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RESSOURCEN/128: Agrosprit - Hoher Wasserverbrauch und Entstehungfaktor für "tote" Meereszonen (SB)


Mississippi-Delta - Beispiel für negative Folgen der
Agrosprit-Subventionen der US-Regierung


Agrosprit der zweiten und dritten Generation werde klimafreundlich sein und nicht mehr in Konkurrenz zum Nahrungsanbau stehen, behaupten Vertreter der pflanzlichen Treibstoffe Ethanol und Biodiesel. Vor einigen Jahren hatten selbst Umweltschutzgruppen ihre Hoffnung auf den pflanzlichen Sprit gesetzt, weil sie dachten, daß dadurch der gesellschaftliche Verbrauch an fossilen Energieträgern reduziert und somit eine Maßnahme gegen die Erderwärmung ergriffen wird. Inzwischen haben die meisten Gruppen ihre Einschätzung korrigiert, beispielsweise weil für die Herstellung pflanzlichen Treibstoffs tropischer Regenwald gerodet wird, weil die CO2-Bilanz von Agrosprit mitunter schlechter ausfällt als die von Treibstoffen auf Erdölbasis oder auch weil der Agrospritanbau den Nahrungsmittelanbau verdrängt. Daß eine zweite oder dritte Generation der Gewinnung von "Energie vom Acker" keine negativen Folgen zeitigt, muß erst noch bewiesen werden.

Zu bedenken ist beispielsweise, daß selbst Algen, die in Wassertanks kultiviert werden, um aus ihnen Treibstoff zu gewinnen, ein Nahrungsmittel sein können. Somit ist es nicht zuletzt eine Frage politischer Entscheidungen, daß der Hunger in der Welt nicht mit Algen bekämpft wird - wobei hier Algen nicht als erstrebenswertes Nahrungsmittel für die Armutsländer gepriesen werden soll. Vielmehr geht es darum aufzuzeigen, daß selbst als ethisch unbedenklich angesehener Biosprit nicht vom Widerspruch befreit ist, daß auf der einen Seite Nahrungsmittel verfeuert werden, während andernorts Menschen Hunger leiden.

Zu einem ganz anderen Einwand gegenüber Agrosprit gelangt man bei der Betrachtung der Umweltfolgen. Vor kurzem wurde in den USA eine Studie mit dem Titel "Unintended Consequences of Biofuels Production: The Effects of Large-Scale Crop Conversion on Water Quality and Quantity" (z.Dt.: Unbeabsichtigte Folgen der Biospritproduktion: Die Auswirkungen einer großmaßstäblichen Nutzpflanzenumstellung auf Wasserqualität und -quantität) veröffentlicht. [1] Am Beispiel des Mississippi zeigte eine Forschergruppe vom Geologischen Dienst der USA auf, daß aufgrund politischer Anreize, das heißt der Biospritziele der US-Regierung, die Farmer im Mississippi Delta sich von Baumwolle auf Mais umgestellt haben. Das verhieß ihnen höhere Einkommen.

Die US-Regierung hatte im Jahr 2006 bestimmt, daß bis 2030 rund 30 Prozent des fossilen Treibstoffs durch Ethanol ersetzt werden soll. Die Produktionskosten für diesen Treibstoff sollten bis 2012 auf dem Niveau von Benzin liegen. Diese staatliche Vorgabe führte binnen eines Jahres zu einem 47prozentigem Rückgang des Baumwollanbaus im Untersuchungsgebiet der genannten Studie, wohingegen der Maisanbau um 288 Prozent wuchs.

Zu negativen Umweltfolgen kommt es unter anderem aufgrund der verstärkten Entnahme von Grundwasser aus dem Mississippi River Valley (MRVA), einem alluvialen Aquifer, zur Bewässerung des Mais. Der benötigt rund 80 Prozent mehr Wasser als Baumwolle und auch mehr Dünger. Die landwirtschaftliche Umstellung führte dazu, daß der in den Mississippi mündende Yazoo River sieben Prozent mehr Stickstoff befördert.

Der gestiegene Düngereinsatz trägt zur regelmäßigen Algenblüte vor der Mündung des Mississippi im Golf von Mexiko bei. Die Algen wiederum reduzieren den Sauerstoffgehalt des Meerwassers; es entsteht eine sogenannte Tote Zone mit weitgehender Sauerstoffarmut, in der keine Tiere überleben können.

Auch in anderen Regionen der landwirtschaftlichen Produktionszonen der USA, in denen Bewässerungswirtschaft betrieben wird, wird in einem Ausmaß auf fossile Wasserträger zugegriffen, daß die Entnahme den Zulauf übersteigt. Im Mississippi-Delta verändert sich dadurch das gesamte Ökosystem. der sinkende Grundwasserstand trägt dazu bei, daß in Zeiten geringer Niederschläge manche Zuflüsse trockenfallen.

Ohne deswegen eine Rückkehr zum Anbau von Baumwolle befürworten zu wollen, ist festzustellen, daß diese Studie treffend einen Teilaspekt der Negativfolgen durch die Produktion pflanzlichen Treibstoffs aufzeigt.


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Anmerkungen:

[1] "Unintended Consequences of Biofuels Production: The Effects of Large-Scale Crop Conversion on Water Quality and Quantity", Heather L. Welch, Christopher T. Green, Richard A. Rebich, Jeannie R.B. Barlow und Matthew B. Hicks. United States Geological Survey, 30. November 2010. (Die Studie ist über diese Adresse abrufbar: http://pubs.usgs.gov/of/2010/1229/)

2. Dezember 2010