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INTERVIEW/004: Mahi Klosterhalfen, engagiert gegen den Bau einer Schweinemastanlage in Haßleben (SB)


Übergabe der Protestpostkarten - Foto: © Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt

Mahi Klosterhalften bei der Übergabe von Protestunterschriften an Prof. Dr. Matthias Freude
Foto: © Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Telefoninterview mit Mahi Klosterhalfen, geschäftsführender Vorstand der Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt am 19. August 2011

Deutschland hat im vergangenen Jahr landwirtschaftliche Produkte im Wert von 54 Milliarden Euro exportiert. Den größten Anteil daran hatten Milch und Milchprodukte sowie Fleisch und Fleischwaren. In- und ausländische Investoren erwerben seit einigen Jahren gern die zur Privatisierung freigegebenen Flächen in den ostdeutschen Bundesländern oder nutzen gleich die Hinterlassenschaften aus der industriellen Massentierhaltung der DDR, um die Betriebe nach neuesten Maßgaben auszustatten und die Produktion anzuwerfen.

"Die Produktion", das bedeutet, daß millionenfach Hühner, Schweine, Rinder, Ziegen, Schafe und andere, sprichwörtlich zu Nutztieren abgestempelte Tiere geschlachtet werden. Dagegen macht sich allerorten Widerstand breit. Bürgerinitiativen, Tierschutzorganisationen, Tierbefreierinnen und -befreier, Kleinbauern und auch Menschen, die sich keiner dieser Kategorien zuordnen lassen - mögen die von ihnen gewählten Protest- und Widerstandsformen auch unterschiedlich ausfallen, sie alle vereint die Ablehnung der Massentierhaltung.

Einer der Brennpunkte der Proteste ist Haßleben, eine kleine Gemeinde im brandenburgischen Landkreis Uckermark. Dort will der niederländische Investor Gennip GmbH eine 1991 stillgelegte Schweinezucht- und Mastanlage aufbauen. Einen ersten Antrag zur Haltung von 85.000 Schweinen lehnte das brandenburgische Landesumweltamt aus Gründen des Umweltschutzes ab. Über den neuen Antrag, in dem die Genehmigung für die Mast von 67.000 Schweinen erbeten wird, wird noch beraten.

Die Bürgerinitiative Kontra Industrieschwein, die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt und der BUND zählen zu den Initiativen, Gruppen und Organisationen, die sich gegen die Einrichtung der Mastanlage aussprechen, und haben als Protestform zahlreiche Unterschriften gesammelt. Der Schattenblick führte am 19. August ein Telefoninterview mit dem geschäftsführenden Vorstand der Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt, Mahi Klosterhalfen.


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SB: Herr Klosterhalfen, Sie haben am Montag, dem 15. August, dem Präsidenten des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Potsdam, Professor Dr. Matthias Freude, 19.000 Karten überreicht, deren Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sich gegen den Bau einer Schweinemastanlage in Haßleben aussprechen. Wie hat er reagiert?

Mahi Klosterhalfen: Professor Freude hat sich sehr beeindruckt gezeigt. Wortwörtlich sagte er, er sei sehr beeindruckt, wenn so viele Menschen zum einen ihre Meinung kundtun über eine Petition, die wir organisiert haben, und zum anderen sich einfinden für die Aktion der Unterschriftenübergabe. Die hatten wir gut vorbereitet mit rotem Teppich und ausgedruckten Unterschriften auf 19.000 Postkarten, die wir ihm in einer Reihe von Boxen überreichten. Gleichzeitig sagte er aber auch, daß es eine reine Sachentscheidung geben wird, ob die Anlage gebaut werden darf oder nicht. Da gebe es dann wahrscheinlich fünf Argumente dafür und vier dagegen oder andersrum, und danach werde die Entscheidung fallen.

