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NUTZUNG/213: In Sachen Klimawandel - Die Zukunft des Wassers (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Die Zukunft des Wassers

Von Tilo Arnhold


Seit Jahrtausenden war er Quelle des Wohlstands, ernährte seine Anwohner und ließ Hochkulturen gedeihen. Auch heute noch ist Ägypten fast ausschließlich auf das Wasser des Nils angewiesen. Doch in Zeiten von Klimawandel und Bevölkerungsexplosion ist die Zukunft unsicher: Standen in den 90er Jahren statistisch gesehen jedem Ägypter 1.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr zu Verfügung, so werden es 2030 wahrscheinlich nur noch 400 sein. Das Einzugsgebiet des Nils verteilt sich auf zehn Länder mit über einer Viertel Milliarde Menschen. Seit zehn Jahren versuchen die Anrainerstaaten im Rahmen der Nilbeckeninitiative, einen multilateralen Vertrag zur Nilwassernutzung auszuhandeln. Im Sommer dieses Jahres vertagten die Länder den Abschluss erneut um ein halbes Jahr, um offene Streitfragen zu klären. Das Beispiel zeigt, welches politische Konfliktpotenzial die Ressource Wasser birgt.

So wie im Nilbecken sind überall auf der Welt Menschen davon abhängig, dass Flüsse als wichtige Ressource für Trinkwasser und zur Bewässerung effektiv gemanagt werden. In den Industrieregionen ist die mangelhafte Gewässergüte das Hauptproblem. In semiariden und ariden Regionen stellt die Wasserknappheit die größte Hürde für die Entwicklung dar. Klima- und Landnutzungswandel, steigender Bevölkerungsdruck in vielen Teilen der Welt und eine zunehmende Zahl an Extremwetterereignissen werden diese Probleme im globalen Maßstab verschärfen. Ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser setzt voraus, dass geeignete Strategien, Konzepte und Maßnahmen umgesetzt werden. Wassernutzungstechnologien und Bewirtschaftungsmethoden müssen an die Standorte angepasst werden. Deshalb werden Methoden entwickelt, die helfen sollen, derartig komplexe Systeme zu managen, denn die Anpassung an den Klimawandel kann nur auf regionaler Ebene gelingen.

Wasserdilemma im Jordangebiet

Was passiert, wenn eine Region über ihre Verhältnisse lebt, ist am Rande des Toten Meeres eindrucksvoll zu sehen. Das Binnenmeer wird vom Fluss Jordan gespeist, dessen Wasser in immer stärkerem Maße zur Bewässerung eingesetzt wird. Die Folge: Pro Jahr sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres um einen Meter. Da das Wasser des Jordans auch aus qualitativen Gründen praktisch nicht mehr als Trinkwasser zu gebrauchen ist, werden die Menschen zusätzlich aus tiefen Brunnen versorgt. So sinkt der Grundwasserspiegel weiter und fossile Wasserreserven werden angebohrt, die sich über Millionen von Jahren gebildet haben. "Das fossile Wasser wird aber in einigen Jahrzehnten erschöpft sein", beschreibt Dr. Roland Müller vom UFZ das Dilemma. "An der Wiederverwendung von Abwasser führt daher kein Weg vorbei. Wenn sich die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln wird, dann muss sich der Umgang mit der knappen Ressource Wasser in dieser Region drastisch ändern." Zusammen mit israelischen, palästinensischen und jordanischen Kollegen suchen die Helmholtz-Forscher daher nach Wegen, die Wasserversorgung im Nahen Osten zu stabilisieren. So wurde im Herbst im jordanischen AI-Fuhays eine Pilotanlage zur Abwasserreinigung in Betrieb genommen. "Wenn künftig die Landwirtschaft als größter Verbraucher gereinigtes Abwasser nutzt, dann würde das die knappen fossilen Ressourcen spürbar entlasten", hofft Dr. Tino Rödiger, der am UFZ an Methoden zur künstlichen Regenerierung der Grundwasserleiter forscht.

