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INITIATIVE/123: Berlin - Wasser-Volksbegehren braucht 70.000 Unterschriften bis 26.10. (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 158 - Oktober/November 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Wasser-Volksbegehren:

Noch 70.000 gültige Unterschriften erforderlich - gefährlicher Widerstand wird totgeschwiegen

Von Thomas Rudek


Die Zeit läuft: Bis zum 26. Oktober muss das Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben in den sicheren Hafen gebracht werden. Bei diesem Kampf um Informationen kämpft die Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" an mehreren Fronten. Ein Hintergrundgespräch mit Thomas Rudek, dem Sprecher des Volksbegehrens.

DER RABE RALF: Ende Juni wurde das Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge bei den Berliner Wasserbetrieben gestartet. Wie ist der Stand der Dinge?

Thomas Rudek: Wir schätzen, dass wir bereits über 100.000 Unterschriften gewonnen haben. Das bedeutet, es fehlen noch 70.000 gültige Unterschriften, die wir bis zum 26. Oktober noch bekommen müssen.

DER RABE RALF: Bei einem so bedeutenden Thema wie unserem wichtigsten Lebensmittel in Verbindung mit Geheimhaltung sollte man annehmen, dass die Bürger sofort auf die Barrikaden gehen und die benötigten Unterschriften schon längst vorhanden wären. Woran liegt es, dass dem nicht so ist?

Thomas Rudek: Das Leben in der so genannten "Informationsgesellschaft" wird von den Medien bestimmt. Hier nimmt das Fernsehen als Leitmedium eine Schlüsselrolle ein, weil es durch die Einschaltquoten das Massenpublikum relativ schnell erreicht. Und der Zugang speziell zur "Abendschau" des rbb erweist sich als schwierig. Für mehr als wenige Kurzberichte im Nachrichtenblock hat sich die Programmplanung der Abendschau bisher nicht bereit erklärt. Zu einem Studiogespräch wurden wir bisher noch nicht eingeladen. Anders der Sender tv.berlin. Hier waren wir schon häufiger im Bild. Beim Kampf um "systemrelevante" politische Informationen geht es nicht nur um den öffentlichen Zugang zu den Geheimverträgen, sondern auch um den Zugang zu den Medien.

DER RABE RALF: Sind die Abgeordnete Heidi Kosche und Prof. Keßler von der Verbraucherzentrale nicht im Studiogespräch von der Abendschau befragt worden?

Thomas Rudek: Heidi Kosche und Prof. Keßler sind zu den Themen "Informationsfreiheit" und "Aktenzugang für Abgeordnete" befragt worden. Das Volksbegehren des Berliner Wassertisches stand nicht im Mittelpunkt des Gesprächs; auch sind weder Heidi Kosche noch Prof. Keßler als Vertrauenspersonen des Volksbegehrens vorgestellt worden, sondern in ihrer Funktion als Abgeordnete beziehungsweise Vorstandsvorsitzender der Verbraucherzentrale Berlin! Es wird akkurat darauf geachtet, den "Berliner Wassertisch" und den Titel unseres Volksbegehrens nicht zu erwähnen. Wir sind ein rotes Tuch.

DER RABE RALF: Wird die Bedeutung des Fernsehens nicht überschätzt? Gibt es nicht andere Formen, um die Bevölkerung zu erreichen?

Thomas Rudek: Natürlich - und diese Wege gehen wir, wie ich finde, durchaus mit einem vorzeigbaren Ergebnis. Es war uns bereits nach den Schwierigkeiten mit der Abendschau während der Zulassungsstufe zum Volksbegehren klar, dass wir alternative Wege suchen müssen und so haben wir versucht, die sozialen Netzwerke weiter zu entwickeln und auszubauen, aber auch die neuen Medien professionell zu nutzen. Doch dieser Weg ist mühsam und daher ist es ärgerlich, dass die Abendschau uns nicht den Respekt entgegenbringt, den sie dem Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhof entgegengebracht hat. Denn dieses Volksbegehren war in der Abendschau Dauerthema, während unser Volksbegehren klein gekocht werden soll und wir uns mit einer Alibi-Berichterstattung begnügen sollen. Selbst als wir in Kooperation mit Transparency International, die Pressereferent/-innen der Verbraucherzentrale, des Mietervereins und der GRÜNEN LIGA Berlin zu einer Pressekonferenz eingeladen hatten, um bekannte Künstler, die uns unterstützen, vorzustellen, kamen weder die Abendschau noch Tageszeitungen wie die Morgenpost oder die Berliner Zeitung. Und auch bei der Halbzeit unseres Volksbegehrens wurden wir nicht einmal um einen O-Ton gebeten. Doch alle, die etwas von Medien- und Kommunikationspsychologie verstehen, wissen, dass Menschen in ihrer Rolle als Empfänger von Sendungen angesprochen werden müssen, wenn sie erreicht werden sollen. Fast könnte der Eindruck entstehen, dass der Landesvorsitzende der SPD, Michael Müller, über seine Funktion als Mitglied im rbb-Rundfunkrat die verfilzten Strippen zieht.

