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INTERVIEW/133: Indikator Salz - IT-gestützt ... Dr. Wolfgang Scheer im Gespräch (SB)


SWIM

23. Salt Water Intrusion Meeting
16. bis 20. Juni 2014 im Husumhus in Husum

Dr. Wolfgang Scheer über die Datenerfassung und Modellbildung zur Grundwassersituation auf der Insel Föhr und die zu erwartenden Folgen bei einem Meeresspiegelanstieg



Salzwasserintrusion, das Eindringen von Salzwasser in Süßwasser, ist ein von den Geowissenschaften eher randläufig behandeltes Thema und wird auch von der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Das verwundert nicht angesichts der spektakuläreren "Konkurrenz" an geowissenschaftlichen Themen wie Vulkanismus und Erdbeben, die dem medialen Interesse an Sensationen erheblich mehr Nahrung liefern. Daß aber Salzwasserintrusion eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für das Grundwasser darstellt, wurde am umfangreichen Programm [1] des fünftägigen Treffens "SWIM 23 - Salt Water Intrusion Meeting", das vom 16. bis zum 20. Juni 2014 in Husum stattfand, deutlich. [2]

Luftbildaufnahme von Föhr - Foto: Walter Rademacher, freigegeben als [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)]

Die Nordfriesische Insel Föhr mit der Stadt Wyk auf der Geest und rechts im Bild dem Marschgebiet.
Foto: Walter Rademacher, freigegeben als [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)]

Salzwasser ist ungenießbar, nimmt der menschliche Organismus zuviel davon auf, kann das schwerwiegende gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Ähnliches gilt im übertragenen Sinn auch für den menschlichen Lebensraum. Trinkwasser wird bereits bei einer geringen Salzkonzentration verdorben und kontaminiertes Grundwasser nur noch eingeschränkt nutzbar. Salzwasserintrusion kann verschiedene Ursachen haben, menschengemachte und natürliche. Zu letzteren kommt es beispielsweise, wenn ein Salzstock durch Grundwasser angelöst wird oder wenn küstennahe Brunnen durch eine Sturmflut oder einen Tsunami überflutet werden. Durch menschliche Aktivitäten gelangt Salzwasser ins Grundwasser, wenn beispielsweise im Winter gegen Eisglätte gestreut und in der Landwirtschaft Dünger ausgebracht wird. Oder wenn wieder einmal eine Pipeline mit salzhaltigem Produktionswasser aus der Öl- und Gasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten zerbricht und ihren Inhalt in die Umwelt entläßt. So sind vor wenigen Tagen in der Nähe der Bärenhöhlenbucht, der Bear Den Bay, im US-Bundesstaat North Dakota mehrere Millionen Liter Salzwasser aus einer unterirdischen Pipeline ausgelaufen und bedrohen nun das örtliche Trinkwassereinzugsgebiet. [3]

Im Jahr 2012 wurden allein in North Dakota 141 Leckagen mit ausgelaufenem Produktionswasser im Zusammenhang mit dem sogenannten Fracking, der hydraulischen Frakturierung von Erdöl- oder Erdgasfeldern, gemeldet. [4] Insofern zählt Salzwasserintrusion eindeutig zu den potentiellen Gefahren für das Grundwasser. Sicherlich wird man in Deutschland in diesem Zusammenhang weniger an den Winterstreudienst denken, der mit Salz den Gefrierpunkt von Wasser herabsetzt und auf diese Weise die Autostraßen (allerdings zu Lasten der randlichen Vegetation) von Eis befreit, sondern vor allem an die Küstengebiete, wo der Hauptgrenzbereich zwischen Meer- und Süßwasser verläuft. In dieser Region wiederum ist an mehrere Folgewirkungen zu denken, wenn beispielsweise

- im Küstenbereich zuviel Grundwasser abgepumpt wird und sich der Gegendruck verringert, der bis dahin das Meerwasser daran gehindert hat, tiefer ins Landesinnere vorzudringen,
- der Meeresspiegel steigt, wie in vielen wissenschaftlichen Projektionen beschrieben, und sich der Druck des Salzwassers auf das Grundwasser erhöht, so daß dieses zurückgedrängt wird,
- in einer Region die bis dahin üblichen Niederschlagsmengen abnehmen oder als Folge des Gletscherschwunds Schmelzwasser ausbleibt, so daß die Flüsse austrocknen und dem Salzwasser Platz machen,
- im Oberlauf eines Flusses zuviel Wasser für die Landwirtschaft entnommen wird,
- Sturmfluten Inseln oder Küsten überspülen und Brunnen mit Meerwasser kontaminieren.

