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BERICHT/193: Humanistische Beratung in Belgien (diesseits)


diesseits 2. Quartal, Nr. 83/2008
Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Humanistische Beratung in Belgien
Berliner ehrenamtliche Berater besuchten belgische hauptamtliche Kollegen an ihren Arbeitsplätzen

Von Frank Spade


Antwerpen - Auf dem Weg zur Beerdigung eines Verwandten können sich Erinnerungen einstellen, die nicht einfach zu bewältigen sind. Sollte der Weg per Flugzeug über Brüssel führen, braucht man seinen Kummer nicht im Alkohol zu ertränken, sondern kann sich im Flughafen mit einem Moralischen Berater aussprechen (dem einzigen weltweit).


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Seit 30 Jahren gibt es in Belgien diesen kostenlosen Dienst auch in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Gefängnissen und dem Militär. Zunächst durch ehrenamtliche Kräfte aufgebaut, wird die Beratung heute - dank staatlicher Förderung - von hauptamtlich Beschäftigten geleistet.

Diesem Vorbild folgend, haben zwölf Berliner ehrenamtliche Humanistische Berater und Beraterinnen ein achtzehnmonatiges Ausbildungsprogramm absolviert und Anfang April auf einer viertägigen Bildungsreise ihre Kollegen in Antwerpen besucht. Neben dem Provinzialen Zentrum Moralischer Dienstleistungen (PCMD) wurde das Alters- und Pflegeheim Lozannahof, das Allgemeinmedizinische Krankenhaus Middelheim sowie die Untersuchungshaftanstalt für Männer in Leuven besucht. Festlicher Abschluss der Reise war ein Gala-Dinner im Restaurant "Hof van Liere" der Universität Antwerpen, zu dem Freddy Boeykens, der Leiter des PCMD, eingeladen hatte.

Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch des Gefängnisses, wo die Gruppe von dessen Direktor Paul Dauwe und dem Moralischen Berater Sam de Troyer zu einer dreistündigen Führung empfangen wurde. Während der Besichtigung des Zellentraktes waren auch Gespräche mit Strafgefangenen und Zellenbesuche möglich. Herbert Kobsch, einer der Berliner Berater, hob hervor, dass ihn die Selbstverständlichkeit beeindruckt hat, mit der hier für verschiedene Glaubensrichtungen Beratung und Begleitung angeboten wird. Besonders gut fand er, wie die Dienste zusammen arbeiten und dass der Moralische Berater "sogar den Weggang eines Imamen bedauerte. Das nenne ich Toleranz!", sagte Kobsch.

Die Gastgeberin Ulrike Dausel vom PCMD betonte, "welchen wichtigen Beitrag der jahrelange und engagierte Einsatz ehrenamtlicher Berater bedeutet hat in der zunehmenden Professionalisierung und Weiterentwicklung der Beratung" in Belgien. Sie war überzeugt, dass den Berlinern mit ihrer Begeisterung und der nötigen Unterstützung die Etablierung vergleichbarer Dienste in Deutschland ebenfalls gelingen würde. Dr. Ines Scheibe (Bundesbeauftragte für Humanistische Beratung des HVD) zeigte sich beeindruckt von der Professionalität, Offenheit und angenehmen Ausstrahlung der belgischen Kolleginnen und Kollegen.

Für die Berliner Besucher fasste Evelin Dehl-Storbeck ihren Eindruck wie folgt zusammen: "Ich bin nach dieser Reise mehr denn je überzeugt, dass wir es hier in Berlin auch schaffen werden, eine so weit verbreitete und anerkannte Humanistische Beratung anzubieten - in Flughäfen, Altersheimen, Krankenhäusern und Gefängnissen - und natürlich bezahlt. Der Bedarf ist da!"


Termine zur Humanistischen Beratung werden in Berlin vom Humanistischen Verband unter der Rufnummer 613904-15 vermittelt. Hier können sich auch Bewerber und Bewerberinnen für die nächste Ausbildung melden, die für 2009 geplant ist.


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Quelle:
diesseits 2. Quartal, Nr. 83/Juni/08, S. 12
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2008