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MASSNAHMEN/151: Kartellamt ermittelt gegen Berliner Wasserbetriebe (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 956 vom 4. Oktober 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Kartellamt ermittelt gegen Berliner Wasserbetriebe


Eines der Renommierprojekte von VEOLIA in Deutschland sind die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Zusammen mit RWE hält VEOLIA einen 49,9-Prozent-Anteil an den BWB. Jetzt ermittelt das Kartellamt wegen der hohen Wasserpreise in Berlin gegen die BWB. Aufgrund überzogener Wasserpreise seien im Jahr 2009 Gewinne in Höhe von 332 Millionen Euro an das Land Berlin und die beiden privaten Gesellschafter geflossen. Der gemeinsame Preis für Trink- und Abwasser liegt in Berlin derzeit bei 5,12 Euro pro Kubikmeter. Im Vergleich der Großstädte sei nur in Potsdam und in Halle (Saale) das Wasser teurer als in Berlin. Demgegenüber liege der Wasserpreis in Köln bei nur 3,33 Euro. Bei einem Jahresverbrauch von 100 Kubikmetern zahle der Berliner Haushalt 179 Euro mehr als der im Rheinland, moniert das Kartellamt. Deshalb wolle das Kartellamt jetzt Personalkosten [!?] und Gewinne der Berliner Wasserbetriebe (BWB) unter die Lupe nehmen. Auch um die "rekordverdächtige Umsatzrendite" (Berliner Kurier) wolle sich das Kartellamt kümmern. Die BWB-Umsatzrendite liege bei 25 Prozent. Nach dem umstrittenen Urteil des Bundesgerichtshofs gegen die Stadtwerke Wetzlar (s. RUNBR. 940/1-3) dürfen die Kartellbehörden Wasserpreise senken. In Berlin waren die Bundeswettbewerbshüter von Wirtschaftssenator HARALD WOLF (Linke) gegen die BWB in Stellung gebracht worden. Da WOLF gleichzeitig Chef der eigentlich zuständigen Berliner Kartellbehörde ist und dem BWB-Aufsichtsrat vorsitzt, hatte er das externe Bundeskartellamt um eine Preisüberprüfung gebeten. Wolf wird unterstellt, dass er durch eine Nadelstichpolitik die privaten Anteilseigner derart nerven will, dass VEOLIA und RWE in Berlin von sich aus das Handtuch werfen. 1999 waren 49,9 Prozent der BWB an RWE und Veolia für 1,7 Milliarden Euro verkauft worden. Seit 2003 waren die zunächst eingefrorenen Wasserpreise in Berlin um 22 Prozent gestiegen. Lt. Berliner Kurier vom 03.10.10 (online-Ausgabe) habe das Kartellamt 42 Wasserversorger dazu aufgefordert, dem Amt die jeweiligen Preis-Kalkulations-Daten offenzulegen. Der Berliner Kurier zitiert "Experten", die meinen, dass aufgrund der Intervention des Kartellamts die Preise in Berlin um 30 Prozent sinken könnten.


"Die BerlinerInnen zahlen für die Privatisierung doppelt"

In einem langen Aufsatz in der Sept.-Ausgabe der Monatszeitschrift "analyse & kritik" (ak) rekapituliert GERLINDE SCHERMER noch ein Mal die skandalöse Geschichte des Privatisierungskurses in der Berliner Wirtschafts-, Finanz- und Kommunalpolitik. Die SPD-Politikerin hat über viele Jahre hinweg gegen die große Mehrheit der SPD-Parteifunktionäre diese Privatisierungspolitik entschieden bekämpft. Insbesondere ihr Eintreten gegen die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe hat GERLINDE SCHERMER zumindest in der attac-Szene bundesweit bekannt gemacht. In ihrem ak-Aufsatz schreibt SCHERMER zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe an VEOLIA und REW u.a., "dass die privaten AnteilseignerInnen ihre Beteiligung in Höhe von 1,68 Mrd. Euro keineswegs aus eigenen Rücklagen finanziert" hätten. Die privaten "Investoren" hätten nämlich beim Kauf der 49,9 Prozent Anteile ihren Einstieg fremdfinanziert:

"Sie haben Kredite aufgenommen und so ihre Schuldenlast vergrößert. Diese privaten Schulden wurden in Folge in die Wassertarife einkalkuliert. Also bezahlen wir doppelt. Warum? Wir bezahlen die Kreditzinsen der Privaten, aber ihnen gehört das bisher öffentliche Eigentum nun auf Dauer. Noch dazu speist sich die Rendite der Privaten aus dem Abbau von tariflich bezahlten Arbeitsplätzen, aus Arbeitsverdichtung, Senkung der Instandhaltungskosten und aus Gebührensteigerungen für die NutzerInnen, also uns. Die Wasserversorgung Berlins ist zur Gelddruckmaschine geworden. Ein freiwilliger Rückzug der Giganten RWE und Veolia aus dem lukrativen Berliner Investment ist nicht zu erwarten. Gerade RWE hat in der Finanzkrise offenbaren müssen, dass es mit einer Schuldenlast von 20 Mrd. Euro zur Konsolidierung gezwungen ist. Da kommt die im geheimen Vertrag für mindestens 30 Jahre garantierte, sichere Rendite aus Berlin gerade Recht. Zum Vergleich: Die Mauer in Berlin stand nur 28 Jahre. Die Konzerne predigen den Wettbewerb, sie selbst aber lassen sich vom Staat über geheime PPP-Verträge die Rendite garantieren."


Nahezu 100 StudentInnen haben bislang ein Praktikum beim Ak Wasser im BBU absolviert. Dabei gewannen sie Einblicke in die deutsche Wasserwirtschaft, die in keinem Studiengang vermittelt werden. Wir suchen ständig weiter wasserbegeisterte Studis, die daran interessiert sind, bei uns ihr wasserwirtschaftliches Wissen abzurunden.

Ein Pressespiegel über die dramatische Arsenvergiftung des Brunnenwassers in Bangladesh, die vermuteten Ursachen der Arsenbelastung, die unzureichenden Abhilfe- und Warnmaßnahmen sowie die verheerenden gesundheitlichen Auswirkungen gibt es bei uns gegen VOREINSENDUNG von 5 Euro (V-Scheck, Briefm. bar).


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 956/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
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E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2010