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INTERVIEW/243: Forschung, Klima und polar - noch viele Fragen ...    Prof. Dr. Martin Riese im Gespräch (SB)


Umweltphysik auf und mit der Polarstern
Recherche-Reise der Deutschen Physikalischen Gesellschaft am 2./3. Juni 2016 nach Bremerhaven

Prof. Dr. Martin Riese über Wellen, Wasserdampf, Wolkenbildung und andere kleine Ursachen, die Wechselwirkungen, Variabilitäten und weitere Schwankungen im Wetter- und Klimageschehen mit sich bringen.


Seit der Mensch begonnen hat, sich das Leben mit Maschinen und Automaten zu erleichtern, erzeugt er mehr schlechte Luft als jedes andere Lebewesen dieser Erde. Die staub-, gas- und tröpfchenförmigen Begleitsstoffe und Emissionen, die mit der zunehmenden Industrialisierung, dem wachsenden Kraftfahrzeug- und Luftverkehr, der Herstellung von Farben und Kunststoffen oder auch mittels scheinbar harmloser zivilisatorischer Nebenprodukte oder Luxusartikel wie Spraydosen einhergehen, bringen aber nicht nur zahlreiche Umwelt- und Gesundheitsprobleme mit sich. Sie vermehren diese vielmehr noch, wenn sie sich als irdische Abgase gewissermaßen kurz vor der Entsorgung in die Endlosdeponie Weltraum aus den oberen Atmosphärenschichten mit ebenfalls unangenehmen wie schädigenden Folgen von ihren Erzeugern noch einmal verabschieden. Daß langlebige Fremdstoffe beispielsweise den Strahlungshaushalt oder -transport verändern oder auf andere Weise miteinander wechselwirken können, wurde erstmals in den 1980er Jahren mit der Ausdünnung der Ozonschicht und einem gewaltigen Loch im UV-Schutz der Erde über der Antarktis deutlich. Steigende Hautkrebsstatistiken in Australien waren die erste dramatische Folge, die auf die Emission von chlorhaltigen Chemikalien bzw. aus FCKW-haltigen Kühlschränken und Spraydosen zurückgeführt werden konnten. Das Montrealer Protokoll, das 1987 überraschenderweise von allen UN- und EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde und mit einem weltweiten Verbot dieser Chemikaliengruppe schlimmere Folgen für die Ozonschicht verhindern konnte, brachte allerdings ein weiteres, nachzujustierendes Problem mit sich, das derzeit wieder einmal auf der politischen Ebene thematisiert wird [1]. Denn die Ersatzstoffe, chlorfreie FKWs, sind extrem potente Treibhausgase, äußerst langlebig und können die Klimawirkung von CO2 um ein Vielfaches übersteigen. FKW-23 (CHF3) zum Beispiel hat in der Atmosphäre eine durchschnittliche Lebensdauer von 270 Jahren. Eine Tonne FKW-23 hätte in den ersten 100 Jahren nach der Emission einen etwa zehntausendmal stärkeren Erwärmungseffekt als eine Tonne CO2. Die Super-Heizleistung dieser Gase könnte Hochrechnungen zufolge bis zur Mitte des Jahrhunderts - bei starker Nutzung - mehr als 20 Prozent der Heizleistung betragen, die man für CO2 im Jahr 2050 prognostiziert hat. Doch das wäre nur einer von vielen kleinen Ursachen in der höheren Atmosphäre, die eine Anpassung von Klimamodellen und -prognosen nach sich ziehen könnte.


Blick aus dem Cockpit beim Überflug des Amazonasgebiets. Das Bild zeigt den Nasenmast des Forschungsflugzeugs HALO vor einem sich auflösenden Gewitter. - Bild: DLR (CC-by-3.0)

Einblick in die Vielschichtigkeit der Einflüsse des atmosphärischen Wasserhaushalts gewinnt z.B. das High Altitude and Long Range Research Aircraft (HALO), mit dem Meßdaten aus Wasserdampf und Eiswolken gewonnen werden.
Bild: DLR (CC-by-3.0)

In jüngster Zeit wird zunehmend klar, daß menschliche Einflüsse in der oberen Troposphäre, Tropopause und Stratosphäre, wie die Atmosphärenphysiker die Luftschichten in 10 bis 50 Kilometer Höhe nennen, mit denen unser Planet ummantelt ist, durch die hier stattfindenden atmosphärenphysikalischen und -chemischen Prozesse noch eine vermutlich bedeutendere Rolle für den globalen Wandel der Umwelt, des Klimas und des Wetters einnehmen könnte, als man vielleicht ahnt.

So bekommt die bislang wenig prominente Entdeckung der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Riese vom Forschungszentrum Jülich, daß bereits geringe, zusätzliche Mengen an Wasserdampf in einem kleinen, neuralgischen Bereich zwischen Stratosphäre und Tropopause gewaltige, nachhaltige Veränderungen für das regionale Klima mit sich bringen und den Treibhauseffekt um ein Vielfaches verstärken, vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Rekordhitzewellen wie der Sommer 2003 werden neben klimabedingten Extremwetterereignissen inzwischen auch von Klimaforschern als ein in naher Zukunft zu erwartendes Alltagsszenario prognostiziert, hohe Tagestemperaturen (wie derzeit in Dubai am 24. Juli 2016 von 54 Grad Celsius) könnten an der Tagesordnung sein.

