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BERICHT/150: Bestnote für Satanisten-Forscherin (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 04.11.2008

Bestnote für Satanisten-Forscherin


Satanisten versammeln sich des Nachts auf Friedhöfen, trinken Blut und beten das Böse an. "Alles Quatsch", sagt Dagmar Fügmann. Für ihre Doktorarbeit hat sie mit Satanisten gesprochen und deren Treffen besucht. Dafür gab es jetzt den Eon-Kulturpreis.

Das weiß doch jedes Kind: Satanisten, das sind die, die in langen schwarzen Mäntel im Dunkeln durch die Straßen ziehen, die Leichen aus den Totenhäusern stehlen, sie ausbluten lassen und das Blut dann während ihrer schwarzen Messen trinken. Oder besser gleich ein Menschenopfer darbringen. Dass es so ist, bestätigen ja auch regelmäßig die Berichte von Aussteigern aus der Satans-Szene.

Zweifel am Wahrheitsgehalt

Dagmar Fügmann kennt solche Berichte zur Genüge. Gleich zu Beginn ihres Studiums ist sie darauf gestoßen - im Rahmen eines Seminars "Woher kommt das Böse?". Allerdings hatte die Studentin schon damals Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Schilderung und hat sich deshalb dafür entschieden, der Angelegenheit einmal wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen mündete in eine Magisterarbeit im Fach Religionsgeschichte, die ihrem Betreuer, dem heute emeritierten Religionswissenschaftler Norbert Klaes so gut gefiel, dass er Fügmann aufforderte, das Thema Satanismus im Rahmen einer Doktorarbeit zu vertiefen.

"Ich wollte wissen, was der eigentliche Kern der Sache ist", beschreibt die heute 38-Jährige ihre Motivation für die Arbeit an einem auf den ersten Blick etwas düsteren Thema. Ganz einfach war das anfangs nicht: "Man kommt nicht leicht an Satanisten heran", sagt Fügmann. Was nicht etwa daran liegt, dass es sich bei ihnen um ein lichtscheues Völkchen handelt. Schlechte Erfahrungen mit der Berichterstattung in den Medien seien vielmehr für diese Zurückgezogenheit verantwortlich.

Als Beobachterin bei einer Satanisten-Versammlung

Immerhin: Mit der Zeit ist es Dagmar Fügmann gelungen, solche Vorbehalte zu vertreiben. Und irgendwann war es dann sogar soweit und die Religionswissenschaftlerin durfte zum ersten Mal als Beobachterin an einer Satanisten-Versammlung teilnehmen - nicht ohne ein gewisses Maß an Nervosität. "Nimm deine Beine unter die Arme und verschwinde", habe sie gedacht, als es im Raum dunkel wurde und Lichtblitzscheiben für eine gruselige Stimmung sorgten. Aber dann hat sich die Doktorandin zusammengerissen und ist geblieben - und hat eine Versammlung erlebt, die ganz anders ablief als sie das aus Beschreibungen in den Medien kannte. Tatsächlich sei der Ritus so unspektakulär verlaufen - "nach dem dritten Mal habe ich bereits eine gewisse Routine empfunden."

Der Mensch setzt sich selbst seine Maßstäbe

Satanisten beten nicht den Teufel an und trinken kein Blut - weder menschliches noch das von Fledermäusen. Zwar gibt es keine einheitliche Lehrmeinung der unterschiedlichen Kirchen und Gruppen - in den USA existiert tatsächlich seit 1966 die offiziell eingetragene Church of Satan. Gemeinsames Leitmotiv aller Anhänger sei jedoch die Überzeugung: "Der Mensch ist sein eigener Gott; er setzt sich selbst seine eigenen Maßstäbe", so Fügmann. Und mit diesen Maßstäben stehen sie oft gar nicht jenseits aller Normen. "Die meisten Ansichten sind ziemlich Mainstream", sagt Fügmann. Eine Bewertung, die nicht alle Satanisten mit großer Freude zur Kenntnis genommen haben. Schließlich definieren sie sich doch in der Regel als gesellschaftliche Elite.

Dagmar Fügmanns Arbeit, welche die Binnenperspektive von Satanisten erforscht, gilt als einzigartig im deutschsprachigen Raum. Ihre Betreuer vergaben dafür die Bestnote "opus eximium", zusammen mit dem Promotionskolloquium wurde ein "summa cum laude" Abschluss daraus. Die Eon Bayern AG hat der Wissenschaftlerin dafür jetzt den Kulturpreis Bayern verliehen. Damit verbunden ist ein Preisgeld von 4.000 Euro.

Wie der Begriff "Religion" Verwendung findet

Was sie mit dem Geld machen wird, weiß die Nachwuchswissenschaftlerin genau: Seit April 2008 arbeitet Fügmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Franz-Brentano-Forschung der Universität Würzburg an einem von der Fritz-Thyssen Stiftung finanzierten Projekt. Gleichzeitig bereitet sie sich auf ihre Habilitation im Bereich Religionswissenschaft vor. Diesmal ist ihr Thema weniger "düster": Der Erforschung des Begriffes "Religion" und wie dieser als Konstruktionselement in den Diskurs zu so genannten Parallelgesellschaften Eingang findet, gilt Dagmar Fügmanns Augenmerk. Die Untersuchung erfolgt am Beispiel des Islam in Deutschland, mit besonderer Berücksichtigung des Rechts- und des Gender-Diskurses, wobei sie für letzteren auch durch ihre Mitarbeit bei der Frauenbeauftragten der Universität sensibilisiert wurde. Das Preisgeld des Kulturpreises Bayern wird in die Finanzierung dieses Habilitationsprojekts fließen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 04.11.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2008