In den hiesigen Breiten stellt Salzwasserintrusion - bislang - kein gravierendes Problem dar. Anders dagegen auf der indonesischen Insel Barang Caddi, die im Spermonde-Archipel vor der Küste von Sulawesi liegt. Dort schmeckt das Grundwasser bereits brackig und salzig, berichteten Forscher des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) [5], die dort mit örtlichen Kollegen Untersuchungen durchgeführt haben. Und auch im Küstendorf Bhamia in Bangladesch stellt das Eindringen von Salzwasser ein Problem dar, um ein weiteres Beispiel zu nennen. [6]

In den Geowissenschaften wird versucht, mittels neuer Methoden tiefe Einblicke in das Geschehen unter unseren Füßen zu gewinnen. Bohrkerne ergeben aber nur ein punktuelles Abbild vom Untergrund. Je enger die Bohrstellen zueinander gesetzt werden, desto zuverlässiger gilt dann die Extrapolation der gewonnenen Daten auf die Fläche, aber noch besser wäre es, wenn man eine flächendeckende Untersuchung durchführen könnte. Tatsächlich wird das gemacht. Ergänzend zu seismischen Untersuchungen, die schon länger im Einsatz sind und bei denen künstlich seismische Wellen erzeugt werden, deren Laufzeiten auf die Beschaffenheit des Untergrunds schließen lassen, gehören inzwischen Geräte für geoelektrische und elektromagnetische Messungen zum Handwerkszeug der Geologen.

Beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

Dr. Wolfgang Scheer
Foto: © 2014 by Schattenblick

Wo und wie das gemacht wird, erläutert Dr. Wolfgang Scheer vom Geologischen Dienst Schleswig-Holstein im Interview mit dem Schattenblick, das am 16. Juni 2014 am Rande der Tagung "SWIM 23" geführt wurde:

Schattenblick (SB): Sie waren an der geologischen Erkundung der Nordseeinsel Föhr, insbesondere ihrer Grundwassersituation, beteiligt. In welchem Rahmen fanden die Untersuchungen statt?

Wolfgang Scheer (WS): Wir vom Geologischen Dienst Schleswig-Holstein führen schon seit ungefähr fünfzehn Jahren internationale Forschungsprojekte im Rahmen der INTERREG-Förderung durch die EU durch. Das erste Projekt war an der dänischen Grenze bei Flensburg, wo es um die Erkundung der grenzübergreifenden Grundwassersituation ging. Bis 2006 lief ein Projekt über tiefe eiszeitliche Rinnen, das sind bedeutende Strukturen im Untergrund, die auch bei der Frage der Versalzung eine Rolle spielen. Nachdem die Zusammenarbeit so gut gelaufen war, haben wir das ganze noch etwas aufgebohrt, vergrößert und uns an dem CLIWAT-Projekt beteiligt.

Dabei wurden in mehreren Pilotgebieten von Dänemark, Deutschland, Niederlande bis Belgien Untersuchungen zu der Fragestellung gemacht: Mit welchen Veränderungen im Grundwasserregime haben wir in Zukunft zu rechnen?

SB: Was war der Auslöser, weswegen Sie die Insel Föhr näher untersucht haben?

WS: Die Insel Föhr liegt ebenso wie die Insel Alsen im Pilotgebiet E; weitere Inseln, die bei CLIWAT untersucht wurden, sind Borkum und Terschelling. Inseln reagieren besonders sensibel auf den Meeresspiegelanstieg oder auch Änderungen der Grundwassersituation. Um Prognosen abgeben zu können, muß man zunächst einmal den geologischen Hintergrund beschreiben, also wissen, wie die Insel Föhr aufgebaut ist. Auf der Grundlage dessen, was wir dazu schon wußten, zum Beispiel aufgrund von Bohruntersuchungen für den Schutz und die Erschließung des Grundwassers der Wasserwerke, haben wir seismische Untersuchungen und eine SkyTEM-Befliegung durchgeführt. Dabei haben wir seismische Profile bis 200, 300 Meter Tiefe gewonnen, so daß man erkennen kann, wie die Schichten im Untergrund liegen.

