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GEFAHR/116: Brasilien - Rio Sao Francisco-Ausleitung wird durchgepowert (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 907 vom 13. Dezember 2008 28. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Brasilien: Rio Sao Francisco-Ausleitung wird durchgepowert


Trotz andauernder Proteste der lokalen Bevölkerung und vieler Sozial- und Umweltbewegungen hält die brasilianische Regierung an ihrem Vorhaben fest, Wasser aus dem Rio Sao Francisco durch zwei Kanäle in den trockenen Nordosten Brasiliens zu leiten, um dort den Wassermangel zu beheben. Die Bauarbeiten zum Bau der Kanäle haben bereits begonnen, und es ist eine Bauzeit von etwa 10 Jahren geplant. Die Umleitung von Wasser aus dem Rio Sao Francisco ist eines der umstrittensten Großprojekte in Brasilien. Die Planungen für das Projekt laufen schon seit vielen Jahren (s. RUNDBR. 707, 562). In den letzten Jahren, als es dann an die Umsetzung des Projekts ging, hat sich aber eine immer größer werdende Protestbewegung innerhalb Brasiliens gebildet, die aus vielerlei Gründen gegen dieses Megaprojekt kämpft. Durch die Wasser-Ausleitung wären besonders die Menschen betroffen, die am Unterlauf des Rio Sao Francisco leben, da dort dann in Zukunft viel weniger Wasser ankommen wird. Dazu zählen auch einige indigene Völker, die ihrer Lebensgrundlage beraubt würden und die deshalb gegen die Umleitung protestieren. Die Regierung behauptet, durch die Umleitung von Wasser in den trockenen Nordosten würde das Problem des Wassermangels dort gelöst, und es solle besonders den dort lebenden, armen Kleinbauern zugute kommen. Tatsächlich ist jedoch geplant, 70% des umgeleiteten Wassers für den Aufbau einer großangelegten, industriellen Bewässerungslandwirtschaft zu verwenden, deren Erträge exportiert werden sollen. Das würde den Kleinbauern kein bisschen helfen, im Gegenteil: die Plantagenbesitzer würden die besten Flächen für sich vereinnahmen und den Kleinbauern das Land nehmen.

26% des umgeleiteten Wassers soll der Versorgung von Städten und Industrie dienen, und gerade einmal 4% sind für die ländliche Bevölkerung bestimmt! Bereits heute gibt es viele tausend kleinere Stauseen in der betreffenden Region, diese sind aber nur für die Versorgung der Städte in Dürrezeiten bestimmt. Deshalb darf in normalen Zeiten kein Wasser daraus entnommen werden. Viele unabhängige Wissenschaftler halten das Projekt generell für völlig unsinnig. In einer solchen semiariden Region eine intensive Bewässerungslandwirtschaft aufbauen zu wollen und dafür einen halben Fluss umleiten zu wollen, grenze an Wahnsinn und Größenwahn. Stattdessen sei es viel sinnvoller, eine an die klimatischen Bedingungen angepasste Landwirtschaft zu betreiben. Selbst die Weltbank, die ja für unzählige umweltschädliche Projekte weltweit mitverantwortlich ist, hat eine Mitfinanzierung des Umleitungsprojekts verweigert. Sie begründete das damit, dass schon mit einem Bruchteil der für das Bauvorhaben veranschlagten Kosten die Wasserversorgung der örtlichen Bevölkerung mittels anderer Maßnahmen sichergestellt werden könne. Weltweite Aufmerksamkeit erregte die Protestbewegung gegen die Umleitung, als der Franziskanerpater DOM LUIS CAPPIO Ende 2007 zum zweiten Mal (nach dem erfolgreichen ersten Mal 2005) in den Hungerstreik trat, um damit das Vorhaben doch noch zu stoppen. Er wurde damit zur Symbolgestalt der Protestbewegung, und jetzt im November 2008 hat er für seinen friedlichen Kampf sogar den Friedenspreis von "Pax Christi International" bekommen. Präsident LULA DA SILVA ließ sich aber diesmal weder von Protesten noch Hungerstreik von seinem Ziel abbringen und treibt das Umleitungsprojekt weiter persönlich voran. Dabei stellt dieses Megaprojekt nur den bisherigen Höhepunkt einer seit Jahrzehnten betriebenen Ausbeutung der Natur am Rio Sao Francisco dar. Es existieren heute an diesem Fluss 5 große Staudämme und Stauseen, die Wälder am Ufer sind heute größtenteils abgeholzt und in riesige Zuckerrohr-, Soja- und Eukalyptusplantagen umgewandelt worden, deren Pflanzenschutz- und Düngemittel das Wasser des Flusses vergiften. Es steht also schon ohne die Wasser-Umleitung schlecht um diesen lebenspendenden Fluss der Region. Daher fordern PATER LUIZ CAPPIO und seine Anhänger auch dringend eine Revitalisierung des Flusses. Aber auch der Kampf gegen die Umleitung werde weitergehen, so sagt er.

Digitale Teilnahme an Protestaktion gegen die Wasser-Umleitung unter: http://www.ewl-hueckelhoven.de/aktionen.html

Weitere Informationen auf den Websites: www.kooperation-brasilien.org www.tropenwaldnetzwerk-brasilien.de

-sz-

Die sehr lesenswerte Sonderausgabe 174/175 der Zeitschrift "Brasilicum" ist vollumfänglich dem Rio Sao Francisco-Ausleitungsprojekt gewidmet.

Das Heft gibt's bei
KoBra - Kooperation Brasilien e.V., c/o iz3w,
Kronenstraße 16a
79100 Freiburg i.Br.,
Tel.: 0761-600 69-26, Fax -28
E-Mail: info@kooperation-brasilien.org

Unsere dicke Materialsammlung über die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen bei uns und in semiariden Regionen der Erde informiert insbesondere über die Versumpfung und Versalzung bei falschen Bewässerungsverfahren. Bezug gegen VOREINSENDUNG von 12 Euro als V-Scheck, in Brief. oder bar an den Ak Wasser in Frbg.


Neukalifornien in Brasilien

Mit 2700 Kilometern ist der Rio Sao Francisco der drittgrößte Fluss Brasiliens. Er durchquert die Bundesstaaten Minas Gerais, Bahia, Pernambuco, und das Trockengebiet des Sertao - ein Gebiet so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen. Gestaut wird der Rio Sao Francisco zum Sobradinho, einem der größten Stauseen der Welt. Befände sich sein Damm in Düsseldorf, dann wäre der Rhein bis Freiburg gestaut. Oder das sogenannte Tal der Wunder, ein Flussabschnitt, an dem auf unendlichen Plantagen exotische Früchte für den Export angebaut werden. Der Reichtum fließt in die Hände weniger. Die Nachkommen der Indianer werden auch heute noch vertrieben, freilich sind die Methoden modern. Die Indianer erhalten Sozialhilfe; ihre angestammten Böden werden von großen Plantagenfürsten bewirtschaftet. Die Zukunft heißt Neukalifornien. So nennen die Weltbank ihr Projekt im Sertao. Neukalifornien, sagen Umweltschützer, heißt, dass wie in Kalifornien auch im Sertao die Böden versanden; versalzt und vergiftet durch Düngung und intensive Bewässerung.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 907/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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wieder! Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF
ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2009