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RESSOURCEN/154: Blubbernde Brunnen - Explosionsgefahr durch Fracking (SB)


Feuerspeiende Wasserhähne

Hoher Methangehalt in texanischen Trinkwasserbrunnen wahrscheinlich Folge von Fracking - erneut behördliche Untersuchung



Regelmäßig und in kurzen Abständen wird aus den Fracking-Regionen der USA über Negativfolgen dieser Form der Förderung von Erdgas hauptsächlich aus Schiefergestein berichtet. Erdbeben, Verunreinigungen des Grund- und Trinkwassers durch aufsteigendes Erdgas, Verbreitung von radioaktivem Staub und produktionsbedingten Chemikalien, die teils hormonverändernde Wirkung entfalten können, sowie ein extrem hoher Wasserverbrauch zählen zu dem Schreckenspanoptikum dieser Form der Energiegewinnung. Zudem wird beim Fracking eine Gesteinsschicht regelrecht zertrümmert, damit das Gas zusammenströmen und hinaufgefördert werden kann. Die Folgen eines solchen Eingriffs sind nicht absehbar.

Ein hinlänglich bekanntes Phänomen unter den Umweltverschmutzungen, die durch Fracking verursacht werden, ist die Verseuchung von Trinkwasser mit Methan. Die Bilder von Flammen, die aus einem Wasserhahn kommen, haben durch den Dokumentarfilm "Gasland" von Josh Fox inzwischen weltweite Berühmtheit erlangt.

Im Norden des US-Bundesstaats Texas wird seit einigen Jahren offiziell untersucht, ob das vermehrte Auftreten von Methangas in den Trinkwasserbrunnen von Einwohnern mit dem Fracking zusammenhängen könnte, das in der Nähe der betroffenen Orte betrieben wird. Die Texas Railroad Commission, die für die Öl- und Gasförderung in dem US-Bundesstaat zuständig ist, und die in Washington ansässige US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) sowie das Unternehmen Range Resources, dessen Frackingmaßnahmen in Verdacht stehen, eine Reihe von Brunnen in der Region verseucht zu haben, haben eigene Untersuchungen in dem 13.000 km² großen Fördergebiet namens Barnett Shale durchgeführt.

Der unabhängige Energieexperte Geoffrey Thyne hat sich nun die Untersuchungsergebnisse der EPA und von Range Resources noch einmal vorgeknöpft und mit modernsten Methoden analysiert. Dabei stellte er fest, daß sich das Methan im Untergrund ausbreitet, daß wahrscheinlich weitere Brunnen verseucht werden und daß die Konzentration stellenweise zunimmt, berichtete Associated Press. Thyne glaubt, daß das Fracking die Methanverunreinigungen ausgelöst hat. Dem hält das in Fort Worth ansässige Unternehmen Range Resources entgegen, es habe keinen Beweis, daß das Gas in den Brunnen das gleiche ist wie das von ihm produzierte Gas. Zudem seien keine gefährlich hohen Methanwerte in dem Wasser nachgewiesen worden. Allen Hausbesitzern wird allerdings empfohlen, ihre Brunnen zu entlüften.

Für Thyne und den Wissenschaftler Rob Jackson von der Duke University sind die Methankonzentrationen in den Trinkwasserbrunnen ganz und gar nicht unbedenklich. Daß die beiden zu anderen Ergebnissen gelangen als das Unternehmen, geht auf die von ihnen gewählte Methode der Isotopenanalyse zurück. Mit ihrer Hilfe läßt sich das Methan in den Brunnen auf das Methan in der "Strawn" genannten Schieferformation, in der Range gefrackt hat, zurückführen. Laut AP, die mit Anwohnern des betroffenen Gebiets gesprochen hat, ist nach der Jackson-Analyse der Methangehalt in einigen Brunnen fünf bis zehn Mal so hoch wie die Werte, die Range Resources angegeben hat. Manche Proben wiesen einen fünffach so hohen Methangehalt auf, wie vom Geologischen Dienst der USA als Grenzwert (10 ppm/l, also zehn Teile auf eine Million Teile pro Liter) festgelegt.

Es trifft zu, daß ein Trinkwassergebiet auf natürliche Weise mit Gas verseucht werden kann. Schon vor Einsetzen des Frackingbooms zu Beginn des vorigen Jahrzehnts kannten die Einwohner bestimmter Regionen das Phänomen. Aufgrund seiner umfassenden chemischen Analyse kommt Thyne jedoch zu dem allerdings erst vorläufigen Schluß, daß das Methan zumindest in drei Brunnen identisch ist mit dem, das Range Resources aus seinen beiden Bohrlöchern, die später an Legend Natural Gas abgetreten wurden, in dem Gebiet fördert.