Um auch für kurzfristige Anpassungsmaßnahmen oder längerfristige Strategien genaue Vorhersagen treffen zu können, gibt es laut Prof. Riese noch zu viele Unbekannte oder zumindest unverstandene Faktoren im physikalischen Erdsystemmodell. Für ausreichende Erklärungen brauche man einen tieferen Einblick, der alle komplexen Wechselwirkungen der verschiedenen Komponenten und Kompartimente wie Ozean, Kryosphäre, Landoberfläche und Atmosphäre berücksichtigt. Aber es zeigen sich schon Hinweise dafür, daß die Antwort auf viele dieser offenen Fragen "der Himmel weiß", denn sie ergeben sich aus Meßdaten, die in der höheren Atmosphäre gewonnen werden.

Im Rahmen der diesjährigen von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ermöglichten Recherche-Reise nach Bremerhaven zum Thema "Umweltphysik auf und mit der Polarstern" ergab sich die Gelegenheit für den Schattenblick, dem Leiter des Schwerpunktbereichs Stratosphäre, IEK -7, des Forschungszentrums Jülich, Prof. Dr. Martin Riese, einige Fragen zu stellen.


Im Vortrag zu diesem Thema - Foto: © 2016 by Schattenblick

'Das regionale Klima und Wetter wird, mehr als gedacht, von noch weitgehend unverstandenen Kopplungen zwischen Stratosphäre und Troposphäre beeinflußt.' (Prof. Dr. Martin Riese)
Foto: © 2016 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Sie haben in Ihrem Vortrag von den Einflüssen der Atmosphärenschichten, die in einigen Kilometern Höhe liegen, auf das regionale Klima und Wetter gesprochen. Könnte ein aufmerksamer Beobachter die Ankündigung solcher Veränderungen in der oberen Troposphäre oder Tropopause auch schon vom Boden aus mit bloßem Auge erkennen, eine Änderung im "Himmelsblau" etwa?

Prof. Dr. Martin Riese (MR): Nein, selbst wenn man die Veränderungen in der Wolkenbedeckung oder bestimmte Eigenschaften der Wolken sehen könnte, müssten sie auf jeden Fall statistisch erfasst werden, um wirklich deutliche Unterschiede zu erkennen, und dafür müssen zunächst Daten mit Satellitenmessungen gewonnen werden. Mit bloßem Auge erkennen lässt sich das nicht.

Natürlich würde sich, wenn bereits eine Dürreperiode oder Trockenheit vorherrscht, so etwas auch am Himmel abzeichnen, etwa, indem überhaupt keine Wolken zu sehen sind, aber dies kann man im Einzelfall noch nicht auf eine Klimaänderung zurückführen. Wahrnehmen kann man, wenn durch große Vulkanausbrüche viele Aerosole in die Atmosphäre gelangen, die ebenfalls einen Einfluss auf die Variabilität des Klimas haben. Diese lassen sich dann tatsächlich in einer sichtbaren Veränderung, das heißt in einem besonders intensiven Himmelsrot beim Sonnenuntergang wahrnehmen. Aber die geringfügigen Änderungen des Hintergrundaerosols, über die ich gesprochen habe, die auch über lange Zeiten einen Effekt auf das Klima haben, lassen nicht einfach per Auge erkennen.

SB: Gab es bei den Stratosphärenvorgängen, die Sie beobachten, etwas, das Sie tatsächlich überrascht hat? Oder das Sie nicht erwartet hätten?

MR: Ich habe mich zu Beginn meiner Arbeit in Jülich vor allem mit den Ozonverlusten in der Stratosphäre befasst. Im Laufe der Zeit wurde die Erforschung des Höhenbereichs um die kalte Tropopause zunehmend ein Schwerpunktthema, weil man erkannt hatte, dass in diesem Bereich der Atmosphäre bereits kleine Veränderungen in den Spurensubstanzen eine große Wirkung haben können.

Womit ich persönlich nicht unbedingt gerechnet hatte, war vor allem die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen der stratosphärischen und der troposphärischen Dynamik, anders gesagt, welche Auswirkung beispielsweise die Stärke des Polarwirbels, des Polarjets, auf das Wetter und das Klima nimmt. Der Polarwirbel ist ein Tiefdruckgebiet, das sich in jedem Winter in der Stratosphäre über dem Nordpol bildet. Die Kopplung mit der Troposphäre ist zwar noch nicht vollständig verstanden, aber dass die damit zusammenhängenden komplexen Prozesse einmal eine große Bedeutung für die Meteorologie haben könnten, hatte man vor zehn oder fünfzehn Jahren tatsächlich noch nicht so auf dem Radar.

SB: Machen sich in diesem Bereich bereits Veränderungen durch den Klimawandel bemerkbar?

MR: Der Klimawandel wird sicherlich auch hier einen Einfluss haben. Aber diese Zusammenhänge sind noch nicht im Einzelnen geklärt. Es gibt aber zahlreiche, meteorologische Analysen, Simulationsrechnungen und Arbeiten darüber, dass die Stärke des Polarwirbels, gekoppelt an die Position des Jets in der Troposphäre, einen Einfluss auf die bodennahen Druckverhältnisse ausübt, genauer gesagt auf die Druckdifferenz zwischen Islandtief und Azorenhoch, und damit auf die sogenannte Nordatlantische Oszillation oder "NAO". Die Stärke des Polarjets kann sich als Folge des Klimawandels ändern. Sie kann sich beispielsweise durch die höhere Konzentration an Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre ändern, sie kann aber auch schon durch eine Variation in der Ozonschicht beeinflusst werden oder auch dadurch, dass, vom Klimawandel bedingt, eine höhere oder niedrigere Wellenaktivität in der Stratosphäre vorherrscht. Aber wie sich der Anstieg von Treibhausgasen im Einzelnen genau auf die Dynamik und Wellenaktivität auswirkt, muss noch abgeklärt werden.