Bei der SkyTEM-Befliegung werden elektromagnetische Messungen vorgenommen. Mit Hilfe einer Sendespule wird ein Magnetfeld in den Boden induziert, das dann wiederum ein sekundäres Magnetfeld erzeugt. Der Zusammenbruch des immer wieder an- und abgeschalteten, also gepulsten Magnetfeldes wird aufgefangen und ergibt eine bestimmte Kennlinie. So sind wir über die Insel geflogen und haben unsere Messungen erhalten, die dann interpretiert werden. Hohe Widerstände zeigen Süßwasser an, ganz niedrige Widerstände Tone, Klei und Salzwasser. Das ganze wurde in verschiedenen Tiefen durchgeführt, so daß wir sowohl ein Abbild der Süßwasserlinse auf der Insel als auch der Geologie erhielten.

SB: Sie sprachen von Wasserwerken - hatten die Bewohner von Föhr schon Brunnen angelegt, um Grundwasser zu gewinnen?

WS: Ja, die gibt es schon länger. Wir haben mit dem Wasserversorgungsverband Föhr zusammengearbeitet, der dort zwei Wasserwerke betreibt. Deren beiden Einzugsgebiete liegen jeweils in den Geestkernen der Insel.

SB: Würden Sie von Ihren eigenen Erkundungsdaten her sagen, daß das auch die Gebiete sind, die Sie empfohlen hätten, wollte man nach Grundwasser bohren, oder liegen sie daneben?

WS: Nein, die Föhrer Brunnen liegen im Prinzip völlig richtig. Der Geestkern weist dort Geländehöhen von bis zu zwölf Metern auf, dort ist das Süßwasser. Bohrt man dagegen in der Marsch in die Kleischicht, die 0,3 bis ein, höchstens zwei Meter über NN ist, stößt man gleich auf das Salzwasser.

Hubschrauber trägt an einem langem Seil eine große, sechseckige Ringkonstruktion - Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

SkyTEM-Befliegung - non-invasive geophysikalische Messungen bis zu mehreren hundert Metern Tiefe.
Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

SB: Welche Aufgabe kam Ihnen bei dem Projekt zu?

WS: Ich habe im Rechner ein dreidimensionales, geologisches Modell entwickelt. Da wurden die Daten aus allen unseren Unterlagen, zum Beispiel aus den Schnittzeichnungen zwischen den Bohrungen, der Seismik und der SkyTEM-Befliegung zusammengeführt. Daraus wurde ein Modell gebaut, in dem mehrere Erdschichten abgebildet sind. Das diente dann als Basis für ein Grundwassermodell, bei dem die Grundwasserströmung modelliert wurde.

Da gerade im Geestbereich auf Föhr das Niederschlagswasser gut versickern kann, hat sich dort eine Süßwasserlinse gebildet. Im Moment steht die Insel im Gleichgewicht zwischen der Ergänzung des Grundwassers von oben durch Niederschläge, dem Salzwasser, das von den Seiten her drückt, das aber vom Süßwasser aufgehalten wird, der Förderung, bei der Wasser aus der Süßwasserlinse entnommen wird, und den Drainagen, die das Wasser oberflächennah abführen. Letzteres wird gemacht, um die landwirtschaftlichen Flächen trocken zu halten, weil man beispielsweise im Frühjahr die Felder nicht betreten kann. Da steht als Folge der Winterniederschläge alles unter Wasser.

SB: Wozu braucht man ein solches Modell?