Trotzdem halte ich es für wichtig zu zeigen, wie sich die Öffentlichkeit positioniert. Denn auch bei einer sachlichen Entscheidung sollte bedacht werden, an welcher Stelle die Gesellschaft steht und wie sie sich weiterentwickelt. Und da haben wir allein mit dieser Petition schon gezeigt, daß es da einen ganz klaren Trend zu einer Einstellung gibt, derzufolge solche Massentierhaltungsanlagen einfach nicht mehr erwünscht sind.

SB: Können Sie uns erklären, was Ihre Kritikpunkte an der geplanten Einrichtung dieser Schweinemastanlage sind?

MK: Es gibt mehrere Kritikpunkte. Zum einen wurden etliche Gutachten erstellt, die zeigen, wie stark die Umweltbelastung sein wird, die von der Schweinemastanlage ausgeht. In der Nähe liegt der Kuhzer See, der durch die Anlage gefährdet wäre. Dann gibt es einen Wald, der stark belastet würde, und ein Moor, das gerade dabei ist, sich zu erholen. Denn die Anlage war ja schon mal in Betrieb.

SB: Darf ich einmal ganz kurz nachfassen: Kuhzer See, Wald, Moor - womit genau werden sie belastet?

MK: Das Problem besteht vor allem in der ammoniakhaltigen Gülle. Wenn die austritt bzw. ausgebracht wird, belastet das die Umwelt besonders stark. Eines der Gutachten hat gezeigt, daß die Böden eine so große Menge Gülle auf so engem Raum nicht aushalten. Dann würde sie in den See fließen und auch den Wald belasten. Wegen solcher Umweltschutzargumente wird die Anlage wahrscheinlich nicht genehmigt.

Unser Hauptkritikpunkt als Tierschutzorganisation richtet sich gegen die riesige Tierquälerei, die da veranstaltet werden soll. Es ist jetzt schon klar, daß die Anlage nicht die Vorgaben der EU-Schweinehaltungsrichtlinie erfüllen wird, was eigentlich ein ganz klarer Gesetzesbruch ist. Trotzdem gilt es leider auch als Standard in der deutschen Schweinemast, daß die EU-Schweinehaltungsrichtlinie nicht eingehalten wird. Da geht es zum Beispiel darum, daß die routinemäßigen Amputationen wie das Schwänzekupieren und das Zähneabschleifen eigentlich illegal sind, aber trotzdem gemacht werden, ohne vorher zu prüfen, ob es nicht andere Wege, damit umzugehen, gibt.

SB: Bestehen Bemühungen Ihrerseits oder anderer Organisationen, rechtlich Klage gegen diese Praktiken anzustrengen?

MK: Absolut keine Chance, weil es immer noch kein Verbandsklagerecht gibt für Tierschutzorganisationen. Wir können nicht Klage einreichen, so gern wir das wollten. Nach dem Rechtssystem in Deutschland kann eigentlich nur jemand klagen, der selber betroffen ist. Nur für ein Gut, die Umwelt, existiert eine Sonderregelung: Umweltschutzorganisationen können klagen, wenn die Umwelt stark geschädigt wird. Wir fordern schon ewig für den Tierschutz dasselbe. Das macht auch Sinn, weil die Tiere natürlich nicht für sich selber klagen können und es trotzdem eine Möglichkeit geben muß, neue Gesetze oder Verordnungen dahingehend zu prüfen, ob sie im Einklang mit dem Tierschutzgesetz oder mit der Verfassung stehen. Aber da haben wir überhaupt keine Handhabe.

SB: Wie schätzen Sie es ein, ist es dem niederländischen Investor prinzipiell nicht möglich, die von Ihnen genannten rechtlichen Hürden zu nehmen, oder könnte er es schaffen, daß seine Mastanlage genehmigt wird, wenn er noch bestimmte Auflagen erfüllte?