SB: Sie hatten im Zusammenhang mit den möglichen Wegen, auf denen im Bereich der tropischen Tropopause Wasserdampf in die Stratosphäre eingetragen wird, und den daran beteiligten Einflüssen von Kelvin-Wellen, planetaren Wellen oder Schwerewellen gesprochen. Sind das synonyme Ausdrücke für das, was Sie gerade als Einfluss von Wellenaktivität beschrieben haben?

MR: Nein, das sind verschiedene Einflüsse. Vielleicht erläutere ich erstmal den Unterschied zwischen verschiedenen Wellentypen.

Schwerewellen ist etwas, das Sie sicher als Kondensstreifen kennen. Wolken zeigen manchmal diese wellenartigen Strukturen. Für Schwerewellen ist die Schwerkraft verantwortlich. Wenn Luftmassen beispielsweise einen Berg überströmen, dann werden sie nach oben ausgelenkt und dehnen sich aus. Ist die Atmosphäre stabil geschichtet, dann sind die Luftmassen kälter und schwerer als ihre Umgebung und sinken wieder nach unten. Dabei sinken sie sogar über ihren Ausgangsort hinaus, werden wärmer und leichter als die Umgebung und steigen schließlich wieder nach oben. Auf diese Weise entstehen Schwingungen, die sich als Wellen ausbreiten können. Kondensstreifen sieht man dann dort, wo die Luft kalt ist und der Wasserdampf kondensiert, insgesamt ergibt sich ein Wolkenstreifenmuster. Bei Schwerewellen ist die "Rückstellkraft", wie der Physiker sagt, also die Schwerkraft.

Die Schwingungen, die auf diese Weise in der Luft entstehen, können sich nach oben bis in die Stratosphäre oder Mesosphäre ausbreiten. Da die Luft in diese Richtung immer dünner wird, nimmt die Amplitude zu. Das heißt, die Schwingungen oder Wellenamplituden werden größer. Schließlich brechen sie an einem Punkt dieser Entwicklung, statt sich noch weiter auszubreiten, und dieser Bruch kann dann einen bremsenden oder auch beschleunigenden Effekt auf die Strömungen innerhalb der Stratosphäre haben, je nachdem, in welche Richtung der Impulsübertrag gerichtet ist. Soviel zum Einfluss der Schwerewellen.

Planetare Wellen sind sehr großräumige Auslenkungen, bei denen die Corioliskraft als Rückstellkraft wirkt, deren Stärke auf der rotierenden Erdkugel vom jeweiligen Breitengrad abhängt. [2] Man kann diesen Wellentypen gut durch die Erhaltung des Drehimpulses beziehungsweise die Erhaltung der "Vorticity" [3] erklären. Man muss sich das so vorstellen: In einer Luftmasse, die nach Süden wandert, ändert sich die Corioliskraft. Dies wird durch eine Drehung nach Norden kompensiert. Befindet sich die Luftmasse dann weit genug im Norden kehrt sie ihre Richtung wieder nach Süden um. Auf diese Weise entstehen Wellen entlang der Breitenkreise mit horizontalen Wellenlängen im Größenbereich von 5.000 bis 10.000 Kilometern, also wirklich ausgesprochen großräumige Wellen.

Auch diese Art von Wellen können sich in größere Höhen bis in die Stratosphäre hinein ausbreiten. Wenn planetare Wellen dort brechen, bremsen sie dabei vor allem den "zonalen Wind". Dadurch wird eine Geschwindigkeitskomponente Richtung Pol generiert, die letztlich die sogenannte Brewer-Dobson-Zirkulation antreibt. Der zonale Wind ist die breitengradparallele Komponente des Winds, d.h. der Wind, der in der Stratosphäre im Winter von Westen nach Osten bläst. Und die Brewer-Dobson-Zirkulation ist die klassische stratosphärische Zirkulation, bei der die Luftmassen in den Tropen aufsteigen, zu den Polen wandern und dort wieder absteigen.

Das heißt, beide Wellentypen haben eine große Bedeutung für die Dynamik der Stratosphäre, auch der Mesosphäre. In der Mesosphäre sind Schwerewellen wichtiger als planetare Wellen, in der Stratosphäre sind planetare Wellen wichtiger.

SB: Können Sie schon feststellen, inwieweit sich die globale atmosphärische Zirkulation aufgrund des Klimawandels bereits verändert hat? Oder ist sie noch im Begriff, das zu tun?

MR: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Alle Klimamodelle sagen nämlich eine Beschleunigung der Brewer-Dobson-Zirkulation voraus. Durch den Anstieg von Treibhausgasen ergeben sich beispielsweise neue Windfelder, neue Filterungen, neue Wellenanregungen und all das führt in den Klimamodellen zu einer Beschleunigung der Zirkulation. Aber die Messungen in den letzten 20 Jahren haben das eigentlich nicht wirklich verifizieren können.

