlage

Lange Schlangen vor den Bäckereien in Kairo

Präsident Mubarak weist die Streitkräfte an, mehr Brot zu backen


Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat das Militär angewiesen, Brot zu backen und zu stark subventionierten Preisen an die Armen zu verteilen. Mit dieser Notmaßnahme wird versucht, die knurrenden Mägen zu besänftigen und darüber den fragilen sozialen Frieden des Landes zu wahren - andernfalls, so muß die Regierung befürchten, wird es zu sozialen Unruhen kommen, wie sie bereits 1977 wegen ihres Versuchs, die Brotpreise zu erhöhen, zu mindestens 70 Toten geführt haben.

Auch wenn Ägypten seit langem mit seiner weitreichenden Politik der Brotsubventionierung eine gewisse Sonderrolle in der Staatengemeinschaft einnimmt, drängt sich vor dem Hintergrund des globalen Anstiegs der Preise für Getreide, aber auch Erdöl und Dünger der Eindruck auf, daß in dem nordostafrikanischen Land gegenwärtig eine Entwicklung vorweggenommen wird, wie sie in zahlreichen anderen Staaten noch eintreten könnte: Wenn die sogenannten Marktkräfte versagen - und das tun sie, da sie den Hunger in der Welt nicht zu stillen vermögen -, werden die Regierungen zu umfänglicheren dirigistischen Maßnahmen zurückkehren.

Rund die Hälfte der ägyptischen Bevölkerung erhält Brot zu subventionierten Preisen. Die andere Hälfte mußte im vergangenen Jahr einen Preisanstieg um 26 Prozent, wie er ähnlich in fast allen Ländern der Erde verzeichnet wird, kompensieren. Vor den Bäckereien Ägyptens bilden sich schon seit Wochen lange Schlangen, da das Brot nicht reicht, nicht selten müssen die Kunden stundenlang warten. Bei Ausschreitungen unter den Wartenden hat es in den letzten Wochen bereits vier Tote gegeben.

Am Sonntag forderte Mubarak von Militär und Innenministerium, denen zahlreiche Bäckereien gehören, in denen für die Soldaten und Polizisten Brot gebacken wird, sie sollten die Produktion erhöhen und das Brot preiswert an die Armen verkaufen, um die "Brot-Krise" zu beenden. Die Schlangen vor den Bäckereien hätten zu verschwinden. Am Tag vor der Forderung des Präsidenten hatte der Minister für gesellschaftliche Solidarität, Ali Meselhi, mitgeteilt, daß die Streitkräfte bereits einige große Bäckereien in Betrieb genommen haben und daß das Brot an 500 Kiosken in der Hauptstadt verteilt werde.

Nach Angaben der Weltbank leben vier Prozent der 78 Millionen Einwohner Ägyptens in extremer Armut, 20 Prozent unterhalb der Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag und weitere 20 Prozent knapp darüber. Die Regierung versucht, die Verantwortung für die Not der Einwohner abzuwälzen, indem sie behauptet, daß die Bäcker, die subventioniertes Mehl erhielten, dieses zu Marktpreisen verhökerten. Daß dies vorkommt, dürfte unstrittig sein, aber daß Hehlerei in der Lage sein soll, die staatliche Versorgung dermaßen in die Knie zu zwingen, wirkt nicht plausibel. Vielmehr ist zu bedenken, daß sich der Weltmarktpreis für Weizen seit dem Sommer vergangenen Jahres verdreifacht hat. Das geht weder an Ägypten noch an anderen Ländern spurlos vorbei. Jedenfalls gab es in diesem Jahr auch in anderen Ländern Unruhen wegen hoher Lebensmittelpreise.

Mubarak wies die Regierung an, Devisen zum Kauf von zusätzlichem Weizen auf dem Weltmarkt auszugeben. Zu diesem Zweck wurden 850 Mio. Dollar freigesetzt, so daß der weltgrößte Weizenimporteur auf eine Gesamtsumme von voraussichtlich 2,67 Mrd. Dollar für den Kauf des Getreides kommt.

Andere Staaten schreiten mit ähnlichen Maßnahmen ein, um eine Ausfuhr des eigenen Getreides zu verhindern oder aber im Ausland erzeugtes Getreide zollfrei ins Land zu holen. Es findet zur Zeit ein weltumspannendes Ringen um Getreide statt. Noch wird dies mit nicht-militärischen Mitteln ausgetragen. Sicherlich kann man davon ausgehen, daß der Einsatz des Militärs in Ägypten zur Versorgung der Bevölkerung mit Brot die Notlage zumindest lindern wird. Das Militär würde aber ebenso selbstverständlich eingesetzt, falls die Brotmenge noch immer nicht reicht und die Menschen unruhig werden.

Ägypten dürfte sich glücklich schätzen, wenn es Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft erhielte. Damit ist allerdings nicht in dem erforderlichen Ausmaß zu rechnen. Das Welternährungsprogramm hat erst vor kurzem über mangelnde Mittel geklagt, die EU hat ihre eigenen Interventionsbestände von Getreide aufgebraucht, China muß selber Getreide auf dem Weltmarkt einkaufen, und in der US-Regierung wird zur Zeit Land für Land danach abgeklopft, wo und in welchem Umfang Streichungen bei der Lebensmittelhilfe vorgenommen werden können.

Das sind schlechte Aussichten für Ägypten und die vielen anderen relativ armen Länder, die auf Getreideimporte angewiesen sind. Es zeichnet sich ab, daß künftig noch häufiger gemeldet werden wird, daß eine Regierung ihr Militär ausgeschickt hat, um einen Lebensmittelmangel zu beheben - entweder wie zur Zeit in Ägypten, um die Getreideproduktion anzukurbeln, oder wie in Kamerun, um gegen Aufständische vorzugehen.

Die Konsequenzen für die internationale Staatengemeinschaft, in der sich womöglich als Folge klimatischer Veränderungen immer mehr Regierungen gezwungen sehen, die Produktion und Verteilung von Brot oder gar Lebensmittel generell in die Hände der Militärs zu legen, mag man sich kaum ausmalen. Heute schon grenzen sich die relativ wohlhabenden Staaten gegenüber den Armutsregionen ab. Die USA errichten einen milliardenschweren Hightech-Zaun gegenüber Mexiko, um ein unkontrolliertes Eindringen von Menschen, die häufig aus klimatisch benachteiligten Regionen stammen, zu verhindern. China hat einen Zaun gegen das chronische Hungerland Nordkorea errichtet, das vergleichsweise wohlhabende Botswana gegen das krisengeplagte Simbabwe, und auch die EU sichert ihren privilegierten Raum nach außen ab, nicht zuletzt durch das jüngste Projekt der Mittelmeerunion, in der die südlichen und östlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres einen Puffer gegen die Hungerregionen und damit gegen zu erwartende Migrantenströme bilden. Erste Auffanglager für Flüchtlinge sind in Nordafrika bereits eingerichtet, und Berichte über den Zustand der Lager lassen nichts Gutes ahnen.

17. März 2008