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RESSOURCEN/103: Hoher Wasserverbrauch durch Biospritziele der USA (SB)


"Wasser-Fußabdruck" der Ethanolproduktion berechnet

Laut einer Studie der Universität von Minnesota werden künftig für ein Liter Ethanol aus Mais im Schnitt 566 Liter Wasser verbraucht


Allen Erkenntnissen zum Trotz, daß der industrielle Anbau sogenannter Energiepflanzen immer zu Lasten der Nahrungssicherheit [1] geht, hält die US-Regierung an dem 2007 beschlossenen Ziel, den Anteil von Ethanol am Treibstoffverbrauch bis zum Jahr 2015 auf jährlich 56,8 Milliarden Liter zu erhöhen, fest. Eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe, die Biofuel Interagency Working Group, soll Mittel und Methoden erarbeiten, wie dies zu erreichen ist. Die Biospritproduktion solle aber nicht mit der Nahrungsmittelherstellung konkurrieren, wird behauptet.

Daß dies eingehalten wird, muß bezweifelt werden, denn schon heute läßt sich an fünf Fingern abzählen, daß auf die Landwirtschaft der USA große Probleme zukommen. Stichwort Klimawandel. Der Westen, Süden und Südosten des Landes wurden in den letzten Jahren häufiger von Dürren heimgesucht, die jüngsten Feuersbrünste in Kalifornien noch vor Beginn der niederschlagsarmen Sommerzeit erinnern auf drastische Weise an diese Entwicklung. Fossile Grundwasserspeicher wie der riesige Ogallala, der sich unter acht Bundesstaaten östlich der Rocky Mountains erstreckt und für die Bewässerungswirtschaft unverzichtbar ist, werden übermäßig strapaziert. Seit Beginn der regelmäßigen Wasserentnahme für die Landwirtschaft vor rund einhundert Jahren sinkt im Ogallala der Wasserspiegel ab, im Durchschnitt 1,50 Meter pro Jahr. Das Wasser wird natürlicherseits nur extrem langsam aufgefüllt - auf 24 entnommene Liter kommt etwa ein Liter hinzu. Deshalb kann man die Ressource als endlich bezeichnen - folgerichtig muß man dies auch für die Bewässerungswirtschaft in diesem Teil der USA annehmen.

Wenn aber die US-Regierung den Biospritanteil wie geplant erhöht, wird sie Mais auch auf kargeren Flächen, die bewässert und gedüngt werden müssen, anbauen. Der Wasserverbrauch pro Liter Ethanol nimmt dann rapide zu, wie Forscher der Universität von Minnesota kürzlich in einer Studie berechneten. [2] Während im dauerhaft feuchten US-Bundesstaat Minnesota "nur" sieben Liter Wasser für die Herstellung von einem Liter Ethanol verbraucht werden, kann der Wert in anderen Bundesstaaten auf bis zu 2138 Liter steigen. Als Durchschnittswert nahmen die Autoren einen Verbrauch von 566 Liter Wasser für jeden Liter Ethanol an, der aus Mais gewonnen wird. Der Einschätzung zufolge wird Mais im Jahre 2015 wie im Jahr 2002 weiterhin einen Anteil von 19 Prozent an der US-Ethanolproduktion haben, auch wenn große Anstrengungen unternommen werden, andere Pflanzensorten oder pflanzliche Abfallstoffe zu Ethanol zu verarbeiten.

Die in der Studie veranschlagten Daten lassen sich nicht eins zu eins auf andere Weltregionen übertragen, da der Wasserverbrauch von Landschaft zu Landschaft stark schwanken kann. (Beispiel USA: In Iowa wird der Mais praktisch gar nicht künstlich bewässert, in Nebraska hingegen auf 61Prozent der landwirtschaftlichen Fläche.) Aber es werden Prinzipien deutlich, die auch für Biokraftstoffe der nächsten Generation gelten: Eine knappe Ressource (Treibstoff) wird durch Verknappung einer anderen Ressource (Wasser) erkauft. Süßwasser ist jedoch sowieso schon ein knappes Gut, jede zusätzliche Beanspruchung schlägt negativ zu Buche. Meerwasserentsalzungsanlagen können zwar einen regionalen Wassermangel beheben, für eine Lösung des globalen Wasserproblems eignen sie sich nicht. Denn die Entsalzung von Meerwasser im großen Stil kostet Energie (die ja gerade durch die Ethanolherstellung verfügbar gemacht werden soll). So steigert sich das Problem immer weiter: Für Ethanol wird Wasser gebraucht, um Wasser zu gewinnen, wird Ethanol gebraucht. Die Verluste nehmen permanent zu.

