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RESSOURCEN/136: Peak Oil war gestern - US-Militärs für sofortigen Schwenk zu heimischer Energie (SB)


Energieeffizienz im Zeichen der Kriegführung

Neue CNA-Studie zur nationalen Sicherheit und Verringerung der Erdölabhängigkeit der Vereinigten Staaten


"Ineffizienter Treibstoffverbrauch auf dem Schlachtfeld verringert die Sicherheit unserer Truppen. Wir wissen das. Und ineffizienter Treibstoffverbrauch zu Hause verringert unserer aller - aller Amerikaner - Sicherheit. Auch das wissen wir. Es besteht eine direkte Verbindung zwischen Amerikas Treibstoffverbrauch und Amerikas Sicherheit. Das ist etwas, das ich mehr Leuten begreiflich machen will."
Lieutenant General Richard C. Zilmer, U.S. Marine Corps (Ret.) [2]


Die zeitliche Koinzidenz zwischen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise in großen Teilen der Welt, der kaum noch steigerbaren Förderung des Energieträgers Erdöl und der Beschleunigung klimatischer Veränderungen als Zufall abtun zu wollen hieße, die Augen vor den fundamentalen gesellschaftlichen Entwicklungen zu verschließen. Die betreffen alle drei Sphären - Sicherung der Finanz- und Wirtschaftsordnung, Energieversorgung und Klimaschutzmaßnahmen -, und sind so sehr miteinander verschränkt, daß eine Beschreibung nur eines Faktors schwerlich ohne Hinzuziehen der jeweils anderen gelingen kann.

Der US-amerikanische Think Tank CNA (Center for Naval Analyses) beleuchtet seit einigen Jahren die Frage, wie die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Energieversorgung gewahrt oder sogar gefestigt werden kann. Welche Gefahren kommen auf die USA zu, falls im Nahen und Mittleren Osten der Energiehahn zugedreht wird? Kann die staatliche Ordnung aufrechterhalten werden, sollten sich Klimaflüchtlinge aus dem Süden in Richtung Norden auf den Weg machen? Sind die USA infrastrukturell und administrativ ausreichend auf die kommenden Bedrohungen aufgrund des Meeresspiegelanstiegs und anderer Klimawandelfolgen eingestellt?

Mit diesen und weiteren Themen befaßt sich beim CNA das Military Advisory Board (MAB), das 2006 gegründet wurde und sich aus elf ehemaligen Generälen und Admiralen zusammensetzt. Nach drei in den letzten Jahren veröffentlichten Berichten zu Fragen des Klimawandels und der nationalen Sicherheit sowie zur Energieversorgung [1] hat diese auf dreizehn Personen erweiterte Gruppe im vergangenen Monat eine neue Analyse mit dem Titel "Ensuring America's Freedom of Movement: A National Security Imperative to Reduce U.S. Oil Dependence" (Sicherstellung von Amerikas Freiheit der Bewegung: Ein Gebot der nationalen Sicherheit, die US-Erdölabhängigkeit zu verringern) [2] veröffentlicht, in der die eingangs erwähnten gesellschaftlichen Bereiche berührt werden. Es wird der Frage nachgegangen, welche Sicherheitsimplikationen mit einer Verlagerung des Transportsektors der USA auf alternative Treibstoffe verbunden sind.

Im Vorwort des Reports schreiben die Autoren: "Als wir Fragen über verschiedene Aspekte von Amerikas Wirtschaft, Umwelt, Sicherheit und globaler Präsenz aufwarfen, klangen die Antworten alle vertraut. Immer wieder stach es uns ins Auge: Amerika muß seinen Umgang mit Energie grundlegend überdenken." Ob nun Klimawandel als Verstärker der Bedrohungen oder die Versorgung der Vereinigten Staaten mit Erdöl als Gefahr der nationalen Sicherheit angesehen wird oder ob die Sicherheit der Truppen in Irak und Afghanistan Anlaß zu Sorge gibt, in allen Fällen habe das mit dem Umgang mit Energie zu tun, hieß es.

