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RECHT/064: Mindestzugang zu Wasser für alle Einwohner der EU (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1127 vom 06. April 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


Ein Mindestzugang zu Wasser für alle Einwohner der EU

Was der Entwurf der Revision der alten EG-Trinkwasserrichtlinie von 1998 Neues zu bieten hat, war Thema im RUNDBR. 1126. In diesem RUNDBR. werden die vorgesehene Implementierung des Menschenrechts auf Wasser in die Richtlinie erläutert: Im Jahr 2015 hatte die europäische Bürgerinitiative "Recht auf Wasser" ("Right2Water") mit ihrem Engagement gegen die von der EU-Kommission betriebene Liberalisierung des "Wassermarktes" für Furore gesorgt. Die Bürgerinitiative konnte in den EU-Mitgliedsstaaten mehr als zwei Millionen Unterschriften sammeln. Ziel der Bürgerinitiative war nicht nur die Abwehr von Liberalisierungs- und Privatisierungsvorstößen. Die Akteure setzten sich auch dafür ein, dass sich die EU das Menschenrecht auf Wasser zu eigen machen sollte. Mit ihrem Novellenentwurf zur Trinkwasserrichtlinie versucht die EU-Kommission, auf das Votum der europäischen Bürgerinitiative einzugehen. Treiber für die Berücksichtigung des Menschenrechts auf Wasser ist aber nicht nur allein die europäische Bürgerinitiative. Die EU-Kommission steht auch im Hinblick auf die Sustainable Development Goals (SDG) unter Handlungsdruck. Im SDG 6 hatte die UN im Jahr 2015 beschlossen, dass bis 2030 für alle Menschen auf dem Globus der "allgemeine und gerechte Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser" gewährleistet sein müsse. In ihrem Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie bezieht sich die EU-Kommission auch auf den berühmten Erwägungsgrund 1 der EG-Wasserrahmenrichtline:

"Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware!" Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung sei untrennbar mit dem Recht auf Leben und der Menschenwürde verbunden. Dies sei in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt worden. Die Kommission unterstreicht in der Begründung zur Neufassung der Richtlinie ferner "die Bedeutung der menschenrechtlichen Dimension des Zugangs zu sauberem Trinkwasser". Man werde "dafür Sorge tragen", dass dieser Grundsatz "auch weiterhin Mittelpunkt" der Politik der EU-Kommission sein wird. Um die Verankerung des Menschenrechts auf Wasser in der Trinkwasserrichtlinie zu legitimieren, hebt die Kommission zudem hervor, dass "im Laufe des letzten Jahrzehnts (...) das Recht auf sauberes Trinkwasser und eine sanitäre Grundversorgung vom Völkerrecht anerkannt" worden sei. So habe die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution Nr. 64/292 "das Recht auf gesundheitlich unbedenkliches und sauberes Trinkwasser und eine sanitäre Grundversorgung als ein Menschenrecht" anerkannt, "das zum vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte unverzichtbar" sei. Im endgültigen Abschlussdokument der UN-Konferenz von 2012 zum Thema nachhaltige Entwicklung (RIO+20) hätten die Staats- und Regierungschefs erneut zugesichert "ihre Zusagen bezüglich des Rechts des Menschen auf unbedenkliches Trinkwasser und eine sanitäre Grundversorgung für ihre [jeweiligen] Bevölkerungen unter Beachtung der nationalen Souveränität schrittweise realisieren zu wollen".

Man habe deshalb beschlossen, in den Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie "eine allgemeine Verpflichtung zur Verbesserung des Zugangs zu Trinkwasser für jedermann und zur Sicherung des Zugangs zu Wasser für schutzbedürftige und ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen einzuführen". Entsprechend der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität bleibe es allerdings den Mitgliedsstaaten überlassen, selbst zu entscheiden, "wie der Zugang zu Wasser unter Berücksichtigung besonderer lokaler Gegebenheiten optimiert werden" könne.

Art. 13: Wasser für alle!

Die Gewährleistung des Zugangs zu Trinkwasser wird künftig in Art. 13 der Richtlinie zu finden sein. Danach sind die Mitgliedsstaaten der EU u.a. verpflichtet, "alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um den Zugang schutzbedürftiger und ausgegrenzter Bevölkerungsgruppen zu Trinkwasser zu sichern". Da der Zugang zu Trinkwasser für sozial benachteiligte Menschen auch eine Kostenfrage sein kann, heißt es in der Einzelbegründung zu Art. 13, dass zwar "jede Wassergebührenpolitik in der Union dem Grundsatz der Kostendeckung und dem Verursacherprinzip Rechnung tragen" müsse - aber:
"Bei der Festlegung unterschiedlicher Wassertarife dürfen die Mitgliedstaaten auch unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Verhältnisse innerhalb der Bevölkerung berücksichtigen."

