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LANDRAUB/033: Green-Grabbing ist keine Lösung für das Problem des Landgrabbings (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2016

Kampf um Land
Lebensgrundlage, Ökosystem, Kapitalanlage

Irrweg von REDD
Green-Grabbing ist keine Lösung für das Problem des Landgrabbings

von Chris Lang


Green-Grabbing schreitet derzeit im Globalen Süden voran. NaturschützerInnen kaufen Land und Wälder auf und schließen damit die dortige Bevölkerung aus. Seit das in den Regenwäldern gespeicherte Treibhausgas einen Preis hat, gewinnt Green-Grabbing an Attraktivität, da nun große Flächen dafür genutzt werden, preisgünstige REDD-Zertifikate zu erlangen, die es reichen Ländern gestatten, ihre Verschmutzungen fortzuführen.


John Vidal, Umwelt-Redakteur des Guardian, schrieb 2008 den Artikel 'Das große grüne Land-Grabbing'. Darin beschreibt er, wie Reiche, große Umweltorganisationen und Wohltätigkeitsorganisationen mit dem vorgeblichen Ziel der Umwelterhaltung Land im Globalen Süden aufkaufen. [1] Vidal beobachtet, dass Conservation International, World Wide Fund for Nature (WWF) und Nature Conservancy Milliarden Dollar von privaten Geldgebern und aus Weltbank-Fördermitteln erhalten haben, um Land zur Erhaltung aufzukaufen. "Ausländische Umweltschützer erzeugen in Entwicklungsländern furchtbare Ergebnisse", schreibt Vidal. Wo KolonistInnen Land zur Gewinnung von Rohstoffen genutzt haben, erwerben UmweltschützerInnen Land, um es zu erhalten. Viel zu oft hat dies zur "Festungs-Erhaltung" geführt. Zehntausende Menschen wurden aus Wildnisparks und geschützten Zonen vertrieben. Obwohl sie seit Jahrhunderten auf diesem Land lebten, wurde vielen verboten zu jagen, Pflanzungen anzulegen, Bäume zu schlagen oder Lebensmittel und Heilpflanzen zu sammeln. Ihr Land wird, wie Vidal schreibt, "plötzlich als idyllischer Wildnis-Schutzraum umdefiniert, ohne auf die Lebenswirklichkeit derjenigen Rücksicht zu nehmen, die dort leben".

Für das Journal of Peasant Studies definieren James Fairhead, Melissa Leach und Ian Scoones Green-Grabbing als "die Aneignung von Land und Rohstoffen aus Umweltgründen". Sie schreiben: "Green-Grabbing folgt den wohlbekannten Mustern der kolonialen und neo-kolonialen Entfremdung im Namen des Umweltschutzes - ob nun für Parks, Waldschutzgebiete oder zur Beendigung vermeintlich zerstörerischer lokaler Aktivitäten."[2]


REDD schützt die Rechte der Einheimischen nicht

Das Programm REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation - Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Waldverschlechterung) droht nun, die Dinge zu verschlimmern. Die Idee von REDD besteht darin, Regierungen, Firmen und WaldbesitzerInnen im Süden monetär dafür zu belohnen, ihre Wälder intakt zu erhalten, anstatt sie abzuholzen. Durch das Abkommen von Paris (dem Ergebnis der UN-Klimaverhandlungen im Dezember 2015) werden die Staaten "ermutigt, Maßnahmen zur Implementierung und Unterstützung" von REDD zu ergreifen.

Das Paris-Abkommen enthält jedoch keine Einigung darüber, wie REDD finanziert werden soll. Doch von Anfang an war REDD ein CO2-Handelsverfahren, bei dem das in Wäldern gespeicherte Treibhausgas gegen die Fortsetzung von Treibhausgas-Emissionen andernorts getauscht wird. Als die Weltbank 2007 auf dem UN-Klimagipfel in Bali ihre "Forest Carbon Partnership Facility" startete, erklärte sie, "das Ziel besteht darin, einen Wald-Treibhausgas-Markt auf den Weg zu bringen".[3] Doch wem gehört das in Bäumen gespeicherte Treibhausgas? Dem Projektentwickler, der das REDD-Projekt finanziert hat? Der Regierung? Oder den Gemeinden, die im und nahe am Wald leben?