Politischer Wille notwendig

Dass deutsche Wissenschaftler in verschiedensten Regionen der Erde an der Lösung von Wasserproblemen beteiligt sind, ist für Prof. Dr. Dietrich Borchardt vom UFZ, der das Vernetzungsprojekt zum Integrierten Wasserressourcen-Management (IWRM) koordiniert, kein Zufall. Rechtsverbindliches IWRM gibt es weltweit nur in Europa, und von den EU-Ländern kann Deutschland besondere Erfolge vorweisen. Es gilt international als ein Land, in dem es gelungen ist, einen hohen Standard umzusetzen. Paradebeispiel ist die Sanierung des Rheins, der durch ungehemmtes Wirtschaftswachstum in den 60er und 70er Jahren kurz vor dem Kollaps stand und dessen Anrainerstaaten Frankreich, Deutschland und die Niederlande sich über Jahrzehnte nicht auf eine gemeinsame Schutzanstrengung einigen konnten. "Eigentlich hätte auch hier eine Situation wie heute im Nahen Osten oder im Araleinzugsgebiet entstehen können. Aber es ist gelungen, auch aufgrund eines politischen Willensbildungsprozesses, das abzuwenden. Diese Leistung kann man gar nicht hoch genug einschätzen", meint Borchardt.

Kritische Entwicklungen in der Mongolei

Auch in der Mongolei hilft diese politische Glaubwürdigkeit den Forschern. Wie im Nahen Osten wächst hier die urbane Bevölkerung ebenfalls überproportional stark. Dem Wachstum sind aber Grenzen gesetzt, denn die Wasserver- und -entsorgung der Städte ist bereits heute unzureichend - mit dramatischen Konsequenzen für die Verbreitung von Krankheiten. Je stärker sich diese Entwicklungen beschleunigen, umso kritischer wird der Zustand. Dazu kommt, dass die Mongolei und die zentralasiatische Region zu den letzten großräumig ungestörten Naturregionen gehören. "Das Kharaa-Becken entwässert in den Baikalsee, den tiefsten und ältesten See der Erde. Alles, was in unserem Untersuchungsgebiet passiert, hat also unmittelbar Auswirkung auf dieses einzigartige Weltnaturerbe", erläutert Dietrich Borchardt. Neben dem Baikal gibt es noch eine Reihe weiterer Seen in der Region, die alle unter Naturschutz stehen. Bei manchen wird befürchtet, dass sich diese wie der Aralsee entwickeln könnten, sich also entweder chemisch stark verändern oder extrem schrumpfen. Von den kleineren Seen sind einige bereits heute schon verschwunden. In anderen Bereichen wird das Wasserangebot dagegen zunehmen. Das kann aber trotzdem bedeuten, dass die Lebensumstände härter werden - zum Beispiel wenn feuchte und schneereiche Winter die traditionelle nomadische Lebensweise beeinträchtigen. Der Klimawandel bedeutet also eine grundlegende Veränderung der Lebensverhältnisse in diesen ländlichen Räumen. Zusammen mit seinen Kollegen entwickelt Borchardt Methoden, die nachhaltiges Wirtschaften in der Mongolei ermöglichen sollen. "Trotz vergleichsweise geringerem Lebensstandard ist der Wasserverbrauch in den urbanen Regionen exorbitant hoch. Die Verschwendung ist mehr als schmerzlich. Die Infrastrukturen sind marode. Es fehlen die Mittel, um Technologien zum Wassersparen einzusetzen." Die wirtschaftliche Wiederverwendung von Abwasser wäre ein Teil der Anpassungsstrategien, um dem Klimawandel zu begegnen. Damit könnten die Grundwasservorräte angereichert oder Wälder bewässert werden. Doch moderne Technik allein wird das Problem nicht lösen können. Es fehlt auch an Konzepten für besonders wichtige Quellregionen. 30 Prozent des Einzugsgebietes liefern 90 Prozent des Wassers. Diese "Wassertürme" sind Gebiete, die großräumig vor Forstwirtschaft, Bergbau und Weidewirtschaft geschützt werden müssten. Seit Ende der Planwirtschaft ist der Viehbestand um etwa ein Drittel angestiegen. Kashmirziegen, Schafe und Rinder werden exportiert. "Der chinesische Markt nimmt alles ab, was produziert wird, In der Flussaue dort erreicht die Viehdichte ein Niveau, das dauerhaft nicht tragbar ist. Die Mongolei hat knapp drei Millionen Einwohner auf der vierfachen Fläche Deutschlands, aber wahrscheinlich etwa 40 Millionen Nutztiere, die sich in den fruchtbaren Flussauen zu bestimmten Zeiten so konzentrieren, dass der Zustand inzwischen kritisch ist - mit allen Problemen wie Überweidung, Erosion, Wasserverschmutzung und so weiter", kritisiert der Gewässerökologe Borchardt. "Stimmen werden immer lauter, die Freiheit der privaten Wsssernutzung erneut zu beschränken. Es bedarf Obergrenzen - auch in einem freien Markt." Ein Problem, das auf politischer Ebene gelöst werden muss. Dabei stehen die kulturellen Zeichen günstig: Wasser ist in dieser Region ein viel präsenteres Thema als in Europa, denn Wasser ist traditionell und spirituell ein hohes Gut in der Mongolei und jedes Oberflächengewässer ist auch heute noch bei den Nomaden eine Trinkwasserressource für Mensch und Vieh. Trotzdem geht es auch hier darum, den Menschen verständlich zu machen, was der Klimawandel für sie bedeuten wird: Mit modernerem Umweltmonitoring sind bessere Prognosen möglich. Und damit wiederum können politische Entscheidungen besser begründet und Probleme besser kommuniziert werden. Mit Spekulationen ist niemandem geholfen.