MK: Ich kann mir nicht vorstellen, daß er einen Weg findet, diese riesigen Umweltprobleme irgendwie zu bremsen. Das einzige könnte sein, und das mußte er schon mal machen, daß er mit der geplanten Tierzahl runtergeht. Wenn er die jetzt nochmal halbieren oder dritteln würde, dann könnte es vielleicht klappen. Aber dann lohnt sich das für ihn wahrscheinlich nicht auf einer so großen Fläche, das zu machen, was er geplant hat. Also, ich kann mir nicht vorstellen, daß er die Auflagen erfüllt, die der Tierschutzgesetzgebung schon gar nicht. Insofern bin ich optimistisch, daß die Anlage letztendlich nicht wieder gebaut, bzw. in Betrieb genommen werden darf. Bis eine Entscheidung fällt, wird es nach Prof. Freude sicher noch ein, zwei Jahre dauern.

Prof. Freude betritt roten Teppich - Foto: © Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Für den Behördenvertreter einen roten Teppich
Foto: © Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

SB: Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung, daß kein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird. Das gleiche ist aus Wietze bekannt, wo Europas größte Hühnerschlachtfabrik aufgebaut wird. Angesichts der starken Auswirkungen auf die Umwelt, die sie geschildert haben, und der zu erwartenden höheren Verkehrsbelastung durch LKWs von und zur Schweinemastanlage, wäre da Ihrer Meinung nach nicht die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens angemessen?

MK: Genau. Doch da wurde im Vorfeld ein bißchen gemauschelt. Da hatte es geheißen, für den Betrieb solle kein eigenes Raumordnungsverfahren gemacht werden, man wolle das an anderer Stelle unterbringen. Das hat die Bürgerinitiative Kontra Industrieschwein bis ins kleinste Detail verfolgt und gezeigt, daß für solche Investoren ständig irgendwelche Ausnahmen gemacht werden. Aber selbst trotz der Ausnahmen kommen die nicht weiter mit ihrer Betriebsgenehmigung.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Brandschutz. Die Feuerwehr hat ganz klar gesagt, wenn es da brennt, gehen wir da nicht rein. Das ist zu gefährlich. Bei einem Stallbrand müssen Tiere gerettet werden können, was nach Auskunft der Feuerwehr in diesem Fall unmöglich ist. Gegen diesen Einwand werden dann Pseudoargumente vorgebracht wie: Naja, in so einem Stall kann es ja sowieso nicht brennen, da ist ja alles aus Stahl und Beton.

SB: Dabei hört man immer wieder von Bränden in der Massentierhaltung. [1]

MK: Genau. Selbst wenn bei den Gebäuden das meiste aus Stahl und Beton ist, können Kabelbrände entstehen und ähnliches. Das sind alles Ausreden, die man nicht gelten lassen kann. Abgesehen von Bränden kommt es in Mastbetrieben zu Stromausfällen. Weil die Lüftung ausfiel, sind vor kurzem in Sachsen-Anhalt 117.000 Hühner an den eigenen Gasen oder Sauerstoffmangel erstickt.

SB: Ich möchte nochmal auf die Pressemitteilung zurückkommen, in der sie fünf Hauptkritikpunkte aufgeführt haben. Die beziehen sich alle auf Rechtsfragen. Zwar haben Sie auch die Frage des Tierleids angesprochen, die nimmt aber im Verhältnis zu den rechtlichen Einwänden weniger Raum ein. Haben Sie die Erfahrung gemacht, daß die Öffentlichkeit, an die Sie sich wenden, weniger gut auf Tierleid ansprechbar ist?

MK: Nein, die Öffentlichkeit spricht sehr gut auf Tierleid an und ist vielleicht sogar noch besser mit Tierleidargumenten zu erreichen als mit Umweltschutzargumenten, auch wenn diese ebenfalls extrem wichtig sind. Der Grund, warum das in der Pressemitteilung kürzer kommt, ist der, daß wir einfach die Argumente hervorgehoben haben, die juristisch zu einer Handhabe führen können. Und, wie gesagt, da ist der Tierschutz leider ganz, ganz schwach gestellt. Unsere Hauptmotivation ist natürlich der Tierschutz. Der gehört aus meiner Sicht eigentlich ganz nach oben.

