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NUTZUNG/208: Wasser in beliebiger Menge - für Millionen Menschen ein Wunschtraum (Securvital)


Securvital 4/2009 - Juli/August Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Umwelt & Gesundheit

WasserMangel

Von Frank Kürschner-Pelkmann


In vielen Teilen der Welt wird der Mangel an sauberem Trinkwasser zum Gesundheitsproblem. Ein Großteil der Weltbevölkerung leidet unter Wassermangel. Die Trinkwasser-Krise wird sich zuspitzen, befürchten die Vereinten Nationen.


Dass Wasser so wie bei uns in Deutschland rund um die Uhr in beliebiger Menge aus dem Hahn kommt, ist für viele Millionen Menschen in armen Ländern der Welt ein Wunschtraum. In der afrikanischen Großstadt Dar es Salaam zum Beispiel haben nur acht Prozent der Einwohner einen häuslichen Wasseranschluss. Und der nutzt wenig, wenn mal wieder kein Wasser aus dem Hahn kommt, weil die Pumpen des Wasserwerks kaputt sind. Von der Wassermenge, die das Wasserwerk in die Leitungen pumpt, kommt ein Drittel gar nicht erst bei den Kunden an, sondern versickert in unzähligen Leckagen. Das, was ankommt, ist so verschmutzt, dass man es vor Gebrauch abkochen sollte.

Dar es Salaam ist keine Ausnahme. Weltweit haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das ist ein Mangel mit tödlichen Folgen: Nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF sterben jeden Tag 4.000 Kinder, weil ihnen sauberes Trinkwasser fehlt. Wo weit und breit kein Wasserhahn ist, da müssen Frauen und Mädchen oft viele Kilometer laufen, um den nächsten Brunnen oder Fluss zu erreichen und dann mühsam einen schweren Kanister Wasser auf dem Kopf nach Haus zu tragen.


Schlechte Geschäfte

Vor einigen Jahren glaubten große internationale Wasserkonzerne, dass mit dem immer knapper werdenden "blauen Gold" viel Geld zu verdienen sei. Unternehmen wie RWE übernahmen in vielen Städten im Süden der Welt die Wasserversorgung. Aber die Ernüchterung folgte rasch. Es fehlte an zahlungskräftigen Kunden - und viele waren nicht einmal willig, die steigenden Wasserpreise zu bezahlen, sondern zapften einfach das kostbare Nass aus den Hauptleitungen ab. Außerdem erwiesen sich die maroden Leitungsnetze als Millionengrab.

Die Konzerne haben sich vielerorts wieder zurückgezogen. Jetzt unternehmen staatliche Stellen den mühsamen, aber oft erfolgreichen Versuch, unter aktiver Einbeziehung der lokalen Bevölkerung einfache lokale Versorgungssysteme aufzubauen.

Jeder Euro, der in Trinkwasserversorgung und sanitäre Entsorgung investiert wird, bringt nach UN-Berechnungen einen 4- bis 12-fachen Ertrag: Es gibt weniger Durchfallerkrankungen, weniger Todesfälle, mehr Schulbesuch von Mädchen, die nicht mehr eimerweise Wasser nach Haus schleppen müssen und viele andere Vorteile für Gesundheit und wirtschaftliche Entwicklung.


Zunehmende Konflikte

Aber noch fehlen viele Milliarden Euro, damit das frühere UN-Motto endlich Wirklichkeit wird: Wasser für alle! Die Misere wird durch den Klimawandel noch verschärft, denn in Dürreregionen Afrikas regnet es nun noch weniger, und überall nehmen extreme Wetterereignisse an Zahl und Intensität zu. Das verschärft die Konflikte um das knappe Gut Wasser.

"Whisky ist zum Trinken da, Wasser, um darum zu kämpfen", so soll der amerikanische Schriftsteller Mark Twain die Konflikte um das Wasser in der Zeit des Wilden Westens in den USA beschrieben haben. Heute herrschen vielerorts auf der Welt "Wildwest-Verhältnisse". Das beginnt im Dorf, wenn beispielsweise indische Bauern den großen Getränkekonzernen wie Coca-Cola vorwerfen, ihnen das Wasser abzugraben. Die Tiefbrunnen für Wasser zur Reinigung und zum Füllen von Millionen Flaschen verursachten einen sinkenden Grundwasserspiegel. Dadurch trocknen die Brunnen in den benachbarten Dörfern aus.