Einige Ballon-Messungen und Satellitenmessungen weisen sogar eine Verlangsamung der Zirkulation in Teilen der nördlichen Hemisphäre nach. Das heißt, die Beobachtungen ergeben zunächst ein sehr widersprüchliches Bild. Da gibt es Regionen, in denen sich die Zirkulation beschleunigt, und andere, in denen sie langsamer wird. Im Moment sieht es so aus, als ob es sich dabei um Variabilität auf kürzeren Zeitskalen von Jahrzehnten handelt, die von Klimamodellen noch nicht gut wiedergegeben wird. Kurz gesagt, gibt es noch eine Menge Forschungsbedarf auf dem Gebiet.

SB: Welche Bedeutung hätte beispielsweise eine Schwächung des Polarjets für das Leben auf der Erde oder speziell für Europa?

MR: Eine Schwächung des Polarwirbels würde nach den heutigen Theorien dazu führen, dass man eine abschwächende Druckdifferenz zwischen dem Islandtief und Aleuten-Hoch, also eine schwächere Nordatlantische Oszillation hätte. Das würde in Europa trockenere und kältere Winter begünstigen, allerdings nur statistisch gesehen. Wie die Erfahrung zeigt, ist das Wetter in Europa sehr variabel. Mal haben wir einen sehr kalten Winter, mal einen warmen.

Einflüsse auf das Klima kann man nur über längere Zeiträume feststellen. Außerdem gibt es immer mehrere Einflussfaktoren. Eine Schwächung des Polarwirbels würde einem trockenen, kälteren Winter Vorschub leisten, inwieweit dies aber durchschlägt, muss noch untersucht werden. Auch der Ozean spielt noch eine bedeutende Rolle. Anders gesagt wird die Nordatlantische Oszillation nicht nur durch Kopplungen zwischen Stratosphäre und Troposphäre beeinflusst, sondern auch von Anomalien der Meeresoberflächentemperatur. Der Ozean generiert sehr viel Variabilität. Die Schwächung des Polarwirbels ist somit nur eine von vielen Komponenten. Wie groß die relative Bedeutung ist, steht damit noch nicht fest.


Die Temperatur nimmt in der Troposphäre von 16 Grad Celsius am Erdboden bis zur Tropopause ab. In der Stratosphäre steigt die Temperatur wieder an, als Folge der Absorbtion von UV durch das Ozon. Dann sinkt die Temperatur in der Mesosphäre bis zur Mesopause und nimmt in der Thermosphäre wieder zu. - Grafik: by Sebman8, CC-BY-SA-3.0 (<a href='http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/'>http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/</a>)], via Wikimedia Commons

Welche Kriterien charakterisieren die Atmosphärenschichten?
Neben der Temperatur spielen physikalische Kriterien, aber auch die chemische Zusammensetzung der einzelnen Luftmassen (wie Ozon in der Stratosphäre) eine Rolle.
Grafik: by Sebman8, CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

SB: Eine besondere Rolle für das Klima - das wurde aus Ihrem Vortrag deutlich - nimmt die kleine Schicht des Übergangs von der Troposphäre in die Stratosphäre ein. Sie sagten, nur geringfügige Änderungen in der Konzentration von Spurengasen, etwa eine zusätzliche Wasserdampfmenge von 0.5 ppm in der unteren Stratosphäre, könnten hier einen signifikanten Einfluss auf den Treibhauseffekt ausüben. Angesichts der geringen Konzentration von Teilchen oder Molekülen in diesem Bereich, immerhin sprechen Sie von einem Teilchen auf eine Millionen - das heißt von "ppm" oder Parts per milllion, also einem Teilchen auf eine Million Teilchen. Wie erklärt man sich einen derart großen Effekt vor dem Hintergrund von sozusagen "Nichts".

MR: Zum einen ist es sehr viel mehr als "Nichts". Die obere Troposphäre enthält eine große Menge an Wasser. In der unteren Stratosphäre ist dies deutlich weniger, aber der Bereich um die kalte Tropopause ist insgesamt eine besonders strahlungssensitive Region. Ein Wassermolekül im Bereich der tropischen Tropopause in 18 km Höhe hat beispielsweise einen mehr als zehnmal so großen Effekt wie das gleiche Molekül, welches sich 8 km tiefer in der Atmosphäre befindet.

Es ist daher wichtig, Änderungen und Variabilität in diesem Höhenbereich zu verstehen, die sich aus den Wechselwirkungen sehr komplexer Prozesse ergeben - wie Konvektion in den Tropen, dem horizontalen Austausch von Luftmassen in großen Höhen oder Änderungen der Brewer-Dobson-Zirkulation - noch weitere, bisher unverstandene Prozesse und bestimmen letztlich darüber, ob sich die Konzentration eines Spurenstoffs in dem fraglichen Bereich ändert oder nicht. Das Verständnis dieser Prozesse ist wichtig, da bereits, wie gesagt, eine Änderung von einem zusätzlichen Molekül auf zwei Millionen Moleküle oder 0,5 ppm Wasserdampf in der unteren Stratosphäre erheblich zur Klimavariabilität beitragen kann.


