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BERICHT/089: Griechenland - Chinesische Touristen beleben das Krisengeschäft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010

Tourismus: Rechtzeitige Ankunft - Chinesen beleben das Krisengeschäft

Von Antoaneta Becker


Hydra, Griechenland, 5. November (IPS) - In griechischen Tourismusgebieten sind die Klischees von Chinesen gehörig ins Wanken geraten. Zwar gibt es dort nach wie vor die traditionellen Verkäufer von Billigkleidung und Besitzer von China-Imbissen. Und chinesische Masseurinnen laufen weiterhin auf der Suche nach Kunden die Strände ab. Doch inzwischen kommen auch zunehmend zahlungskräftige Urlauber aus der Volksrepublik.

Für die Einwohner der Insel Hydra sind die Gruppen chinesischer Touristen, die Fotos schießen, Silberschmuck kaufen und in den Tavernen am malerischen Hafen Eiskaffee trinken, längst kein ungewohnter Anblick mehr. Die Asiaten staunen über die verwinkelten Gassen und die honiggelben Häuser im venezianischen Stil. Die Mutigsten leihen sich einen Esel, um die steilen Felsen in der Nähe des Hauptortes zu erklimmen.

Feng Xixing aus Shanghai mietete für 15.000 Euro eine Yacht und einen Skipper, um mit seiner Familie die Saronischen Inseln zu umsegeln. Außer seiner Frau sind auch die beiden Kinder, die Eltern und eine Kinderfrau mit von der Partie. Das mit zwei Kabinen, einer Küche und einem Wohnzimmer ausgestattete Boot liegt im Hafen vor Anker, während die Familie das Städtchen erkundet.

"Das sind die neuen Russen", erklärt der Skipper. "Sie leben den Luxus und können ihn sich auch leisten." Reiche chinesische Feriengäste bescheren dem griechischen Touristiksektor und Geschäften willkommene Einnahmen. Anders als viele Europäer ließen sich die Besucher aus Asien in diesem Sommer selbst durch die heftigen Proteste der griechischen Bevölkerung gegen den von der EU verordneten drakonischen Sparkurs nicht abschrecken. Die Chinesen sahen die Turbulenzen sogar als Chance, um die Preise für Segeltörns und geführte Touren zu drücken.


Warten auf den günstigen Moment

"Seit ich 2004 die Eröffnung der Olympischen Spiele in Athen im Fernsehen sah, wollte ich nach Griechenland", bekennt die Geschäftsfrau Li Hui aus der zentralchinesischen Stadt Wuhan. "Südostasien kenne ich mittlerweile schon gut. Europa war mir lange Zeit zu teuer und ich musste halt auf einen günstigen Moment warten."

Der richtige Augenblick kam in diesem Jahr, als die hohen Staatsschulden Griechenlands ans Licht kamen und der rigide Sparzwang die Bevölkerung in Aufruhr versetzte. Viele Ausländer sagten ihre Reisen ab, nachdem im Mai bei Krawallen in Athen drei Menschen, unter ihnen eine schwangere Frau, ums Leben gekommen waren.

In den ersten sieben Monaten dieses Jahres ging die Zahl der Urlauber im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent zurück, wie der griechische Tourismusverband mitteilte. Vor allem Deutsche und Briten, die etwa ein Drittel der jährlich rund 15 Millionen auswärtigen Besucher ausmachen, stornierten ihre Reisen.

Den griechischen Tourismusverantwortlichen gelang es dennoch rasch, das Blatt zum Besseren zu wenden. Im Mai starteten sie gemeinsam mit ihren türkischen Kollegen eine Kampagne, um gezielt chinesische Urlauber ins Land zu holen. In Istanbul und Athen wurde die Eröffnung von 25 Büros geplant, die sich ausschließlich mit Besuchern aus der Volksrepublik befassen sollten.

Im Juni fuhr der griechische Kultur- und Tourismusminister Pavlos Geroulanos nach Peking, um für die Strände, Tempel und andere Sehenswürdigkeiten seines Landes Werbung zu machen. Seine Worte fielen offensichtlich auf fruchtbaren Boden. Bereits 2005, im Jahr nach den Olympischen Spielen, war Griechenland laut einer Umfrage das beliebteste Ziel der Chinesen.

Bei Pauschalreisen nach Europa wollen Besucher aus der Volksrepublik üblicherweise möglichst viele Länder besuchen, um Besichtigungstouren zu unternehmen und einzukaufen. Griechenland ist ihnen jedoch oft einen längeren Aufenthalt wert.


Perfekte Umgebung für die Hochzeitsreise

"In Griechenland kommt es mir nicht aufs Shoppen an - ich genieße es einfach", sagt Cheng Ziying aus der ostchinesischen Provinz Shandong, die mit ihrem Mann auf Hochzeitsreise auf Hydra ist. "Mir gefällt die klassische Schönheit der Insel und ihre romantischen kleinen Städte. Sie sind perfekt für einen 'Honeymoon'."

Mit etwa 50.000 von 15 Millionen Besuchern im vergangenen Jahr war die Zahl der chinesischen Touristen in Griechenland noch eher gering. Doch die Fremdenverkehrsindustrie hofft, dass es 2010 zehn Mal so viele sein werden. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.culture.gr/war/index_en.jsp
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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2010