SB: Wir "drehen" dann die Eingangsparameter in Richtung Klimawandel. Zugrundegelegt haben wir die Prognoserechnung vom Deutschen Klimabüro für die Veränderungen der Niederschläge und des Klimas sowie für den Meeresspiegelanstieg bis Ende des Jahrhunderts. Wir nehmen eine etwas höhere Grundwasserneubildung an, denn der Prognose nach werden sich die Niederschläge im Sommer zwar vermindern, aber im Winter verstärken. Der Winter ist die Zeit, in der die Grundwasserneubildung stattfindet. Hingegen kommt im Sommer, wenn die Vegetation Blätter trägt, relativ wenig Wasser unten an, zumal es auch von den Pflanzenwurzeln oberflächennah aufgenommen wird.

Gleichzeitig gehen wir, wie gesagt, von einem Anstieg des Meeresspiegels aus. Das würde erst einmal für den zentralen Teil der Insel und die Wasserversorgung nicht viel bedeuten. Die Grundwasserspiegel werden sich leicht erhöhen, wodurch erheblich mehr Wasser zu den Seiten abfließen würde. Da aber gleichzeitig das Salzwasser steigt, bleibt die Situation eigentlich erhalten.

SB: Somit würde sich nur die trogförmige Grenzschicht zwischen Salz- und Süßwasser insgesamt etwas nach oben bewegen.

WS: Das ganze System bewegt sich vielleicht ein bißchen, aber für die Trinkwasserversorgung selbst wäre das nicht relevant. Der kritische Bereich auf der Insel sind die Marschgebiete. Wenn von oben mehr Frischwasser hinzukommt, muß man das aus dem System rauskriegen. Momentan wird das über Drainagegräben, die über die ganze Insel laufen, abgeführt, beispielsweise über den Gratkanal, die Hauptentwässerungsachse. Zudem gibt es hier und dort Schöpfwerke, die sind aber nur für kleine Bereiche zuständig. Das ganze läuft sonst frei über einen Auslauf in die Nordsee raus. Wenn jetzt der Meeresspiegel steigt, verringert sich das Gefälle und man wird nicht mehr so viel Wasser los. Dann muß man entweder aktiv pumpen oder die Siele länger offen lassen. Das würde bedeuten, daß man mehr Wasser rausnehmen müßte. Dadurch entlastet man jedoch den Druck, das Salzwasser steigt und gerät dann in den Wurzelbereich der Pflanzen. Das ist somit ein Effekt, der nachher Probleme bereitet.

SB: Zeigt sich schon gegenwärtig an der Landschaft, daß da Probleme auftreten?

WS: Nein, das zeigt sich noch nicht. Wie der Kollege von Storch [2] vorhin in seinem Vortrag sagte, geht das langsam vonstatten. Wir sind momentan noch nicht in einer akut gefährlichen Phase. Aber man muß ja langfristig denken, wenn man wie wir Daseinsvorsorge für die Zukunft betreibt, und bei solchen Entwicklungen schon früh anfangen, sich Gedanken zu machen, wie man gegensteuern kann. Das ist unsere Aufgabe. Dann sind die Kosten für die Gesellschaft nicht sehr erheblich. Aber wenn man zu lange wartet, kann es teuer werden.

SB: Stichwort "gegensteuern" - welche Ideen gibt es da, eine Salzwasserintrusion zu vermeiden?

WS: Wir hatten auch Pilotgebiete in den Niederlanden und Belgien, wo sich die Kollegen schon lange mit dieser Frage beschäftigt haben, da es dort ein größeres Problem ist. Man versucht dann, etwas zu tun, was bis heute eigentlich unüblich ist, nämlich im Winter möglichst viel vom Wasser im System zu halten, sprich aufzustauen, so daß man mit dem zusätzlichen Süßwasser die Salzwassergrenze runterdrücken kann. Man hofft, daß man dadurch über den Sommer kommt und das Salzwasser bis dahin nicht so weit aufsteigt. Das läuft natürlich dem zuwider, was man bisher macht, denn im Moment fährt man im Winter die Drainagen so tief, wie man kann, um den Boden möglichst trocken zu bekommen. Dadurch beraubt man sich aber des nötigen Süßwassers, um das Salzwasser abzuhalten. Das ist im Grunde bei der Modellierung mit eine der Hauptaussagen, die wir machen können.