Realistische Abbildungen von physikalischen und chemischen Wechselwirkungen in der kalten Tropopause sind essentiell für verbesserte Prognosen. Etwa: Konvektiver Aufwärtstransport von Spurenstoffen, horizontaler Austausch zwischen tropischen und extratropischen Luftmassen in großen Höhen. - Foto: © 2016 by Schattenblick

Zwischen Himmel und Erde: Stoffkreisläufe, Zirkulationen, Modelle, deren Zwischenprodukte wieder miteinander wechselwirken können.
Prof. Riese vor einer grafischen Darstellung der Brewer-Dobson-Zirkulation.
Foto: © 2016 by Schattenblick

SB: Abgesehen von dem Temperaturgradienten, der in der Tropopause ein Minimum hat, nimmt auch der Luftdruck mit steigender Höhe immer mehr ab. Und Luftdruck heißt doch, dass in der Luft weniger Masse, also weniger Teilchen vorkommen. Wenn also - je nachdem ob die Tropopausenschicht in 10 oder in 18 Kilometern Höhe ist - nur noch 27 oder auch 10 Prozent des ursprünglichen Luftdrucks vorherrschen, wie kann sich dann eine Konzentrationserhöhung von nur wenigen Teilchen bemerkbar machen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt zwei von diesen Teilchen etwa für eine chemische Reaktion oder eine physikalische Interaktion zusammentreffen, scheint doch sehr gering zu sein?

MR: In diesem Höhenbereich laufen trotz der geringeren Dichte chemische Reaktionen ganz normal ab. Dies hat aber für den Treibhauseffekt keine unmittelbare Relevanz. Der entscheidende physikalische Prozess ist die Absorption von Strahlung. Wasserdampfmoleküle im Bereich der Tropopause greifen direkt in die Strahlungsbilanz ein und erzeugen einen wärmenden Effekt am Erdboden. Das ist ähnlich wie bei CO2. Auch CO2 ist nur ein Spurengas mit einer aktuellen Konzentration von derzeit nur etwa 400 ppm. Das ist nicht so viel und trotzdem sorgen diese 400 ppm dafür, dass die Atmosphäre sozusagen "optisch dicht" wird, in einem Bereich des von der Erde abgestrahlten Infrarotspektrums, in dem CO2 starke Absorptionsbanden hat. [4]

Wenn man beispielsweise aus dem Weltraum auf die Erdatmosphäre schaut und die Wärmeabstrahlung spektroskopisch misst, dann stellt man fest, dass in den Wellenlängenbereichen des Spektrums, in dem CO2 absorbiert, nur bei einer sehr niedrigen Temperatur in den Weltraum abgestrahlt wird. Dadurch steigt letztlich die Temperatur der Erdoberfläche an. Das ist der Treibhauseffekt. Auf diese Weise können sehr geringe Mengen von Treibhausgasen eine sehr große Auswirkung auf die Strahlungsbilanz der Atmosphäre und die Temperatur am Erdboden ausüben.

SB: Anders als diese Kopplung von Stratosphären- und Troposphärenvorgängen und ihre Bedeutung für das regionale Klima und Wetter, von der bislang nur wenig an die breite Öffentlichkeit gebracht worden ist, wurde zumindest in der Vergangenheit ein Bereich in der Stratosphäre mit größter Aufmerksamkeit verfolgt: Das Ozonloch. Seit dem aufgrund des Montrealer Protokolls keine FCKW-haltigen Sprühdosen produziert wurden, gilt die Problematik gemeinhin als gelöst. Im vergangenen Herbst gab es eine kleine Meldung vom Deutschen Wetterdienst, dass das Ozonloch über der Antarktis erneut das Maximum von 2006 erreicht hatte. War das eigentlich eine Überraschung für die Stratosphärenforschung? Und wie steht es um den Patienten "Ozonschicht" eigentlich?

MR: Einer meiner Kollegen hatte 2015 zu diesem neuerlichen Rekord etwas veröffentlicht, mit dem er die gemeinhin kolportierte Behauptung, der Patient sei über dem Berg, das Ozonloch erhole sich langsam wieder, relativierte. Dass man ein allmähliches Schließen des südpolaren Ozonlochs im Oktober bereits beobachten könne, ist tatsächlich nicht der Fall. Die Größe des Ozonlochs 2015 in der Antarktis war keine Überraschung für die Stratosphärenforschung, denn in 20 bis 30 Kilometern Höhe finden wir nach wie vor große Mengen an Chlor, die massiv zum Abbau von Ozon beitragen können, sofern der Winter in der polaren Stratosphäre der südlichen Hemisphäre kalt genug ist. Das wird noch Jahrzehnte so sein, denn die Verursacher des Ozonverlusts, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder FCKWs, sind äußerst langlebig und immer noch Chlorlieferanten für den Ozonabbau.

Momentan ist die Variabilität noch zu hoch, um erste Anzeichen der Erholung des Südpolaren Ozonlochs im Oktober direkt beobachten zu können. Der letzte Winter war extrem kalt und das entspricht einer der wichtigsten Voraussetzungen, die einem stärkeren Ozonverlust vorausgehen. In den Jahren davor waren die Winter vergleichsweise wärmer. Entsprechend fiel der Ozonverlust etwas geringer aus. Dazu können andere Einflussfaktoren wie Luftströmungen für Bedingungen sorgen, welche die chemischen oder physikalischen Prozesse des Ozonabbaus verstärken oder abschwächen.