DER RABE RALF: Im Fall des Volksbegehrens zum Flughafen Tempelhof gab es auch Anzeigenschaltungen und eine professionelle PR-Beratung...

Thomas Rudek: ... die ihren Preis hatte! Ich erinnere daran, dass unser Spendenvolumen mit 8.000 Euro recht übersichtlich ist. Und was die Anzeigenschaltungen der Wasserbetriebe betrifft, da sind die Anzeigen und Werbetafeln der Wasserbetriebe mit der gelben Plastik-Ente natürlich eine Investition in die psychologische Kriegsführung, um die Verbraucher einer hochtourigen Gehirnwäsche mit anschließendem Schleudergang zu unterziehen. Das Resultat ist eine subtil manipulierte Einstellungshaltung oder - anders formuliert - ein inszeniertes, blütenreines Image, das unterbewusst ablenkt von den Machenschaften der letzten Jahre bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben.

DER RABE RALF: Und dieses Image setzt euch auch beim Unterschriftensammeln zu?

Thomas Rudek: Es erschwert die Arbeit. Denn um die Maskerade zu durchbrechen, müssen wir kommunizieren, müssen aufklären, politische Bildungsarbeit leisten, und da wären wir wieder bei den Medien, genauer bei den Massenmedien und ihrem Auftrag, ausgewogen zu berichten und nicht die herrschende Meinung permanent wiederzukäuen.

DER RABE RALF: Nun erhaltet ihr gerade durch den neuen Dokumentarfilm "Water makes Money" Unterstützung. Ist das mehr als nur ein Wassertropfen auf den heißen Stein der Privatisierung?

Thomas Rudek: Damit dieser Tropfen zum Löschwasser wird, der den Privatisierungsbrand bewältigt, sollte dieser tolle Film nicht nur in vielen Kinos gezeigt werden, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlt und mehrmals wiederholt werden. Verdient hätte er es, zumal dieser Film aus Spenden finanziert worden ist.

DER RABE RALF: Wie sieht die Strategie für den Endspurt des Volksbegehrens aus? Bis zum 26. Oktober müssen 172.000 gültige Unterschriften zusammenkommen.

Thomas Rudek: Wir bitten alle Personen, die uns ihre Unterschrift gegeben haben, auch in ihrem Umfeld Unterschriften zu sammeln. Dann unterstützen uns auch immer mehr Organisationen wie zuletzt die GEW Berlin, der Berliner Mieterverein und Transparency International. Außerdem hoffen wir, dass uns das Grußwort von Günter Wallraff und die Unterstützung von anderen Berliner Künstlern wie Ingo Schulze, Thomas Brussig oder der Band "Silly", der Liedermacherin Ulla Meinecke und Dr. Motte etwas mehr in das Licht der Öffentlichkeit rücken. Auch hätten wir nichts gegen ein sachliches Streitgespräch in den Medien mit Vertretern des Senats und von RWE und Veolia. Wir sind es nicht, die das Gespräch im öffentlichen Raum meiden. Es sind Politik und Wirtschaft, die sich vor einer Diskussion auf gleicher Augenhöhe mit uns drücken. Wenn der zivilgesellschaftliche Widerstand für die Herrschenden gefährlich wird, dann wird der bleierne Mantel des Schweigens verhängt.

DER RABE RALF: Der Rabe Ralf hat glücklicherweise keinen Mantel nötig. Danke für das Gespräch.

Und bitte nicht vergessen: Bis zum 26. Oktober müssen die Unterschriften bei der GRÜNEN LIGA Berlin eingegangen sein!

Thomas Rudek,
Sprecher des Volksbegehrens "Unser Wasser"
Tel.: 030/ 2613389
thrudek@gmx.de

Unterschriftslisten für das Volksbegehren:
www.berliner-wassertisch.net

GRÜNE LIGA Berlin
Prenzlauer Allee 8
10405 Berlin
Tel.: 030/ 4433910

http://www.grueneliga-berlin.de/wp-content/uploads/2010/10/2010_10_raberalf.pdf


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 158, Oktober/November 2010, S. 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010