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RESSOURCEN/131: Fracking - Umstrittene Förderung von Erdgas in England angelaufen (SB)


Die britische Industriegesellschaft will ihren Energiehunger mit "shale gas" stillen

Heimische Erdgasförderung könnte zu schwerwiegenden Umweltschäden führen


Fracking, die Förderung unkonventionellen Erdgases (shale gas), ist in den USA weit verbreitet, und auch Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen stehen allem Anschein nach am Beginn eines regelrechten Booms dieser umstrittenen Fördertechnik. Gleiches ist für Großbritannien zu erwarten. Noch in diesem Monat wird das US-Unternehmen Cuadrilla Resources Bohrungen ausbringen, die Fördermengen sollen erst in vier Jahren bekanntgegeben werden. Das sagte laut dem "Guardian" [1] Cuadrilla-Chef Mark Miller am Dienstag vor dem Energie- und Klimawandelausschuß des britischen Parlaments.

Das Fracking-Verfahren ist umstritten. [2] Um das unkonventionelle Erdgas, das nicht in einer Blase vorliegt, sondern in den Klüften und Spalten der gasführenden Schicht gebunden ist, abpumpen zu können, werden zunächst einmal große Mengen Wasser, Chemikalien und Sand unter hohem Druck in den Untergrund gepreßt, um das Gestein aufzubrechen und zu weiten. Dann wird das Wasser wieder hinaufgepumpt, und da die chemischen Stabilisatoren und der Sand verhindern, daß sich die Klüfte schließen, kann das Gas zusammenströmen und ebenfalls abgepumpt werden.

Es läßt sich leicht vorstellen, daß sich der aufgebaute Druck mit der Entfernung von der Bohrung schnell verliert. Dem tragen die Ingenieure Rechnung, indem sie tief in der Erde horizontal bohren und eine Vielzahl von Bohrlöchern ausbringen. Das können mehrere pro Quadratkilometer sein, und so werden in den USA oberhalb der Gasfelder ganze Landschaften mit zahlreichen aktiven oder abgeschlossenen Bohrlöchern "vernarbt". Im Jahr 2009 gab es in den Vereinigten Staaten 493.000 aktive Gasbohrlöcher, bei 90 Prozent von ihnen wurde die Fracking-Methode verwendet.

In Großbritannien beginnt die Fracking-Förderung in einem Gasfeld, das in 3000 Metern Tiefe nahe der Stadt Blackpool in Lancashire liegt. Dem "Guardian" zufolge werden bei der Bohrung 1200 Kubikmeter Wasser, Chemikalien und Sand in den Untergrund gepreßt. Vermutlich werden am Anfang zwei Drittel, später rund die Hälfte des Gemischs im Untergrund bleiben, was bei Sand und Wasser nicht weiter problematisch wäre. Ganz anders sieht es bei den Chemikalien aus. Es besteht immer die Gefahr, daß sie ins Grundwasser gelangen, da der Grundwasserhorizont, der in diesem Fall in 200 bis 400 Meter Tiefe liegt, bei der Bohrung durchstoßen wird.

Weitere potentielle Umweltgefahren drohen von dem hinaufgepumpten Wasser, da es möglicherweise Substanzen aus dem Gestein wäscht, die man an der Oberfläche einfach nicht haben möchte, wie zum Beispiel Uran. Die "New York Times" berichtete jüngst [3], daß von mehr als 179 Bohrstellen, in denen uranhaltiges, radioaktives Abwasser registriert wurde, mindestens 116 einen Gehalt an Radium oder anderen radioaktiven Substanzen aufwiesen, der mindestens 100 Mal so hoch war wie der zulässige Grenzwert für Trinkwasser. Bei 15 Bohrstellen wurde der Grenzwert sogar um mehr als das Tausendfache überschritten.