Die US-Umweltbehörde hat im Jahr 2010 Ermittlungen aufgenommen. Damals hatte der Hausbesitzer Steve Lipsky aus Weatherford, rund 100 Kilometer westlich von Dallas, der Railroad Commission mitgeteilt, daß sein Brunnenwasser regelrecht blubbert. Die Behördenvertreter stellten fest, daß das Wasser Methan enthält. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, daß sich das Gas sammelt, entzündet und explodiert, und die Railroad Commission seiner Meinung nach nicht schnell genug arbeitete, schaltete Lipsky die Bundesbehörde EPA ein. Die erklärte nach ihrer eigenen Untersuchung, daß das Methan wahrscheinlich durch die nur rund 1,5 Kilometer entfernten Fracking-Aktivitäten von Range Resources freigesetzt wurde. Das Unternehmen habe das Problem zu lösen und die Lipsky-Familie mit Wasser zu versorgen, entschied die Bundesbehörde in einer Notfallverordnung. Im März 2011 befand jedoch die Railroad Commission, daß das Unternehmen keine Verantwortung für die Methanverseuchung trage. Range und EPA trafen sich vor Gericht. Der Fall wurde im März 2012 mit dem Ergebnis abgeschlossen, daß die EPA seine Notfallverordnung zurückzieht und Range Resources ein Jahr lang Tests durchführt.

Damit ist der Fall aber noch nicht abgeschlossen. Die Railroad Commission hat im August 2013 aufgrund der jüngsten Untersuchungsergebnisse neue Ermittlungen aufgenommen, deren Ergebnisse laut AP voraussichtlich im Februar vorliegen werden.

Die Methanverseuchung von Trinkwasserbrunnen in Texas steht nicht nur beispielhaft für die Umweltauswirkungen der Gasförderung mittels Fracking, sondern auch dafür, wie ein solcher Konflikt Menschen viele Jahre lang beschäftigen kann. Ganz abgesehen von den Gesundheitsproblemen und -gefahren, denen die Einwohner im Umfeld der Bohrlöcher ausgesetzt sind, wird auch viel Lebenszeit dafür verschwendet, sich auf dem Rechtsweg von den Folgen der Aktivitäten der Energieunternehmen freizuhalten oder gegebenenfalls Entschädigung einzuklagen. Da spielt es prinzipiell keine Rolle, ob die Bürgerinnen und Bürger selbst den Klageweg beschreiten oder ob eine Behörde diese Aufgabe übernimmt. Denn auch deren Kapazitäten werden in Anspruch genommen und Steuergelder nur dafür verbraucht, daß beispielsweise die EPA Anwälte einspannen muß, um Rechtsfragen zu klären und das gesellschaftliche Interesse gegenüber dem Privatisierungsinteresse zu schützen.

Diese Art von Verbrauch administrativer Ressourcen ist kein Alleinstellungsmerkmal des Frackings, nicht einmal der Erdgas- und Erdölindustrie. Hier haben wir es mit einem Beispiel für eine Produktionsweise zu tun, durch die den Menschen Schaden zugefügt wird, sei es in unmittelbarer Form wie bei der Brunnenvergiftung, sei es durch den Verbrauch von Steuergeldern, die unter anderen Bedingungen womöglich für die allgemeine Gesellschaft nützlicher angelegt wären.

Damit soll nicht etwa dem üblicherweise als vermeintliche Alternative zu dem hier anschaulich vor Augen geführten Neoliberalismus, dem Staatskapitalismus, wie er bis 1989 bzw. 1991 geherrscht hat, das Wort geredet werden. Denn darin war das Privateigentum zwar formal weitgehend abgeschafft, aber es haben sich dennoch Verfügungsstrukturen etabliert, durch die ebenfalls Menschen in Folge einer industriellen Produktionsweise Schaden erlitten, da sie über deutlich weniger Einfluß verfügten als andere. Das Problem, daß Menschen im Rahmen einer gesellschaftlichen Ordnung durch fremdnützige Interessen geschädigt werden, erweist sich als umfänglicher und unbequemer, als es zunächst den Anschein hat.

21. Januar 2014