Konflikte gibt es auch auf internationaler Ebene. So speichert die Türkei immer mehr Wasser von Euphrat und Tigris in riesigen Stauseen, um Obst- und Gemüsefelder zu bewässern. Das Nachsehen haben die Bauern in Syrien und im Irak. Besonders im Sommer kommt immer weniger Flusswasser über die Grenzen.

Die Türkei zeigt sich uneinsichtig. Schon vor einigen Jahren wurde der Parlamentsabgeordnete Kamran Inan in der Presse so zitiert: "Es sind unsere Flüsse, es ist unser Wasser, und wir machen damit, was wir wollen." Die Türkei ist nicht das einzige Land, wo die Hähne der Bewässerungsleitungen voll aufgedreht werden, um die Supermärkte der Welt mit billigem Obst und Gemüse zu versorgen.

"Die Leute pumpen, als gäbe es kein Morgen", beschreibt ein Wasserexperte der Weltbank den steigenden Wasserbedarf der Bewässerungslandwirtschaft. 70 Prozent des Wasserverbrauchs strömen auf die Felder, in vielen regenarmen Ländern sogar noch deutlich mehr. Jede Zitrone, die aus den trockenen Mittelmeerregionen zu uns kommt, hat für jedes Gramm Gewicht einen Liter Wasser benötigt. Wer mit Zitronen handelt, handelt deshalb mit riesigen Mengen "virtuellem" Wasser.


"Verseuchtes Wasser bringt vor allem Kleinkindern den Tod"
Eva Luise Köhler, UNICEF-Schirmherrin



Kindersterblichkeit

Wenn zum Beispiel rund um den Aralsee die Hähne der Bewässerungsleitungen kräftig aufgedreht werden, dann profitieren auch wir davon, denn ein Teil der dort angebauten Baumwolle gelangt in die EU. Weil seine Zuflüsse immer weniger Wasser führen, schrumpfte der Aralsee auf ein Drittel der ursprünglichen Fläche. Das Gewässer ist auch noch stark mit Pestiziden aus der Landwirtschaft belastet. Rund um den Aralsee gab es früher Kurorte, heute hat die Region eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt. Tuberkulose und Krebs haben stark zugenommen.

In Deutschland verbraucht jeder Bürger im Durchschnitt täglich rund 125 Liter Wasser aus der Leitung und rund 4.000 Liter "virtuelles" Wasser. Diese Wassermenge ist erforderlich, um Kaffee und Salat, Jeans und Autoreifen entstehen zu lassen. Es reicht deshalb nicht, den heimischen Wasserhahn nur sparsam zu öffnen. Das ist zweifellos wichtig. Nötig ist aber auch, sich bei Einkäufen zu überlegen, ob man zum Beispiel wirklich im Winter Salat benötigt, der im wasserarmen Südspanien mit großem Wasseraufwand erzeugt wird. Der weltweite "Wasserhahn" braucht einen Spareinsatz. Die Menschheit kann nicht ausprobieren, wie lange Wasser fließt, wenn alle Hähne voll aufgedreht werden.


So viel Wasser wird verbraucht

Etwa 125 Liter Wasser verbraucht jeder Deutsche im Durchschnitt pro Tag, hauptsächlich für Körperpflege und Wäsche (70 Liter) und Toilettenspülung (40 Liter). Weitaus höher ist der indirekte Wasserverbrauch, der für die Produktion von Konsumgütern benötigt wird. Das summiert sich auf etwa 4.000 Liter täglich pro Person.

Für einzelne Produke werden so viele Liter Wasser benötigt:
10 Liter
35 Liter
140 Liter
150 Liter
200 Liter
2.000 Liter
15.000 Liter
1 Blatt Papier   
1 Tasse Tee      
1 Tasse Kaffee   
1 Apfel          
1 Liter Milch    
1 Baumwoll-T-Shirt
1 Kilo Rindfleisch

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Quelle:
Securvital 4/2009 - Juli/August, Seite 32-34
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH -
Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2009