Im Jahr 2014 warnte die Rights and Resources Initiative (RRI), REDD könne zu einem "Carbon-Grabbing" führen.[4] Ihr Bericht basiert auf der Untersuchung von 23 Staaten, was etwa zwei Drittel der Wälder im Globalen Süden abdeckt. Der Bericht kommt zu dem Schluss, Schutzvorkehrungen und rechtliche Absicherungen für indigene Gruppen und örtliche Gemeinden seien in diesen neuen Wald-Treibhaus-Märkten "nicht vorhanden". Arvind Khare, Direktor der RRI, sagte: "Wenn das Treibhausgas in lebenden Bäumen zu einem weiteren handelbaren Gut wird, haben WaldbewohnerInnen die schlechteren Karten. Hier entsteht die Möglichkeit für ein bisher nicht dagewesenes Carbon-Grabbing durch Regierungen und Investoren. Bisher hat jedes andere Investment in natürliche Güter auf der internationalen Ebene indigene Völker und örtliche Gemeinden entrechtet. Wir hatten gehofft, REDD würde zu anderen Ergebnissen führen. Doch während ihre Rechte an ihren eigenen Wäldern begrenzt sein mögen, sind ihre Rechte an dem in den Wäldern gespeicherten Treibhausgas überhaupt nicht vorhanden."

Jüngere Forschungen durch die RRI sowie die Beratungsfirma TMP Systems untersuchen die Vorschläge, in Liberia und der Demokratischen Republik Kongo Schutzzonen einzurichten. 5 Bis zu 1,3 Millionen Menschen könnten betroffen sein von diesen Plänen, die von Norwegen bzw. Deutschland finanziert werden. Doch die ForscherInnen fanden heraus, dass die Folgekosten dieser Umweltschutzvorschläge für die Menschen und ihre Existenzgrundlagen "erheblich unterschätzt wurden".

Es gibt viele Beispiele für REDD-Projekte, die Auswirkungen auf die Rechte der Indigenen sowie der örtlichen Gemeinden an ihren Wäldern hatten. Hier sind zwei davon:


Kasigau Corridor, Kenia: Vertreibungen und Ungerechtigkeit

Im Jahr 2008 startete Wildlife Works, eine US-amerikanische REDD-Entwicklungsfirma, in Kenia ein als Kasigau Corridor bezeichnetes REDD-Projekt. Der Gründer von Wildlife Works, Michael Korchinsky, beschreibt das Projekt als "gerecht und fair" und argumentiert, das Projekt brächte "die Mehrzahl der Vorteile zu den Menschen vor Ort, die den Wald schützen". Doch jüngst in Land Use Policy veröffentlichte Forschung ergab: "Das erste Paket von Leistungen wurde in den Händen einiger weniger konzentriert. Dies lag daran, dass Veränderungen des Bodenbesitzes schon seit vorkolonialen Zeiten mit Prozessen der Entrechtung und der Aneignung durch Eliten einhergehen. Ermöglicht wird das weiter durch koloniale und postkoloniale Leitlinien, die der Mehrheit der lokalen Bevölkerung wenig bis keine Berechtigung an Boden gelassen hat." [6]

Das REDD-Projekt hat sich um die Ungleichheit im Projektgebiet nicht nur nicht gekümmert, sondern diese sogar verstärkt. Vertreibungen wurden von der Rukinga-Ranch aus organisiert, die nun zum REDD-Projekt gehört. Sie fanden statt, bevor das Projekt anlief, aber nachdem Korchinsky die Mehrheit der Anteile an der Rukinga-Ranch erworben hatte.