Der Grundsatz der Kostendeckung hindere die Mitgliedstaaten folglich nicht daran, "auch Sozialtarife oder Maßnahmen zum Schutz von Bevölkerungsgruppen vor sozioökonomischer Benachteiligung festzulegen".

Daneben wird in Art. 13 künftig aber auch gefordert, dass die "Nutzung von Leitungswasser in öffentlichen Gebäuden und Restaurants" zu fördern sei.

Ferner müsse gewährleistet werden, "dass in den meisten Städten frei zugängliche Trinkwasseranlagen (Leitungswasser) zur Verfügung stehen". In der Begründung zur Richtliniennovelle schreibt die Kommission, dass zur Frage, ob die Richtlinie auch den Zugang zu Wasser regeln sollte, bei der zuvor vorgenommenen Konsultation die Meinungen auseinander gegangen seien. Gegner hätten argumentiert, dass der Zugang zu Wasser nicht Gegenstand der Richtlinie sei. Die Gewährleistung des Menschenrechts auf Wasser solle in passenderen EU-Rechtsvorschriften geregelt werden.

Standard-Nivellierung bei der "Verpackung" des Trinkwassers?

Die hygienische Unbedenklichkeit von Materialien, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, war in der alten Trinkwasserrichtlinie 98/83 EG in Art. 10 geregelt. Zu diesen Materialien in der Hausinstallation gehören beispielsweise Rohre, Fittings, Armaturen und darin enthaltene Kunststoff- und Gummidichtungen. In ihrer Analyse der Defizite der bisherigen Trinkwasserrichtlinie war die EU-Kommission zum Schluss gekommen, dass die Bestimmungen in Art. 10 ein Hindernis für den europäischen Binnenmarkt darstellen würden. Einzelne Länder hätten besonders hohe Ansprüche an die hygienische Unbedenklichkeit formuliert, was zu Handelshemmnissen gegenüber den Ländern mit lascheren Anforderungen führen würde. In Anspielung auf das "FRABO-Urteil" (siehe RUNDBR. 1057/1-2, 1023/1-3) argumentiert die EU-Kommission in ihrer Begründung zur geplanten Neufassung der Richtlinie, dass die "Rechtsunsicherheit" im Binnenmarkt aufgrund unterschiedlicher Standards beseitigt werden müsse. Die Evaluierung der Richtlinie habe gezeigt,
"dass Artikel 10 der Richtlinie ('Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen') den Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Frage, welches die 'erforderlichen Maßnahmen' sind, zu viel Spielraum lässt, mit dem Ergebnis, dass zusätzliche Prüfungen und Kontrollen durchgeführt werden mussten, wenn ein Produkt in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden sollte, weshalb die Bestimmung letztlich unwirksam war."

Art. 10 habe somit auch in finanzieller Hinsicht zu einer "erheblichen, unnötigen Belastung" der Trinkwasserversorgung in der EU geführt. Bei der vorlaufenden Konsultation zur Neufassung der Richtlinie hätten "bestimmte Interessenträger (...) immer wieder auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung bei Materialien und Produkten, die mit Trinkwasser in Berührung kommen" verwiesen, heißt es in der Begründung zur Novelle. Und in der Präambel zum Entwurf der neuen Richtlinie wird kritisiert, dass "weiterhin nationale Produktzulassungen mit unterschiedlichen Anforderungen von einem Mitgliedstaat zum anderen" existieren würden. Dies mache "es für die Hersteller schwierig und kostspielig, ihre Produkte in der gesamten Union zu vermarkten". Ziel der Novelle sei deshalb die "Beseitigung von Hemmnissen, die den freien Handel mit Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, verhindern". Um "mehr Kohärenz zu den Binnenmarktvorschriften" und der Bauproduktenverordnung garantieren zu können, schlägt die EU-Kommission jetzt vor, im Rahmen der europäischen Normung (CEN) einheitliche Anforderungen an Baumaterialien und Bauprodukte festzulegen, die mit Trinkwasser in Berührung kommen. Die im Rahmen der Bauproduktenverordnung 305/2011/EU geschaffenen Standards sollen dann im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Damit würden die Normen bindend für den gesamten EU-Wirtschaftsraum.

In einem Schreiben an die EU-Kommission haben wir inzwischen kritisiert, dass dem "freie Warenverkehr" Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der TrinkwasserkonsumentInnen in der EU eingeräumt werden soll. Ferner erläutern wir in unserem Kritikschreiben, dass das in Art. 10 vorgesehene Verfahren überhaupt nicht funktionieren kann. Somit kann weiterhin nicht gewährleistet werden, dass aus Duschschläuchen, Armaturen, Fittings und anderen Installationen im Haushalt keine Schadstoffe oder Keime ins Trinkwasser gelangen. Unser Schreiben an die EU-Kommission kann auf unserer Homepage www.akwasser.de in der Rubrik "Aktuelles" nachgelesen werden.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1127
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2018

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