Eine Erkenntnis, die nicht überraschen sollte, bedeutet doch Energie etwas in Bewegung zu setzen unter Verbrauch des Energieträgers. Das gilt sowohl für seine fossilen als auch regenerativen Formen. Das von Solarzellen eingefangene Sonnenlicht ist nie das gleiche; der Wind, der sich an den Flügeln der Windräder bricht und die Rotoren in Bewegung setzt, verliert an Energie; Biomasse, die vergoren oder verbrannt wird, setzt sich nicht wieder zu Pflanzen zusammen. Kurzum, die Nutzung von Energie erzeugt Verluste.

Die Militärs fordern nun "sofortige und aggressive Maßnahmen", um den Transportsektor von der Erdölabhängigkeit wegzubekommen und durch "heimisch produzierte Energiequellen" zu ersetzen. "Die Folgen von Inaktivität oder auch nur verzögerten Maßnahmen sind schwerwiegend", lautet das Resümee. Die Sorgen der US-Bürger über die Wirtschaftskrise seien wohlbegründet, aber das dürfe die USA nicht davon abhalten, sich von der Erdölabhängigkeit zu befreien. Im Gegenteil, es könne sogar dazu beitragen, die wirtschaftliche Stärke wiederherzustellen. "Jetzt ist die Gelegenheit, globale Führerschaft hinsichtlich der Energiefragen einzunehmen. Das ist unser Moment, und wir müssen handeln."

Amerika habe nicht den Luxus der Zeit, die Führerschaft sei an einem gefährlichen Punkt angelangt. (...) Die weltweite Nachfrage nach Öl wachse "in alarmierender Geschwindigkeit". Innerhalb von zehn Jahren werde der Erdölbedarf von China, Indien und anderer Entwicklungsländer unzweifelhaft den Ölmarkt verändern. "Unsere militärische Erfahrung sagt uns, daß Übergangsmomente wie dieser bedeutend sind; sie kommen und gehen schnell. Wenn der Augenblick reif ist, müssen Nationen handeln oder, wie so oft, darauf eingestellt sein, sich mit den Folgen von Inaktivität herumzuschlagen."

Wer die aggressive US-Außenpolitik (nicht nur) der letzten Jahre verfolgt hat, wird ahnen, daß ähnliche Empfehlungen in der Vergangenheit zu den Entscheidungen des Weißen Hauses beigetragen haben könnten, (unter verschiedenen Vorwänden) Angriffskriege gegen Afghanistan, Irak und Libyen zu führen. Zwar wäre es ein Irrtum zu behaupten, die USA hätten diese Kriege einzig und allein deshalb angezettelt, um sich die Energieressourcen dieser Länder unter den Nagel zu reißen - denn dafür wären womöglich sehr viel weniger aufwendige Methoden geeigneter gewesen -, aber in allen Fällen dieser letztlich hegemonial motivierten Kriege spielt die Energiefrage mit hinein.

Die CNA-Studie stellt klar, daß selbst eine Unterbrechung der täglichen Erdölversorgung der USA um wenige Prozent gravierende Folgen für "jeden Aspekt des Lebens" haben würde, einschließlich den der Ernährungssicherheit. "Wie wir zur Arbeit gelangen, wie wir Güter befördern, wie wir Landwirtschaft betreiben und Nahrung produzieren, und wie wir Rohstoffe zur Weiterverarbeitung oder fertige Produkte von und zu den Märkten bringen, hängt in fast allen Fällen von einer einzigen Stoffquelle ab: Erdöl."

Aus Sicht der Militärstrategen stellt diese Einseitigkeit eine unverzeihliche Schwäche da, die umgekehrt erster Ansatzpunkt wäre, einem Gegner Schaden zuzufügen oder ihn auszuschalten. Tatsächlich lassen sich viele militärische und diplomatische Operationen der US-Regierung so deuten, daß sie zumindest als Mitnahmeeffekt Konkurrenten von der Ölversorgung abschneiden will.