SB: Es ist noch nicht wissenschaftlich erwiesen, was der günstigere Weg ist, entwässern oder aufstauen lassen?

WS: Man muß erst Erfahrungen sammeln. Solche Projekte sind im Prinzip dafür da, Methodiken zu entwickeln. Wir wollten wissen, wie ich mir die Daten beschaffen kann, die ich brauche, um Prognoserechnungen zu machen, die nachher sinnvoll und auch kostengünstig sind.

Thematische Karte Föhr - Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

Ergebnis der SkyTEM-Befliegung: Karte der spezifischen elektrischen Widerstände für den Tiefenbereich 20 - 30 m über NN.
rot: geringer Widerstand (läßt auf einen hohen Salzwasseranteil schließen - vorwiegend Marschgebiete)
blau: höherer Widerstand (läßt auf Süßwasser schließen - vorwiegend Geest)
Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitees

SB: Wenn man das Wasser nicht mehr bei Ebbe rauslaufen lassen kann, sondern aktiv abpumpen muß, würde das nicht ziemlich viel Energie verbrauchen und teuer sein?

WS: Einmal das, aber man muß sich auch überlegen, wie man landwirtschaftlich wirtschaften möchte. Genügt es, daß ich Ackerböden zu Grünland mache? Ist das gewollt? Alles, was vielleicht das günstigste für die Wassersituation wäre, ist nicht unbedingt das günstigste aus wirtschaftlicher Sicht.

SB: Gesamtgesellschaftlich für die Bundesrepublik könnte man vermuten, daß auf Föhr keine Landwirtschaft betrieben werden müßte, aber die Inselbewohner selbst dürften das ganz anders sehen. Wie stehen diese zu der Problematik?

WS: Aus meiner Sicht gilt es natürlich, erst einmal die Situation der Leute vor Ort zu betrachten und dann das dort günstigste zu machen. Wie die Leute dazu stehen - wir haben unsere Arbeiten auf Föhr vorgestellt, auch mit den Kollegen dort vom Deichverband. Die Thematik ist bei denen im Prinzip noch nicht so präsent, denn auch wir sind ja jetzt erst mehr oder weniger darauf gekommen, uns mehr damit zu beschäftigen. Da muß man natürlich erst einmal nachdenken. Es ist ja nicht so, daß man in Panik geraten muß. Da gibt es andere Situationen - wenn man an Sylt denkt mit dem Küstenabbruch, wo man sehr viel dramatischer sieht, was die Natur teilweise anrichtet. Der Anstieg des Meeresspiegels ist ein langfristiger Prozeß, und man muß rechtzeitig anfangen, darüber nachzudenken. Dann ist das auch alles zu handhaben, wir sind ja nicht in der Situation wie in anderen Bereichen der Erde, wo kleinste Veränderungen schon dramatische Folgen haben.

SB: Denken Sie da an die Südpazifikinseln, wo der
Meeresspiegelanstieg schon spürbar ist?

WS: Genau, oder auch die großen Regionen in den Flußmündungen, wo weltweit Hunderte Millionen Menschen nur geringfügig über dem Meeresspiegel leben und teilweise heute schon mehr Grundwasser fördern, als günstig ist, und entweder eine Untergrundversalzung latent vorliegt oder bereits wirksam wird. Die Menschen trinken schon teilweise Wasser, das jenseits unserer Grenzwerte salzhaltig ist, beispielsweise in Bangladesch.

SB: Stehen Sie mit den dortigen Geologen und Hydrologen in Kontakt?

WS: Wir als schleswig-holsteinische Dienststelle nicht, aber wer mit denen in Kontakt ist, sind die Hannoveraner Behörden, beispielsweise die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die arbeiten dort auch aktiv. Als wir im Flensburger Raum unser erstes Projekt zur Süß-/Salzwasserverbreitung und Geologie hatten und dabei solche Hubschrauberbefliegungen machten, kam es im Indischen Ozean zur großen Tsunami-Katastrophe, bei der zahlreiche Brunnen versalzt wurden. Als das Projekt vorbei war, ist der Hubschrauber sofort abgezogen worden und hat dort die ganzen Küstenebenen beflogen, um Restlinsen von Süßwasser zu suchen. Man brauchte ja schlagartig für die Leute Trinkwasser, und da hat man dann nach diesen Hubschrauberdaten Karten angefertigt und auf deren Grundlage Brunnen eingerichtet, um erst einmal überhaupt kurzfristig das Überleben zu ermöglichen. Das sind Zeichen dafür, daß da die Entwicklung dramatischer ablaufen kann als bei uns.