SB: Was käme geruchsmäßig auf die Menschen in der Region zu, wenn die Mastanlage gebaut würde? Haben Sie schon mal in der Nähe einer Schweinemastanlage oder eines anderen Betriebs der Massentierhaltung gestanden und gerochen, wie stark es dort stinkt?

MK: Ich selber habe nur neben Ställen gestanden, die im Vergleich zu der geplanten Anlage in Haßleben winzig waren, aber bereits die haben enorm gestunken. Wenn ich mich richtig entsinne, war die Anlage damals in der DDR schon bekannt dafür, daß sie aus zehn Kilometern Entfernung gerochen werden konnte. Die Geruchsbelastung wäre massiv. Wenn man sagte, das sei ein Einschnitt in die Lebensqualität, ist das wahrscheinlich noch untertrieben. Das würde zu einer riesigen Belastung für die Anwohner, wenn da solche gewaltigen Güllemengen entständen. Viele ahnen nicht, daß Schweine viel, viel mehr Kot und Urin erzeugen als Menschen. Da kann man vom Zwei- oder Dreifachen ausgehen. Wenn da nun 67.000 Schweine lebten, fiele auf kleinstem Raum quasi so viel Abwasser an wie in einer Großstadt. Das ist wirklich Wahnsinn!

SB: Wie steht die Bevölkerung Haßlebens allgemein zu dem Schweinemastprojekt? Hatten Sie schon mal Gelegenheit, mit Anwohnern zu sprechen?

MK: Ja, ich habe mit einigen Anwohnern gesprochen. Die einen waren ganz klar dagegen, andere erhofften sich von dem Mastbetrieb einen Arbeitsplatz. Mit wenigen Ausnahmen waren alle Anwohner, die kein wirtschaftliches Interesse an der Anlage hatten, ganz klar dagegen. Denen, die behaupten, es würden Arbeitsplätze geschaffen, kann ich nur sagen, daß das eine Milchmädchenrechnung ist. Durch solche Megaanlagen mögen zwar ein paar Arbeitsplätze vor Ort entstehen, aber es werden noch sehr viel mehr Arbeitsplätze vernichtet, weil die ersten, die darunter leiden, die Kleinbauern sind, die versuchen, ihre Tiere noch einigermaßen artgerecht aufzuziehen. Die können dann einfach aus Kostengründen nicht mehr mithalten und müßten dicht machen, wenn solche Megaanlagen entstehen.

SB: Existieren alternative Nutzungskonzepte für diese Anlage, die ja noch aus früheren Zeiten vorhanden ist?

MK: Davon ist mir nichts bekannt.

SB: In Wietze bei Celle, in Teplingen und an anderen Orten, an denen eine Infrastruktur zur Massentierhaltung aufgebaut wird, haben sich Bürgerinitiativen gebildet. Stehen Sie mit diesen in Kontakt?

MK: Ja, wir sind Mitglied im Koordinierungskreis des Netzwerks Bauernhöfe statt Agrarfabriken. Das ist ein Netzwerk aus Bürgerinitiativen, Tierschutz- und Umweltschutzorganisationen und auch religiösen Einrichtungen. Die Idee dahinter ist einfach, nämlich genau das zu machen, was der Name schon sagt, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben. Zum einen, um sich Fachinformationen zukommen zu lassen, wofür die Umwelt- und Tierschutzorganisationen wichtig sind, und zum anderen, sich über Fragen auszutauschen wie: Wie funktioniert so ein Einwand, wenn jetzt die Baupläne auf den Tisch kommen? Welche Schritte muß man da gehen? Welche Rechtsanwälte sind gut, die man sich dann zu Hilfe nehmen kann? Für all das ist so ein Netzwerk da. Wir sind auch sehr stolz, daß wir mit dabei sind und immer wieder auch den Bürgerinitiativen helfen können.

SB: Anderenorts kommt es regelmäßig vor, daß Tierbefreiungsaktivistinnen und -aktivisten Feld- bzw. Bauplatzbesetzungen vornehmen. Unterstützt die von Ihnen vertretene Stiftung solche Aktionsformen?