Aber selbst bei einer geringeren Ausdehnung des südpolaren Ozonlochs gibt es immer noch große Bereiche in denen die Ozonsäule sehr viel dünner ist, sowie Bereiche, in denen das Ozon komplett zerstört ist, etwas zwischen 12 und 20 km Höhe. Anders gesagt variiert nur die Größe des südpolaren Ozonlochs ein bisschen von Jahr zu Jahr und es muss auch noch in den kommenden Jahren mit rekordverdächtigen Werten gerechnet werden. Bis etwa zum Jahr 2070 wird sich aber auch das südpolare Ozonloch vollständig erholen.

In der nördlichen Hemisphäre sind die Schwankungen von Jahr zu Jahr viel eklatanter. Hier findet in manchen Wintern fast kein Ozonverlust statt und dann gibt es wieder andere Jahre mit einem signifikanten Ozonabbau. So hatten wir beispielsweise gerade im letzten Winter in der nördlichen Hemisphäre den größten Ozonverlust, der jemals über dem Nordpol gemessen wurde. Dieser wurde dann im März durch eine Stratosphärenerwärmung beendet. 2011 wurde auch schon mal ein besonders hoher Ozonverlust registriert, den man tatsächlich mit den Verlusten auf der Südhalbkugel vergleichen konnte. Die Gesamtkonzentration an Ozon, die man über die gesamte Atmosphärensäule aufsummiert, wird aber in der nördlichen Hemisphäre nie so niedrig wie unter Ozonlochbedingungen in der südlichen Hemisphäre. Die Schwankungen sind aber, wie gesagt, erheblich größer.

Ein Grund dafür sind die vergleichsweise immer etwas höheren Temperaturen in der nördlichen Hemisphäre, die unter anderem durch die Aktivität planetarer Wellen zustande kommen, über die wir gerade sprachen. Sie werden durch hohe Gebirgsketten und die Land-See-Übergänge in der nördlichen Hemisphäre erzeugt. Die südliche Hemisphäre ist dagegen viel symmetrischer und damit homogener.

Für den Ozonverlust ist entscheidend, dass die Temperatur unter die Schwelltemperatur absinkt, unter der sich die sogenannten Stratosphärenwolken bilden können. Das ist im Süden eigentlich in jedem Winter der Fall, im Norden dagegen nicht. Im vergangenen, sehr kalten nordischen Winter 2015/16 kam es jedoch auch über dem Nordpol zur Bildung sehr ausgedehnter polarer Stratosphärenwolken [5] mit den entsprechenden Konsequenzen für die Ozonschicht.

Also lange Rede kurzer Sinn, momentan ist die Variabilität insgesamt noch zu groß, um einen definitiven Trend aus Ozonwerten im südpolaren Ozonloch herauszufiltern. Ein etwas größeres Ozonloch oder ein neuerliches Maximum ist aber auch kein Alarmsignal. Tatsächlich sind aber in der oberen Stratosphäre bei "mittleren Breiten" erste Anzeichen der Erholung bereits erkannt worden, aber dort war der Ozonverlust nie so groß wie in der polaren Winterstratosphäre. Auch die Atmosphärenchemie verläuft in der oberen Stratosphäre bei mittleren Breiten anders, weil sich hier keine polaren Stratosphärenwolken bilden können. Und der Bereich betrifft hier ohnehin nur 3 bis 4 Prozent der Gesamtsäule.

SB: Hat die Weltgemeinschaft mit der Unterzeichnung des Montrealer Protokolls die Lösung des Problems zu früh gefeiert? Hätte man damit noch ein paar Jahre warten sollen?

MR: Nein, wir sind mittlerweile in der Lage, die Ozonprozesse sehr gut zu simulieren. Und damit kann man eindeutig nachweisen, wenn es das Montrealer Protokoll und dann die weiteren Nachfolgeprotokolle, in denen die Verbote noch einmal entsprechend verschärft wurden, nicht gegeben hätte, dann hätten wir Mitte dieses Jahrhunderts ein massives Problem gehabt. Die Simulation zeigt ein gewaltiges Ozonloch, das sich bis in die mittleren Breiten ausdehnt. Und das halte ich für durchaus glaubwürdig.

Das Montrealer Protokoll war dringend notwendig und ein Riesenerfolg, nur aufgrund der langen Lebenszeit der bereits in der Stratosphäre vorhandenen Chlorsubstanzen - FCKWs bleiben zwischen 50 und 100 Jahren in der Atmosphäre - muss man einfach abwarten, bis diese Stoffe abgebaut sind. Man kann aber zumindest in 50 Jahren eine deutliche Abnahme ihrer Konzentration in der Stratosphäre erwarten und entsprechend rechnet man unumstritten auch ab 2060 oder spätestens 2070 mit einer vollständigen Erholung der Ozonschicht.

SB: Gibt es Verknüpfungspunkte zwischen Ihrem jetzigen Forschungsbereich und dem Schwerpunkt 'Ozonverlust und Stratosphärenchemie', zu dem Sie ebenfalls schon geforscht haben?

MR: Ja, die gibt es durchaus. Zunächst wirkt Ozon auch als Treibhaus- oder Klimagas. Darüber hinaus hat das große Ozonloch in der südlichen Hemisphäre durchaus Auswirkungen auf den Polarjet. Und schließlich gibt es Studien, in denen eindeutig nachgewiesen wurde, dass sich dieser Einfluss auf das ganze Wetter, sogar teilweise auf die Meeresströmungen in der südlichen Hemisphäre ausgedehnt hat. In der nördlichen Hemisphäre haben wir derart eindeutige Korrelationen noch nicht nachweisen können, aber sie sind auch sehr wahrscheinlich. Diese Faktoren spielen alle zusammen, weshalb dieses Thema so komplex ist.

