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RESSOURCEN/137: Griechenland - Hohe Heizkosten treibt Einwohner zum illegalen Holzeinschlag (SB)


Notleidende Griechen beginnen, ihre Wälder zu verheizen


Der illegale Holzeinschlag in Griechenland hat drastisch zugenommen. Ein Trend, der durch weitere drastische Sparmaßnahmen der Regierung sowie das Ölembargo der Europäischen Union gegen Iran noch verschärft werden dürfte. Droht Griechenland neben der sozialen jetzt auch eine ökologische Katastrophe?

Gegenwärtig seien die Wälder Griechenlands noch nicht akut bedroht, sagte Nikos Bokaris, Sprecher der Panhellenischen Union der Forstwirtschafter, laut einem AFP-Bericht [1], aber es könne dazu kommen. Mit Verweis auf Albanien, dessen Bevölkerung nach dem Kollaps des Kommunismus Bäume in großer Zahl gefällt habe, da sie Heizmaterial brauchte, warnte er, daß selbst die Bäume am Straßenrand abgeschlagen worden seien. Die griechischen Förster haben im vergangenen Jahr rund 1500 Klagen wegen illegalen Holzeinschlags eingereicht. Das ist mehr als doppelt so häufig wie im Jahr davor. Der Forstexperte Konstantinos Liarikos vom griechischen Zweig der Umweltorganisation WWF sorgt sich ebenfalls darüber, daß die Wälder sowohl durch individuellen als auch organisierten Diebstahl Schaden erleiden könnten.

In Griechenland, das zu rund 20 Prozent bewaldet ist, herrschen heute politische Verhältnisse vor, wie man sie von den verschuldeten Subsaharastaaten aus den achtziger und neunziger Jahren her kennt: Auf Druck der Gläubiger streicht die Regierung die verbliebenen Relikte der Sozialprogramme, senkt die Löhne im öffentlichen Dienst und muß sich dennoch weitere massive Eingriffe in die Souveränität gefallen lassen.

Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst und im Privatsektor ohne adäquate Kompensationsprogramme zur Stärkung des Arbeitsmarkts treiben immer mehr Einwohner in die Armut. Da sich der Staat von seiner Versorgungsverantwortung zurückzieht, sind sie genötigt, sich selbst zu helfen. Erwerbslosigkeit, Obdachlosigkeit und Selbstmorde nehmen signifikant zu. Angesichts solcher Not und winterlicher Temperaturen bleibt es nicht aus, daß immer mehr Menschen die Wälder aufsuchen, um sich mit Brennholz zu versorgen.

Wohingegen sich als Folge der Privatisierung vor allem ausländische Unternehmen ungestraft am griechischen Volkseigentum bereichern können. Grundstücke, Häuser, Infrastruktureinrichtungen, Inseln - nicht zuletzt das global fluktuierende Finanzkapital, das immer auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten ist, weidet das zur Strecke gebrachte südosteuropäische Land gründlich aus.

Holzdiebstahl und illegales Baumfällen sind in Griechenland ein neues Phänomen. Neu sind allerdings auch die hohen Benzinpreise. Sie haben sich im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Die Zukunftsaussichten der griechischen Bevölkerung sieht düster aus, hat doch diese Woche die Europäische Union ein Ölembargo gegen Iran beschlossen und Griechenland damit sozusagen von hinten in die Hacken getreten. Denn nach Angaben des "Handelsblatts" bezogen die Hellenen im ersten Halbjahr 2011 vierzehn Prozent ihrer Erdölimporte aus dem Iran. Inzwischen dürfte der Anteil sogar bei 20 bis 30 Prozent liegen, gibt die Zeitung die Einschätzungen von Marktbeobachtern wieder. [2] Andere Medien gehen von noch höheren Prozentangaben aus. Iran hat inzwischen auf das für den 1. Juli anberaumte Embargo der EU reagiert und hat einen sofortigen Lieferstopp eingeleitet. Analysten rechnen mit einem kräftigen Anstieg der Ölpreise - sehr zum Schaden von Griechenland, dem der Iran besonders günstige Konditionen eingeräumt hat und das bei seinen europäischen Verbündeten nicht mit dem gleichen Entgegenkommen rechnen kann.

Daß die Not in Griechenland enorm zugenommen hat, ist unstrittig. Inwiefern sich das auf die Situation der Wälder auswirkt, dürfte allerdings nicht einfach zu bestimmen sein. Schließlich besteht die Frage, in welchem Verhältnis das illegale Baumfällen zum Waldverlust aufgrund von Bränden steht. Jahr für Jahr gehen Tausende Hektar Wald durch Feuersbrünste verloren. Da aber der eine Waldverlust den anderen nicht aufhebt, sondern sich beide ergänzen, wird der gesteigerte legale und illegale Holzeinschlag ökologisch womöglich relevant.



Anmerkungen:

[1] "Greeks fell trees for warmth amid economic chill", terradaily.com/AFP, 24. Januar 2012
http://www.terradaily.com/reports/Greeks_fell_trees_for_warmth_amid_economic_chill_999.html

[2] "Das süße Öl der Mullahs", Handelsblatt, 25. Januar 2012
http://www.handelsblatt.com/politik/international/oel-exporte-das-suesse-oel-der-mullahs/6098646.html

27. Januar 2012