Würden die USA 30 Prozent weniger Erdöl verbrauchen, stärke das die nationale Sicherheit "erheblich", legt die CNA-Studie eine Zielmarke fest. Diese Zahl wurde gewählt, weil dann eine totale Blockade der Straße von Hormus kaum Auswirkungen auf die US-Wirtschaft hätte. Diese Seeverbindung liegt zwischen dem Sultanat Oman auf der Arabischen Halbinsel und Iran auf dem gegenüberliegenden Festland. Letztgenannter Staat hat angekündigt, daß er, sollte er von den USA angegriffen werden, die Straße von Hormus verminen werde, so daß sie für Tankschiffe unbefahrbar würde.

Die Autoren propagieren auch den Einsatz alternativer Treibstoffe, möglichst diversifiziert, um nicht erneut von einer einzigen Energiequelle abhängig zu sein, erklären aber zugleich, daß die beste und strategisch vielversprechendste Energiealternative die "Effizienz" sei. Darüber hinaus empfehlen sie dem Verteidigungsministerium, die Führung bei der Entwicklung alternativer Treibstoffe zu bewahren, wobei Einsatzeffektivität und allgemeiner Effizienz in einem ausgewogenen Verhältnis bleiben sollten. Denn:

"Die erste Mission unseres Militärs besteht darin, zu kämpfen und Amerikas Kriege zu gewinnen. Als Mitglieder des Military Advisory Board wenden wir uns absichtlich gegen die Verführung, dieser Mission etwas hinzuzufügen oder sie zu verkomplizieren; wir ersuchen unsere politischen Führer, die gleiche Zurückhaltung zu üben." [2]

Amerika, Amerika über alles. "Kompliziert" würde es vermutlich aus Sicht der Militärs, wenn sich die USA darum kümmern müßten, die Voraussetzung des Reichtums ihrer Gesellschaft zu eliminieren, nämlich das permanente Erzeugen von Armut und Verlusten, die externalisiert werden. Das gilt sowohl im Verhältnis der Staaten untereinander als auch innerhalb der Vereinigten Staaten, wo über 40 Millionen Einwohner auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind. Auch sie zählen zur Nation, dennoch gilt für sie nicht unbedingt die Sorge um die nationale Sicherheit. Für sie werden nicht die zukünftigen CO2-armen Kriege geführt, sondern gegebenenfalls müssen sie sie führen.

"Die Technologie hinter effizienteren Autos und Lastwagen, Hybridfahrzeugen und effizienteren Batterien könnte direkt zu effizienteren Kampffahrzeugen führen." [2]

Bessere Energieeffizienz, Treibhausgase reduzieren, alternative Energieträger mobilisieren ... die CNA-Analyse liest sich streckenweise wie das Positionspapier einer grünen Partei, was die Frage aufwirft, ob das damit zu tun hat, daß die Militär-Ruheständler aus den USA altersweise geworden und auf Öko-Kurs eingeschwenkt sind, oder damit, daß von Grün zu Lodengrün oftmals nur ein kleiner Schritt ist. Letzteres liegt nicht nur deshalb nahe, weil beispielsweise die Grünen 1999 Deutschland in einen Krieg geführt oder die französischen Grünen den Libyenkrieg befürwortet haben, sondern grundsätzlich wegen der häufig anzutreffenden regulatorischen Grundorientierung grün gewandeter oder grün ummäntelter Zeitgenossen. Denkt man an die regulatorische Überwucht der Ökodesignrichtlinie der Europäischer Union, in deren Rahmen das Glühlampenverbot als ein Eingriff von Dutzenden [3], die noch kommen werden, durchgedrückt wurde, so wird deutlich, daß der Unterschied zwischen militärischer Disziplin und Bevölkerungskontrolle durch Verhaltenserfordernisse geringer ist, als die meisten Menschen ahnen.

"Militärische Kultur und organisatorische Disziplin liefern die notwendige Vision, Planung und Motivation, um solche Arten revolutionärer Veränderungen zum Erfolg zu führen."

Diese Aussage stammt nicht von den Brüsseler Technokraten mit Blick auf ihre "revolutionären" Energiesparmaßnahmen, sondern von den CNA-Autoren. Sie sehen das US-Verteidigungsministerium an vorderster Front, als es in der Vergangenheit darum ging, von einer Energieform zu einer anderen zu wechseln, sei es von der Segel- zur Dampfschiffahrt, von der Kohle- zur Erdölverbrennung, vom Pferd zum Motorfahrzeug. Stets sei das Militär vornean gewesen. "Wir sind uns sicher, daß eine Transition zu einer sauberen Transportenergie keinen Unterschied zu früheren Energieübergängen machen wird", heißt es konsequenterweise.

