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NUTZUNG/205: Wassermangel und -verschwendung in Guadalajara, Mexiko (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 4-6/2009

Wo sauberes Wasser knapp ist
Lehrende und Studierende aus dem Institut für Geographie stießen in Mexikos zweitgrößter Stadt auf Mangel und Verschwendung

Von Petra Görlich


In einem Projekt zum Thema "Wasser, Gesellschaft und städtischer Raum" haben im vergangenen Jahr Studierende des Instituts für Geographie unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Joachim Bürkner und Dr. Alexandra Budke die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der mexikanischen Metropolregion Guadalajara untersucht. Die Ergebnisse ihrer Recherchen führen den Zusammenhang zwischen sozialem Status der Bewohner, sozialräumlichen Unterschieden und Qualität der Wasserver- und Abwasserentsorgung vor Augen.


Ähnlich wie andere Metropolen in Entwicklungs- und Schwellenländern hat auch die zweitgrößte Stadt Mexikos, Guadalajara, Schwierigkeiten, ihre Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und das Abwasser umweltverträglich zu entsorgen. Je nach sozialer Herkunft wird beides freilich von den Menschen unterschiedlich stark wahrgenommen. Uni-Studierende der Geografie haben diese Situation genauer aufgearbeitet und in der jetzt erschienenen Publikation "Wasser, Gesellschaft und städtischer Raum in Mexiko" festgehalten. Dem voraus gegangen war eine zweiwöchige Exkursion nach Guadalajara.

In Guadalajara hat sich die Einwohnerzahl seit 1950 mehr als verzehnfacht. Heute leben hier etwas mehr als vier Millionen Menschen. Die starke Verstädterung und Industrialisierung führen zu einem stetig wachsenden Wasserverbrauch, der immer mehr zum Problem wird. Denn etwa 70 Prozent des Wasserbedarfs wird heute zwar noch aus dem naheliegenden Lago Chapala gedeckt, doch der führt wenig Wasser. Noch schlimmer: Seine Verschmutzung nimmt stetig zu. "Damit wird die Trinkwasserversorgung künftig noch schwieriger", so Budke. Es gibt zwar Pläne für einen neuen Staudamm, der aus dem aufgestauten Wasser des Rio Santiago Trinkwasser gewinnen soll, doch die Risiken dieses Projekts sind nach Einschätzung des Teams aufgrund des hohen technischen Aufwandes, der ungünstigen geografischen Gegebenheiten und der immensen Kosten sehr hoch. Sauberes Trinkwasser ist in Mexiko lediglich in speziellen Flaschen oder aus Tanklastwagen käuflich zu erwerben. In den Leitungsnetzen fließt in der Regel ungeklärtes Nass. In reicheren Wohnvierteln allerdings existieren mitunter eigene kleinere Kläranlagen. Hier ist auch der Pro-Kopf-Verbrauch am höchsten, denn wie in anderen lateinamerikanischen Ländern auch ist Wasser ein Statussymbol.

Das Problem der Abwasserbeseitigung ist nicht geringer. 85 Prozent des Abwassers fließt ungeklärt in die Flüsse Rio Atemajac und Rio Santiago. Da es außerdem keine effektiven Kontrollen der industriellen Einleitungen gibt, ist das Wasser der Flüsse durch zahlreiche giftiger Substanzen verseucht.

Der Rio Atemajac war es auch, der im Mittelpunkt des Interesses der Potsdamer Gruppe stand. Gründe dafür waren seine unterschiedlichen Wasserqualitäten und Nutzungsformen sowie korrespondierende sozioökonomische Unterschiede der Anwohner. Was bei den empirischen Erkundungen der Studierenden auf der Strecke zwischen Ober- und Unterlauf herauskam, war entsprechend vielschichtig. Während demnach von allen Anwohnern die Gesamtsituation des Flusses eher negativ beurteilt wurde, unterschieden sie sich schon bei der Wahrnehmung der Flusseigenschaften. Wer am Oberlauf residierte, damit zumeist zu den Wohlhabenderen gehörte, wusste über die unterschiedlichen Wasserqualitäten und zur Wassernutzung gut Bescheid. Schon diejenigen der Mittelschicht-Quartiere etwas unterhalb aber und erst Recht die am Ende des Flusslaufs lebenden noch Ärmeren nahmen jedoch lediglich das wahr, was sie unmittelbar betraf, etwa das vom Wasser ausgehende Gesundheitsrisiko oder auch die Geruchsbelästigung. "Die Quartiere an den Streckenabschnitten sind fast autark", stellt Budke fest. "Man weiß wenig voneinander, es gibt kaum einen Austausch."

Die Erhebungen fanden in enger Kooperation mit lokalen Verwaltungen und engagierten Nichtregierungsorganisationen sowie Studierenden und Lehrenden der Jesuitischen Universität Guadalajara statt. Die Hochschule war bereits als Partner am zuvor abgeschlossenen Forschungsprojekt "Place Making for sustainable maga-cities of tomorrow" beteiligt, das vom kooperierenden Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung entwickelt worden war und nun ideale Anknüpfungspunkte bot. Inzwischen gibt es zwischen der Universität und dem Institut für Geographie einen Kooperationsvertrag.

Die Potsdamer werden ihre Exkursionsergebnisse nun auch allen Beteiligten auf mexikanischer Seite zur Verfügung stellen. Konkrete Handlungsempfehlungen allerdings sprechen sie nicht aus.


Wasser, Gesellschaft und städtischer Raum in Mexiko,
Praxis Kultur- und Sozialgeographie/PKS 45,
ISBN 978-3-940793-78-2


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 4-6/2009, Seite 33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009