Noch einmal: Ozon ist im Bereich der kalten Tropopause ein wichtiges Treibhausgas. In der Stratosphäre absorbiert es solare UV-Strahlung und führt somit zu einer Erwärmung. Die veränderte Temperaturstruktur in der Stratosphäre beeinflusst wiederum die Entwicklung und Stärke der Winde und Jets in der Stratosphäre und diese veränderte Dynamik kann sich wiederum auf die Troposphäre und entsprechend auf das regionale Klima und das Bodenwetter auswirken. Effekte wie diese können sogar noch bei den Oberflächenwinden zum Tragen kommen und die Oberflächenströmung der Ozeane beeinflussen. Die Themen sind eigentlich alle eng miteinander verknüpft. Im Grunde sollte dies für beide Hemisphären gelten, aber statistisch signifikant nachgewiesen hat man eine solche Wirkungskette bislang nur für die südliche Hemisphäre.

Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass eine Regeneration der Ozonverhältnisse dieser Dynamik noch einmal eine andere Richtung geben wird.


Der hellblaue Bereich auf der südlichen Hemisphäre hat eine Ozondichte von weniger als 300 DU (Dobson-Units), Werte über 125 DU (dunkelblau) werden noch als geschlossene Schicht angesehen. - Foto: 2016 by NASA (gemeinfrei) Der hellblaue Bereich auf der südlichen Hemisphäre hat eine Ozondichte von weniger als 300 DU (Dobson-Units), Werte über 125 DU (dunkelblau) werden noch als geschlossene Schicht angesehen. - Foto: 2016 by NASA (gemeinfrei)

Wie geht es eigentlich der Ozonschicht?
Größtes Ozonloch vom 24. September 2006 und die aktuelle Ozonverteilung am Südpol 23. Juli 2016
Fotos: 2016 by NASA (gemeinfrei)

SB: Was sind ihre zukünftigen Ziele oder wo sehen Sie vor allem noch ausstehenden Forschungsbedarf?

MR: Viele der grundlegenden Prozesse und Mechanismen, die mit der Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre zusammenhängen, sind noch nicht ausreichend aufgeklärt oder untersucht. Das wäre aber für die Qualität von Klimaprognosen und mittel- und langfristigen Wettervorhersagen von größtem Interesse. Wenn wir beispielsweise die Prozesse, die das Wasserdampfbudget und seine Verteilung bestimmen, verstehen, können wir auch erklären, wie und warum solche Prozesse variieren und wie sich das in Zukunft auswirken kann.

Forschungsbedarf besteht in unserem Bereich vor allem in Hinblick auf kleinräumige Schwerewellen und kleinräumiger Austauschprozesse zwischen Stratosphäre und Troposphäre. Eine vielversprechende und hilfreiche Messmethode ist in diesem Zusammenhang die räumlich hochauflösende Fernerkundung. In meinem Vortrag hatte ich bereits das GLORIA Instrument [6] erwähnt, welches wir zusammen mit Kollegen des Karlsruher Instituts für Technologie entwickelt und gemeinsam bereits auf dem russischen Forschungsflugzeug M55-Geophysika und dem deutschen Höhenforschungsflugzeug HALO häufig eingesetzt haben. GLORIA dient auch als Demonstrator für globale Satellitenmessungen mit hoher räumlicher Auflösung, welche dringend benötigt werden. In Jülich und Karlsruhe wurde ein entsprechendes Konzept entwickelt und für die nationale Roadmap für Forschungsinfrastrukturen vorgeschlagen, in Kooperation mit dem GFZ Potsdam, welches sich mit GPS Radiookkultationsmessungen an diesem Konzept beteiligt.

Aktuell haben wir mit GLORIA vom nordschwedischen Kiruna aus mit dem Forschungsflugzeug HALO umfangreiche Messflüge während des gesamten arktischen Winters über dem Eismeer in Richtung Grönland und Nordpol durchgeführt, um unverstandene Aspekte der Wolkenphysik, von Schwerewellen in Polarregionen sowie des Spurenstofftransportes über den Polargebieten zu untersuchen. Ein weiteres Ziel war es, die Prozesse, die Ozon und andere klimawirksame Spurengase in der arktischen Tropopausenregion im Winter beeinflussen, besser zu verstehen.

In diesem und im nächsten Jahr sind Monsun-Kampagnen mit dem russischen Höhenforschungsflug M55-Geophysica vorgesehen, welches im Jahr 2017 vermutlich von Nagpur in Indien starten wird. Dabei soll das asiatische Monsunsystem erstmals in größeren Höhen, im Bereich der tropischen Tropopause, detailliert untersucht werden. Die Flugzeugkampagne, welche vom Forschungszentrum Jülich koordiniert wird, ist Teil des europäischen Projekts StratoClim. Die Aktivitäten beinhalten auch gemeinsame Studien mit Wissenschaftlern des Indischen Instituts für tropische Meteorologie in Pune. Wir werden dabei den gesamten Monsunprozess durchleuchten, das heißt untersuchen, wie Schadstoffe, Wasserdampf und andere Substanzen nach oben transportiert werden, sich ausbreiten und auch - was weniger für uns, aber doch für Indien eine Frage ist -, wie sich Veränderungen der Aerosolverteilung oder der Zusammensetzung der Spurenstoffe in den höheren Atmosphärenschichten wieder auf den Monsun selbst auswirken.