Die Studie trägt durch und durch einen Charakter, bei dem deutlich wird, daß hier nicht mehr vor dem Eintreten von Peak Oil, dem Maximum der globalen Erdölförderung, gewarnt, sondern bereits ein Schritt weiter gegangen wird: Militärische Sicherung der gefährdeten Ordnung. Dabei ist für die Autoren anscheinend die Frage nebensächlich, an welchem Datum Peak Oil stattfindet oder stattgefunden hat. Sie benutzen diesen gängigen Begriff nicht einmal, und doch geht es in ihrem Report um nichts anderes, nämlich darum, wie die USA ihren globalhegemonialen Anspruch innerhalb der nächsten zehn Jahre, in denen Kämpfe um die letzten Erdölreserven ausgetragen werden, bewahren können.

Indem die Erdölimporte aus der Golfregion reduziert werden, sei das Militär auch wirtschaftlich etwas davon entlastet, die Seeverbindungen zu schützen ... und es könne den Fokus auf andere Ressourcen richten. Solche Aussagen zeigen: Die Generale und Admirale hinter der CNA-Analyse sind nicht mehr im aktiven Dienst, aber sie folgen der gleichen Doktrin, denselben Werten und denken in keinen anderen Kategorien, wie sie auch im Pentagon und Weißen Haus vorherrschen. Deshalb brauchen sie die US-Regierung nicht eigens aufzufordern, Iran in die Zange zu nehmen oder sich militärisch stärker auf den pazifischen Raum mit seinen noch unausgeschöpften und von verschiedenen Staaten beanspruchten Energiereserven zu konzentrieren. Wie die kaum verhohlenen Drohungen von US-Präsident Barack Obama, Außenministerin Hillary Clinton und anderer Mitglieder der Regierungsmannschaft in den letzten Tagen zeigen, gehen die Vereinigten Staaten zur Zeit in die Offensive, suchen die Konfrontation nicht zuletzt mit China. Dessen Energiehunger ist gewaltig, deshalb steht das Land in Konkurrenz zu den USA. Der Konflikt wird in den nächsten Jahren an Schärfe zulegen.

Bislang ist China einer direkten militärischen mit den USA Konfrontation ausgewichen. Die chinesische Führung verhält sich pragmatisch. Wurde das erdölreiche Sudan unter direkter Einflußnahme der USA gespalten, sprach zwar alle Welt davon, daß das die Ölversorgung Chinas gefährden könnte, aber Peking beginnt unverdrossen Verhandlungen mit der US-freundlichen Regierung des neuen Staats Südsudan über die Fortsetzung bzw. Neuvergabe von Erdölförderlizenzen. Auch aus Libyen hat China 30.000 Arbeiter, die dort unter anderem in der Erdölförderung aktiv waren, zunächst zurückgezogen. Ob aber China dort tatsächlich vollständig ausgebootet wurde, wie gelegentlich behauptet wird, muß sich erst noch erweisen.

Man kann davon ausgehen, daß die Think Tanks anderer Länder zu ähnlichen Schlußfolgerungen gelangen wie das Military Advisory Board des CNA. Deren Erkenntnisse und Ratschläge werden womöglich das zukünftige Vorgehen der militärisch hochgerüsteten Staaten viel treffender widerspiegeln als das, was die Teilnehmer der großen UN-Klimakonferenz in wenigen Tagen Durban zu besprechen haben.



Anmerkungen:

[1] http://www.cna.org/sites/default/files/National%20Security%20and%20the%20Threat%20of%20Climate%20Change%20-%20Print.pdf
http://www.cna.org/sites/default/files/Powering%20Americas%20Defense.pdf
http://www.cna.org/sites/default/files/research/WEB%2007%2027%2010%20MAB%20Powering%20America's%20Economy.pdf

[2] http://www.cna.org/sites/default/files/MAB4.pdf

[3] http://www.ebpg.bam.de/de/produktgruppen/index.htm

21. November 2011