SB: Ist das Projekt mit Föhr erst einmal abgeschlossen, nachdem anhand sämtlicher Daten eine Karte erstellt wurde?

WS: Ja, als Methodenentwicklung ist das abgeschlossen. Wir haben durch unsere Arbeit Basisdaten geschaffen. Wenn die Fragestellung an uns herangetragen wird, wie man dort detailliert das ganze bearbeiten kann, wissen wir also, wie wir es machen wollen. Das war ein Pilotgebiet für die ganzen Niederungsgebiete an der Westküste.

SB: Ihre Aufgabe bestand darin, wie Sie sagten, die Daten in ein Modell zu übertragen, und es war das erste Mal, daß so etwas gemacht wurde. Wird das Wissen, das Sie durch diese Arbeit geschaffen haben, an die nächste Generation von Wissenschaftlern, beispielsweise an Doktoranden, weitergegeben, so daß das, was einmal gemacht wurde, nicht wieder verlorengeht?

WS: Wie auch in dem vorherigen Projekt haben wir zusammen mit den internationalen Kollegen Methoden entwickelt, die wir durchaus in der Lage sind weiterzugeben. Das Wissen ist ja bei uns hinterlegt und vorhanden. Wenn dann junge Kollegen nachkommen, geben wir das an die weiter.

SB: Ist es vorstellbar, daß die das dann unter anderen Fragestellungen in anderen Regionen weiterverfolgen?

WS: Ja, aber das sind Handwerkszeuge, die bekannt sind. Man sucht sich dann die möglichst beste Kombination raus und schaut, wie man am effektivsten ist. Als ich vor vielen Jahren in dem Metier angefangen habe, wurde im Prinzip alles nur durch Bohrungen gemacht. Man hat Wasserspiegel und Wasserqualität gemessen, zwischen den Bohrungen dann zu interpolieren versucht, während man heute geophysikalische Verfahren anwendet, die es einem ermöglichen, zwischen den Einzelpunkten Verbindungen zu ziehen und Zusammenhänge herzustellen. Wenn man sein Modell nicht richtig gemacht hat, würde man sehen, wo es noch nicht funktioniert. Entweder stimmen dann die Eingangsdaten nicht oder man müßte das anders interpretieren. Wenn das Modell dann richtig rechnet, hat man eigentlich ein gutes Werkzeug, um Prognosen abzugeben.

SB: Vielen Dank, Herr Scheer, für die ausführlichen Erläuterungen.

Eine Person und Bohrgerät auf dem Föhrer Strand unmittelbar am Wasser - Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationsteams

Bohrkerne ziehen und lesen gehört zu den wichtigsten Methoden der Geologie.
Foto: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationsteams


Fußnoten:

[1] http://www.swim23.com/programme/

[2] Zum 23. Salt Water Intrusion Meeting im Husumhus sind bisher im Schattenblick in den Pools
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT
und
INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW
unter dem kategorischen Titel "Indikator Salz" erschienen:

BERICHT/081: Indikator Salz - eingekreist und nicht geflohen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0081.html

INTERVIEW/119: Indikator Salz - Sachlicher Leisten rührt noch am meisten ... Prof. Hans von Storch im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0119.html

INTERVIEW/131: Indikator Salz - Küste, Klima, Wechselwirkung ... Broder Nommensen, Johannes Michaelsen und Helga Wiederhold im Gespräch (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0131.html

[3] http://bigstory.ap.org/article/saltwater-pipeline-leaks-nd-indian-reservation

[4] http://news.yahoo.com/questions-answers-saltwater-spills-223804266.html

[5] http://www.zmt-bremen.de/26.7.12.html

[6] http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/03/trinkwasser-salzwasser-intrusion

13. Juli 2014