In Großbritannien hat das börsennotierte US-Unternehmen Cuadrilla im Jahr 2007 einen Vertrag abgeschlossen, der es ihm gestattet, ab Beginn der Förderung die Gasmengen geheimzuhalten. Ein Regierungssprecher sagte dazu, daß solche Abmachungen normal in diesem Geschäft seien. Mit der Verzögerung der Bekanntgabe von Förderzahlen soll die Investition des Unternehmens geschützt werden, auch mit Blick auf die nächste Runde der Lizenzvergabe, die vierzehnte, die in einigen Wochen starten wird. Cuadrilla hatte im August in der Region um Blackpool mit ersten Testbohrungen begonnen und steigt nun offenbar richtig ein. Umweltgefahren sieht das Unternehmen keine, sofern die Bohrungen ordentlich ausgebracht werden, und auch das britische Ministerium für Energie und Klimawandel (Department of Energy and Climate Change - DECC) sieht zur Zeit keinen Grund für ein Moratorium.

Klimaforscher des britischen Tyndell Centre, das der Universität Manchester angeschlossen ist, schrieben allerdings, daß bei einer vollen Erschließung des Gasfelds, durch das zehn Prozent des britischen Gasbedarfs gedeckt würde, auf einer Fläche von 140 bis 400 Quadratkilometern 2500 bis 3000 Bohrungen ausgebracht und dabei 27 bis 113 Millionen Tonnen Wasser verbraucht würden. Das verschlammte Wasser und alles weitere, das beim Fracking auch noch hinaufgepumpt werde, müsse eingesammelt und zu Mülldeponien gebracht werden.

In der Studie, die für die britische Verbraucherinitiative The Co-operative Financial Services erstellt wurde, wird die Regierung gewarnt, sie dürfe der heimischen Gasförderung kein grünes Licht geben, solange nicht die möglichen Folgen erforscht wurden. Studienautor Kevin Andersen, Prof. für Energie und Klimawandel, schrieb, daß man das Gas besser im Untergrund belasse. In einer energiehungrigen Welt führe jede neue Quelle an fossilen Energieträgern nur zu weiteren Kohlenstoffemissionen. Außerden würde die Förderung von unkonventionellem Erdgas die Einführung erneuerbarer Energien verzögern. [4]

Der US-Bundesstaat New York hatte wegen der Umweltfolgen sogar schon mal ein Bohrverbot erlassen, und in dem Film "GasLands" werden die möglichen Auswirkungen des Frackings recht eindrücklich vor Augen geführt. Gezeigt wird unter anderem, daß aus einem Wasserhahn Gas strömt, das angezündet werden kann, womit die Gefahr einer Kontamination des Grundwassers aufgrund des Frackings veranschaulicht werden soll. Vergleichbar mit Deutschland wurde und wird die Gasförderung in den USA und Großbritannien über die Köpfe der örtlichen Bevölkerung hinweg entschieden. Hierzulande haben sich bereits mehrere Bürgerinitiativen gebildet, die das Fracking unbedingt verhindern wollen.


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Anmerkungen:

[1] "Results of controversial 'fracking' for shale gas in UK will be kept secret", The Guardian, 1. März 2011
http://www.guardian.co.uk/business/2011/mar/01/fracking-shale-gas-energy-mps

[2] Näheres dazu unter
UMWELT -> REDAKTION -> RESSOURCEN/129: Risikotechnologie Schiefergas-Förderung (SB)
und
UMWELT -> MEINUNGEN -> LAIRE/159: Wer erhält die 30 Silberlinge für die zukünftige Erdgasförderung in NRW? (SB)

[3] "Drilling Down. Regulation Lax as Gas Wells´ Tainted Water Hits Rivers", The New York Times, 26. Februar 2011
http://www.nytimes.com/2011/02/27/us/27gas.html?_r=2&hp=&pagewanted=print

[4] "Warning over UK shale gas projects", The Guardian, 17. Januar 2011
http://www.guardian.co.uk/business/2011/jan/17/uk-shale-gas-warning?INTCMP=ILCNETTXT3487

3. März 2011