Der Ankeniheny-Zahamena-Korridor in Madagaskar: Die Realitätslücke der Schutzvorkehrungen

Auf Madagaskar hält das REDD-Projekt Ankeniheny-Zahamena-Korridor die Dorfbevölkerung von der Nutzung des Waldes ab, etwa der Ernte von Waldrohstoffen und der Anlage kleiner Nahrungspflanzungen. Das Projekt gewährt jedoch vielen der Betroffenen, deren Leben von diesen Einschränkungen der Waldnutzung stark betroffen sind, keinerlei Kompensation. Kürzlich vermerkten WissenschaftlerInnen der Bangor University und der Université d´Antananarivo in einem Aufsatz für Global Environmental Change, es gäbe "wachsende Bedenken, REDD könne die Armut in waldnahen Gemeinden verschärfen, indem es den Zugang zu Land und zu den Produkten des Waldes einschränkt, vor allem für jene mit unsicheren Besitz- oder Pachtverhältnissen".[7]

Die in der von den WissenschaftlerInnen untersuchten Region wohnenden Menschen leben in großer Armut und sind für ihren Lebensunterhalt stark von der Nutzung des Waldes abhängig. Nur sehr wenige der Häuser haben Dächer aus Blech. Im Durchschnitt kann jeder Haushalt nur genug Nahrung produzieren, um seine Mitglieder für 6 Monate des Jahres zu ernähren. Doch die ForscherInnen fanden heraus, dass es vor allem von 2 Faktoren abhing, ob ein Haushalt Entschädigung erhielt: Erstens ob einer der Haushaltsangehörigen Mitglied der kommunalen Waldmanagement-Gesellschaft war, und zweitens ob sie darin eigene Entscheidungsbefugnisse hatten.

Anstatt diejenigen Menschen aufzusuchen, die am meisten vom Wald abhängen und deren Existenz daher am stärksten von dem Projekt betroffen sind, haben die Ausführenden des Ankeniheny-Zahamena-Korridor-Projekts Menschen entschädigt, die nahe den Verwaltungszentren und nahe den Straßen leben. "Wenn soziale Schutzmaßnahmen nicht richtig umgesetzt werden", schreiben die AutorInnen, "werden die Kosten von denen getragen, die in den waldnahen Gemeinden der Tropengebiete leben, die zu den Ärmsten gehören, in der Geschichte oft marginalisiert wurden und am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben".


Green-Grabbing ist keine Lösung

Im Jahr 2014 trafen sich VertreterInnen indigener Völker und von NGOs in Palangkaraya, Indonesien um über Waldverlust und die Rechte indigener Völker zu diskutieren. Die bei diesem Treffen verabschiedete Palangkaraya-Erklärung erkannte die Gefährdung indigener Völker durch Land-Grabbing an. Aber die Erklärung wies auch darauf hin, dass Green-Grabbing eine Bedrohung bildet: "Wir bemerken auch, dass sogar internationale, öffentliche und private Bemühungen um den Schutz der Wälder vor Zerstörungen als Parks, Schutzgebiete, 'Konzessionen zur Wiederherstellung des Ökosystems', 'Ausschlussgebiete' und 'Flächenstilllegungen' oftmals unsere Rechte ignorieren, uns unseren Lebensunterhalt verwehren und dadurch weitere Konflikte und Instabilität erzeugen."[8]


Der Autor ist Publizist und Aktivist in Umweltfragen. Seit 2008 betreibt er die Webseite REDD-Monitor.

Aus dem Englischen von Raphael Ferres.


Anmerkungen

[1] http://www.theguardian.com/environment/2008/feb/13/conservation

[2] http://www.tandfonline.com/toc/fjps20/39/2

[3] http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/NEWS/0,,contentMDK:21581819~pagePK:64257043~piPK:437376~theSitePK:4607,00.html

[4] http://www.rightsandresources.org/wp-content/uploads/ForestCarbon_Brief_web.pdf

[5] http://www.rightsandresources.org/en/news/press-release-forests-on-the-brink-six-weeks-after-cop-in-paris-new-research-finds-forest-peoples-losing-ground-in-key-nations-despite-proof-of-their-role-as-best-guardians-while-ot/

[6] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0264837715002926

[7] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S095937801630005X

[8] http://www.forestpeoples.org/topics/climate-forests/news/2014/03/palangka-raya-declaration-deforestation-and-rights-forest-people


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 1/2016, Seite 13-14
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2016

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