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RESSOURCEN/172: Schutzgebiete am Meeresboden - Legitimation des marinen Bergbaus (SB)


Neuseeländische Forscher empfehlen Schutz der Meeresfauna bei Projekten zum Meeresbodenbergbau


Während in vielen Bergbauregionen, vom Rheinischen Braunkohlerevier bis zu den Vulkangebirgen Perus, gegen die Zerstörung des Lebensraums durch den Extraktivismus protestiert wird, bereitet die rohstoffhungrige Industrie perspektivisch bereits die nächste Stufe der Rohstoffgewinnung vor, den Meeresbodenbergbau, auch "Blue Mining" genannt.

Von der Tiefsee wird behauptet, daß sie weniger gut kartiert sei als die Oberfläche des Mondes. Das Verhältnis könnte sich jedoch in den nächsten Jahren umkehren, eben weil in der Tiefsee nicht nur große Mengen an verschiedenen Rohstoffen vermutet, sondern diese längst in abbauwürdigen Volumina entdeckt werden. Angefangen von Manganknollen, die abgesehen von Eisen (30 Prozent) und Mangan (25 Prozent) auch Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel sowie Spurenelemente wie Molybdän und Lithium und sogar Seltene Erden wie Yttrium und Neodym enthalten. Das macht diese über Jahrmillionen gewachsenen kartoffel- bis blumenkohlgroßen Knollen auch für den grünen Kapitalismus attraktiv.

Von Interesse sind auch die jahrmillionenalten submarinen Kobaltkrusten, die Mangan, Eisen sowie Kobalt, Kupfer, Nickel und Platin enthalten, und die sogenannten Massivsulfide, die im Umfeld von hydrothermalen Schloten vorkommen. Diese enthalten Elemente wie Schwefel, Zink, Gold, Kupfer, Blei und Eisen sowie Hochtechnologiemetalle wie Indium, Germanium, Wismut und Selen. Darüber hinaus gelten Massivsulfide als potentielle Quelle für die Elemente der Seltenen Erden.

Bislang verhindern ökonomische, technologische und rechtliche Bedingungen einen Start auf breiter Front von Unternehmen aus dem Umfeld des Blue Minings; doch einige befinden sich schon in den Startlöchern. So hat das Unternehmen Nautilus Minerals mit Papua-Neuguinea einen Vertrag zum Abbau von Massivsulfiden in 1600 Meter Meerestiefe innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes geschlossen. In jener 200 bis maximal 350 Seemeilen breiten Zone setzt der jeweilige Staat die Umweltstandards fest.

Für die Hohe See dagegen, die das "Gebiet" (Area) außerhalb der Zonen umfaßt, die unter nationaler Jurisdiktion liegen, ist die in Kingston, Jamaika, ansässige internationale Meeresbodenbehörde ISA (International Seabed Authority) zuständig. Sie hat bisher nur Lizenzen zur Erforschung, noch nicht zur Ausbeutung von mineralischen Ressourcen des Meeresbodens ausgegeben und Umweltstandards festgelegt, die für die ausführenden Unternehmen zumindest lästig sind - ob sie genügen werden, um in einem Zeitalter zunehmender industrieller Erschließung der Tiefsee ökologische Schäden zu vermeiden, sei dahingestellt. Die Lizenznehmer müssen zwar Umweltschutzauflagen erfüllen und dies dokumentieren, aber letztlich sind die Bestimmungen der Internationalen Meeresbodenbehörde nicht dafür gedacht, den marinen Bergbau prinzipiell zu verhindern, sondern umgekehrt dafür, ihn zu ermöglichen - natürlich unter bestimmten Auflagen.

Im vergangenen Monat berichteten neuseeländische Forscher über die weite Verbreitung teils einzigartiger Megafauna in drei Meeresbodengebieten des Kermadec-Vulkanbogens innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone, nordöstlich von Neuseeland gelegen. Untersucht wurden drei verschiedene Bereiche mit hydrothermalen Schloten, die entweder erloschen, wenig aktiv oder sehr aktiv sind. In dieser Region könnte in Zukunft Rohstoffabbau betrieben werden, da von der neuseeländischen Regierung bereits eine Reihe von Lizenzen für die Erkundung von Massivsulfiden ausgegeben wurde. Davor müßten die einzigartigen Ansammlungen von Meereslebewesen geschützt werden, forderten die Forscher, und schlugen vor, eigens Gebiete auszuweisen, die von einem zukünftigen marinen Bergbau ausgenommen werden. Dabei sollten die Flächen nicht am gleichen Seamount (Unterwasserberg) liegen, wo de Bergbau betrieben würde, weil die Gefahr besteht, daß sich dort Sedimentwolken absetzen, sondern sie sollten netzartig untereinander und zudem mit einem anderen Seamount verbunden sein. [1]

So umfangreich die Umweltschutzbestimmungen der Internationalen Meeresbodenbehörde auch sein mögen, zwangsläufig unerforscht bleiben die langfristig kumulativen Effekte, wenn an vielen Stellen der Weltmeere gleichzeitig Meeresboden bearbeitet und mitgeförderte Sedimentschlämme wieder ins Meer zurückgeleitet werden. Umweltschäden können auch dadurch auftreten, weil neue Hafenanlagen und andere Infrastruktureinrichtungen gebaut werden müssen, um die Rohstoffe von den Schiffen in die Fabriken zu befördern.

An der hier beschriebenen Studie wird deutlich, wie Forschungsansätze zum Schutz der Umwelt - in diesem Fall der marinen Umwelt -, in der Konsequenz zur Legitimation eines Rohstoffabbaus beitragen, der auf jeden Fall mit ökologischen Schäden einhergehen wird. Es besteht dann lediglich die Frage, ob und inwiefern diese Schäden von der Gesellschaft akzeptiert werden oder nicht.


Fußnoten:

[1] R. E. Boschen et al.: "Megabenthic assemblage structure on three New Zealand seamounts: implications for seafloor massive sulfide mining", in: Marine Ecology Progress Series, Vol. 523: 1-14, 16. März 2015.
http://www.int-res.com/articles/feature/m523p001.pdf

10. April 2015


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