MK: Wir können das sehr gut nachvollziehen und unterstützen das auch, solange das gewaltfrei bleibt. Ich glaube einfach, daß das ein Verzweiflungsschrei ist, der nicht ganz zu Unrecht kommt, weil einfach die Gesetzeslage so schlecht ist. Es bestehen so wenig Möglichkeiten für die Menschen, für sich selber und für die Umwelt und Tiere einzutreten. Deshalb können wir eine Besetzung, einen gewaltfreien Widerstand, unterstützen. Solange es, wie gesagt, in dem Rahmen oder unter der Prämisse dann auch gewaltfrei bleibt, wenn die Polizei kommt und das auflöst, so daß da kein Widerstand geleistet wird. Ich persönlich finde es bewundernswert, wenn Menschen so weit gehen, eine Besetzung durchzuführen und dabei ihre eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen, denn wie die Erfahrung zeigt, reagieren die Mäster dann oft sehr aggressiv.

SB: Demnach fällt es für Sie noch nicht in die Kategorie Gewalt, wenn sich beispielsweise jemand festbindet und abschleppen läßt?

MK: Das halte ich auf jeden Fall noch für vertretbar, solange das gewaltfrei bleibt. Das ist ein Muß. Und wenn es Gesetze gibt, die so klar gegen das sind, was die Öffentlichkeit will, dann muß man eben alle Formen des gewaltfreien Protests gehen. Das ist dann eben oft mit reiner Lobbyarbeit nicht zu schaffen, weil die Agrarlobby einfach so stark ist, daß man da im Bundesministerium kaum weiterkommt. Da muß man eben Formen des öffentlichen Protests finden und so eine gewaltfreie Besetzung kann da durchaus zugehören.

SB: Sie sehen das also schon so, daß Sie mit Tierrechtsaktivisten an einem Strang ziehen, die zumindest bis zu dem Punkt gehen, daß sie Besetzungen machen?

MK: Ja.

SB: Aber sie würden nicht so weit gehen, wie das teilweise in Großbritannien gelaufen ist, wo Wissenschaftler bedroht wurden, die in Tierversuchslaboren gearbeitet haben. Das wäre etwas, wo Sie sagen würden, nein, das ginge zu weit?

MK: Genau. Bei persönlichen Bedrohungen oder Gewaltanwendungen und solchen Dingen, da halten wir uns absolut raus, das finden wir sogar schädlich, so gut die Intentionen auch sein mögen, wenn man jetzt mal davon absieht, daß es sowieso kriminell ist, was da gemacht wird. So etwas geht eigentlich immer nach hinten los, weil wir unbedingt die Öffentlichkeit auf unserer Seite brauchen. Und wenn jetzt das Mittel der Gewalt angewendet wird, dann verlieren wir ganz schnell die Öffentlichkeit, obwohl wir ja die besseren Argumente haben. Deswegen muß jeder Protest unbedingt gewaltfrei bleiben, damit wir einfach zeigen können, daß wir auch das vertreten, was die Öffentlichkeit will.

SB: Was würden Sie für den Fall unternehmen, sollte die Anlage den behördlichen Segen erhalten?

MK: Das ist schwer zu sagen. Wir werden die Entwicklung die nächste Zeit weiter sehr genau beobachten und sicherlich auch weitere Aktionen machen. Vor allen Dingen wird es jetzt darum gehen, die Bürgerinitiative weiterhin juristisch zu unterstützen. Wir haben da einen kleinen Fonds, aus dem wir den Rechtsanwalt und Gutachter bezahlen können bis zu einem gewissen Budget, das sicherlich ausgereizt werden wird. Wenn es wirklich zu einer Zusage kommen sollte, dann würde natürlich eine Welt für uns zusammenbrechen, weil Haßleben einfach auch ein Symbol geworden ist für die ganze Bewegung gegen diese Massentierhaltungsanlagen. Aber wie es dann weiterginge, kann ich jetzt noch nicht sagen.