Schließlich haben wir noch im September, Oktober nächsten Jahres eine weitere Messkampagne mit HALO von Irland aus geplant, die ein besonderes Augenmerk auf den Eintrag von feuchten Luftmassen aus den Tropen in die Extratropen richten soll und ihre Ausbreitung in der untersten Stratosphäre, sowie mögliche Zusammenhänge mit der Eiswolkenbildung.

Ein wichtiges Ziel sind Beiträge zur Entwicklung komplexerer Erdsystem- Modelle, mit denen detaillierte Simulation physikalischer, chemischer, biologischer und geologischer Prozesse sowie deren Wechselwirkungen durchgeführt werden können. Aber das ist keine Aufgabe, die im nächsten oder übernächsten Jahr gelöst sein wird, sondern eine längerfristige, umfangreiche Forschungsaufgabe, an der noch viele Forscher unterschiedlichster Disziplinen arbeiten werden.

SB: Vielen Dank, Prof. Riese, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.


Anmerkungen:

[1] http://www.csmonitor.com/Environment/2016/0721/World-leaders-poised-to-seal-landmark-emissions-deal-in-Vienna

[2] Corioliskraft ist ein anderes Wort für die ablenkende Kraft, die durch die Erdrotation zustande kommt.

[3] Vorticity - Deutsch: Vortizität oder Drehimpuls mehr dazu siehe:
http://scilogs.spektrum.de/klimalounge/extremwetter-durch-planetare-wellen/?replytocom=7702]

[4] Dazu muss man wissen, dass die Erde die Energie der Sonne hauptsächlich im Bereich des sichtbaren Lichts aufnimmt und sie in Form von langwelligerer Wärmestrahlung an den Weltraum zurückgibt. Dabei handelt es sich nicht um eine einzige oder einige wenige Wellenlängen, sondern um ein ganzes Kontinuum von Wärmestahlen ALLER Wellenlängen. Trägt man die Leistung der Abstrahlung abhängig von der jeweils dazugehörigen Wellenlänge auf, so ergibt sich eine sehr breite "Glockenkurve" mit einem Strahlungsmaximum bei 10 Mikrometern.

Treibhausgase, aber auch alle anderen Gase, haben die Eigenschaft, dass sie elektromagnetische Wellen ganz bestimmter Wellenlängen verschlucken, "absorbieren". Jedes Gas absorbiert andere Wellenlängen oder Wellenlängenbereiche, die charakteristisch für dieses Gas sind. Wenn man die Licht- oder Wärmestrahlung bezeichnen will, die absorbiert wird, nennt man die betroffene Wellenlänge bzw. den Wellenlängenbereich. Diese sind unabhängig von der Temperatur des Gases. CO2 absorbiert Wärmestrahlung in drei Wellenlängenbereichen, die in einem Spektrum als breitere "Absorptionsbanden", d.h. schwarze Linien unterschiedlicher Breite, dargestellt werden. Die in Frage kommende, dritte Absorptionsbande des CO2 ist relativ breit und zeigt die Absorption von Wärmestrahlung der Wellenlängen von 13 bis 17 Mikrometern.

[5] Polare Stratosphärenwolken (Abk. PSCs von engl.: polar stratospheric clouds), auch bekannt als Perlmuttwolken, treten in der Stratosphäre in Höhen über 20 km auf, meist im Bereich von 22 bis 29 km. Damit PSCs entstehen können, müssen die Temperaturen unter -78 °C (195 K) sinken, was regelmäßig über den Polen geschieht. In der Stratosphäre ist der Wasserdampfgehalt der Luft sehr gering, so dass sich keine herkömmlichen Wasserwolken bilden können. Die Eiswolken bestehen daher vor allem aus Kristallen von Schwefelsäure oder Salpetersäure. Bei extrem tiefen Temperaturen kann sich um diese Säurekristalle noch ein Eismantel bilden. An den Oberflächen der Kristalle laufen chemische Reaktionen ab, die für den Ozonabbau in der Stratosphäre und die Entstehung des Ozonlochs bedeutsam sind

[6] http://gloria.helmholtz.de/

Ergebnisse von Studien zu den neuen Satellitenkonzepten mit Schwerpunkt Chemie-Klima finden Sie hier:
http://esamultimedia.esa.int/docs/EarthObservation/SP1324-3_PREMIERr.pdf


Bisher sind zur Recherche-Reise der DPG nach Bremerhaven im Schattenblick unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT erschienen:

BERICHT/118: Forschung, Klima und polar - Hautkontakt und Daten ...(SB)
INTERVIEW/225: Forschung, Klima und polar - Launen, Ströme, nackte Zahlen ...    Prof. Monika Rhein im Gespräch (SB)
INTERVIEW/226: Forschung, Klima und polar - Eisschmelze ...    Prof. Torsten Kanzow im Gespräch (SB)
INTERVIEW/233: Forschung, Klima und polar - Vorbild maritim auf Kurs ...    "Polarstern"-Kapitän Thomas Wunderlich im Gespräch (SB)
INTERVIEW/237: Forschung, Klima und polar - Eiskernforschungshoffnungsschimmer ...    Prof. Olaf Eisen im Gespräch (SB)


26. Juli 2016


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