Das gilt für jede Volkswirtschaft, wird allerdings am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika besonders anschaulich. Die USA sind zwingend darauf angewiesen, die Verluste abzuwälzen, beispielsweise indem mit anderen Ländern Verträge über die Lieferung von Ethanol abgeschlossen werden, da die eigene landwirtschaftliche Fläche zu klein wird, um den Treibstoffbedarf zu decken. Somit importieren die USA nicht nur Biosprit, sondern auch Wasser. Gegenwärtig ist die Einfuhr noch verhältnismäßig gering, bei einer Beibehaltung der Biospritziele wird der Anteil jedoch zunehmen.

Ein weiteres Problem, auf das die Forscher von der Universität von Minnesota aufmerksam machen: Bei der Massenproduktion von Ethanol nimmt der Düngerbedarf nicht-linear zu, da zunehmend ärmere Böden bewirtschaftet werden müssen. Mehr Dünger bedeutet jedoch mehr Energie (also Ethanol) - für die Herstellung von ein Kilogramm Stickstoffdünger werden 0,7 Liter Diesel benötigt [3] - , und so ergibt sich auch hierbei das Problem der permanenten Verlustanhäufung und eine systemische Not der Umlastung, insbesondere auf die zu bloßen Ressourcenräumen degradierten Länder des Südens.

Produktionsverhältnisse in einem Hochkonsumland wie beispielsweise den USA erzeugen jene Not aber nicht als unliebsame Begleiterscheinung des Wirtschaftens, sie bildet die Grundlage. Wobei hier nur der Einfachheit halber und unter Vernachlässigung des Klassenwiderspruchs die USA als monolithischer Block von Menschen mit gleichen Interessen beschrieben werden. Solange keine grundlegende Abkehr von den vorherrschenden Produktionsverhältnissen, ihren Methoden, Ergebnissen und der dahinterstehenden Absichten, stattfindet, wird auch die Biospritproduktion den bestehenden Nord-Süd-Konflikt tiefer denn je befestigen.


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Anmerkungen:

[1] Nahrungssicherheit ist ein etablierter Begriff, der jedoch darüber hinwegtäuscht, daß weltweit rund eine Milliarde Menschen nicht genügend zu essen haben. Demnach sollte man nicht von Nahrungssicherheit sprechen. Wer es dennoch tut, akzeptiert den Hunger und spricht lediglich für eine privilegierte Bevölkerungsgruppe, die bislang zu Lasten der übrigen Welt ihr Überleben gesichert hat, nun aber in Gefahr gerät, ebenfalls den Hunger zu spüren zu bekommen. Aber selbst das beschönigt noch die Verhältnisse, denn auch innerhalb der zweifellos privilegierten USA wird gehungert; zudem nehmen rund 30 Millionen US-Bürger behördliche Lebensmittelmarken in Anspruch, um ihr Überleben zu sichern.

[2] "Noch ein Sargnagel für Bioethanol, Phil McKenna, Heise News, 5.5.2009
http://www.heise.de/tr/Noch-ein-Sargnagel-fuer-Bioethanol--/artikel/137012/0/101

Originalstudie:
"The Water Footprint of Biofuels: A Drink or Drive Issue?" R. Dominguez-Faus (Rice University), Susan E. Powers (Clarkson University), Joel G. Burken (Missouri University of Science and Technology), Pedro J. Alvarez (Rice University), Environ. Sci. Technol., 2009, 43 (9), pp 3005-3010, DOI: 10.1021/es802162x, 1. Mai 2009.
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es802162x?prevSearch=ethanol+water&searchHistoryKey=

[3] http://www.schrotundkorn.de/2007/200710sp05.html

15. Mai 2009