SB: In der Präambel Ihrer Satzung verpflichtet sich die Stiftung der "Ehrfurcht vor allem Leben" und der Forderung und Förderung von "Recht und Gerechtigkeit für unsere Mitgeschöpfe". Inwiefern bezieht das Menschen ein? Haben Sie dafür konkrete Beispiele aus Ihrer Stiftungstätigkeit?

MK: Ja, es ist ja so, daß eine Stiftung nicht immer zu 100 Prozent alle Satzungsaufgaben auf einmal erfüllen kann. Wir haben uns in den letzten Jahren auf die direkte Arbeit für die Tiere beschränkt, aber das hat natürlich sehr viele Auswirkungen auf die Menschen. Beispielsweise sind die Anwohner von den Massentierhaltungsbetrieben betroffen und, wie ich schon sagte, auch die ganze Gesellschaft. So entstehen laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium unter anderem durch den immens hohen Fleischkonsum Gesundheitskosten in Höhe von ungefähr 70 Milliarden Euro im Jahr. Darüber hinaus entstehen die schwerwiegenden Umweltauswirkungen nicht nur direkt an Ort und Stelle der Massentierhaltung, sondern auch global durch die ganzen Treibhausgase, die emittiert werden. Zudem haben wir die Welthungerproblematik, die unter anderem dadurch zustandekommt, daß so viel Getreide und Soja verfüttert und verschwendet wird für die Fleischproduktion. Wenn wir uns im Sinne des Tierschutzes für eine nachhaltigere Ernährung engagieren, ist das niemals nur reiner Tierschutz, sondern auch Menschen- und Umweltschutz.

SB: Wegen der geplanten Haltungsform der Schweine in engen Ställen auf Spaltenböden ohne Stroh und bei abgedämmtem Licht liegt die Sterberate und Krankheitsanfälligkeit unter den Tieren deutlich höher als bei offenen Haltungsformen. Anscheinend rechnet sich das dennoch für den Betreiber. Kann er auf Subventionen zugreifen?

MK: Im Moment werden die Subventionen noch völlig unabhängig davon vergeben, welche Haltungsform betrieben wird. Um dem entgegenzusteuern, haben wir vor kurzem ein Projekt initiiert, das sich "Berliner Appell" [2] nennt. Da appellieren Professoren an das Bundeslandwirtschaftsministerium, daß bei der Neugestaltung des EU-Agrarkonzepts als Mindestbedingung aufgenommen wird, daß, wenn Subventionen fließen sollen, eine Tierhaltung betrieben wird, bei der nicht nur die Mindestanforderungen in europäischen und nationalen Richtlinien und Gesetzen erfüllt werden, sondern darüber hinaus noch weiterer Tierschutz geleistet wird. Die Grundforderung lautet: öffentliche Mittel nur für öffentliche Güter. Und wir haben demnächst einen Termin beim Staatssekretär Dr. Kloos, wo wir zusammen mit einigen Professoren ihm die Unterschriften überreichen, damit die Praxis endlich eingestellt wird, daß Privatpersonen und Unternehmen Steuergelder einstreichen, damit sie etwas finanzieren, was eigentlich niemand will. Davon müssen wir uns verabschieden.

SB: Hier steht somit auch der ordnungspolitische Rahmen insgesamt auf dem Prüfstand?

MK: Genau, ja.

SB: Herr Klosterhalfen, ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch.


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Fußnoten:

[1] Eine Zusammenstellung der Brände und Verluste in der Massentierhaltung neueren Datums hat die Tierschutzorganisation pro M. U. T. veröffentlicht:
http://www.promut.net/PDF/Braende%20Defekte%20in%20Mastanlagen.pdf

[2] www.berliner-appell.de

Gestapelte Boxen mit Protestnoten - Foto: © Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Stapelweise Bürgerproteste gegen die Einrichtung eines Schweinemastbetrieb
Foto: © Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

23. August 2011