• Dr. Roland-Arno Müller
Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum (UBZ)
Telefon: 0341/235-1275

e-mail: roland.mueller@ufz.de
mehr Informationen: www.iwrm-smart.org
• Prof. Dr. Dietrich Borchardt
Dept. Aquatische Ökosystemanalyse
(und Fließgewässerökologie)

Telefon: 0391/810-9757
e-mail:
dietrich.borchardt@ufz.de
mehr Informationen: www.iwrm-momo.de


INTEGRIERTES WASSERRESSOURCEN-MANAGEMENT (IWRM)

Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen soll dazu beitragen, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung ohne Beeinträchtigung der lebenswichtigen Ökosysteme und unter gerechten Bedingungen bei der Ressourcennutzung voranzutreiben. Das Konzept eines Integrierten Wasserressourcen-Managements wurde bereits 1992 mit den Dublin-Prinzipien und der Agenda 21 international als Leitbild verankert. Weltweit leiden derzeit etwa 800 Millionen Menschen unter Trinkwasserknappheit. 3,2 Milliarden Menschen leben in Verhältnissen ohne sichere Abwasserentsorgung. Bis 2015 wollen die Vereinten Nationen die Zahl der Betroffenen halbieren. Deshalb hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Förderschwerpunkt aufgelegt, in dem IWRM-Konzepte für 16 ausgewählte Modellregionen der Welt entwickelt werden. Das UFZ ist an den Modellregionen Jordan und Mongolei beteiligt und für die Vernetzung der 16 Projekte zuständig. www.wasserressourcen-management.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

UFZ-Wissenschaftler nehmen Wasserproben aus unterschiedlichen Tiefen des Toten Meeres, um die Schichtung des Wasserkörpers zu verstehen und Grundwassereinflüsse zu erkennen. Der Wasserspiegel des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um etwa einen Meter.
Romantik am Eroo im Khentil-Gebirge in der Mongolei. Unkontrollierter Holzeinschlag, Waldbrände, Bergbau, die exorbitant steigende Weidewirtschaft und der Klimawandel werden auch hier ihre Spuren hinterlassen, wenn nicht nachhaltig gewirtschaftet wird: Überweidung, Bodenerosion, Wasserverschmutzung, Hochwasser oder Wassermangel. (Foto: Dietrich Borchardt)

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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 8-9
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2009