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BERICHT/203: Lebenskundeunterricht - Die Rechte der Kinder sind Menschenrechte (diesseits)


diesseits 4. Quartal, Nr. 85/2008 - Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Die Rechte der Kinder sind Menschenrechte
Ein zentrales Thema im Humanistischen Lebenskundeunterricht

Von Eva Ellerkmann


Humanistische Erziehung zielt auf die Heranbildung mündiger Menschen, die eigenverantwortlich urteilen, entscheiden und verantwortungsbewusst handeln. Sie soll junge Menschen befähigen, in ihrer Lebenswelt zu bestehen und die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Der Humanistische Lebenskundeunterricht bietet dafür beste Voraussetzungen. In ihm lernen Schüler und Schülerinnen Menschenrechte als über allen Religionen und Weltanschauungen stehende Vereinbarung von Menschen verstehen, die den verschiedenen Bekenntnissen Schutz bietet und gleichzeitig Grenzen setzt.


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41 Jahre nach der Verkündung der Menschenrechte wurden am 20. November 1989 mit dem "Übereinkommen über die Rechte des Kindes" Kinder und Jugendliche unter besonderen Schutz und Fürsorge gestellt sowie ihnen das Recht auf eine individuelle Förderung zugestanden. In der Präambel der Kinderrechtskonvention kommt zum Ausdruck, dass sie nicht nur fürsorgliche Absichten zum Wohl des Kindes verfolgt, sondern dass sie darauf zielt, "... dass das Kind umfassend auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft vorbereitet und im Geist der in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Ideale und insbesondere im Geist des Friedens, der Würde, der Toleranz, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität erzogen werden sollte". Diese Kernaussagen - Erziehung im Geist des Friedens, der Würde, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Solidarität - bilden die Basis der ethischen Orientierung der Kinderrechtskonvention.

Die Rechte der Kinder werden im Lebenskundeunterricht in zweifacher Hinsicht zum Unterrichtsgegenstand: Einerseits können einzelne Kinderrechte bei der Behandlung unterschiedlicher Themen eingeflochten werden. Zum Beispiel wird das Recht auf einen eigenen Namen (Artikel 7) im 1. und 2. Jahrgang beim Thema "Ich bin ich. Ich bin einmalig" erwähnt. Andererseits können die Artikel der Kinderrechtskonvention in einer Unterrichtseinheit mit den Kategorien Überleben, Entwicklung, Schutz und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen thematisiert werden. Dabei umfasst die Kategorie Überleben die Rechte auf ein annehmbares Zuhause, auf ausreichende und gesunde Ernährung sowie medizinische Betreuung. Entwicklung als Kategorie bezieht sich auf die Rechte auf Bildung, auf kindgerechte Freizeit und Erholung. Die Kategorie Schutz umschließt den Schutz vor Benachteiligung, vor Ausbeutung und Kinderarbeit, vor Kriegsdienst und vor jeglichen Formen der Gewalt. Mit der Kategorie Beteiligung sind die Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf die aktive Teilnahme an gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen und auf Ausübung der eigenen Weltanschauung und Religion gemeint.


Werte integrieren

Das Hauptanliegen des Lebenskundeunterrichts besteht nicht nur in der Vermittlung von Informationen über die Rechte der Kinder, sondern darin, dass sich die Schüler und Schülerinnen mit den Werten, die über die Kernaussagen der Kinderrechtskonvention vermittelt werden, auseinandersetzen und diese in ihre eigene Lebensorientierung und Handlungskompetenz integrieren. Wie wird das erreicht?

Dabei beschreitet der Lebenskundeunterricht zwei aufeinander abgestimmte Wege. Am Beispiel Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung (Artikel 32) werden diese hier veranschaulicht. In Schritt eins erfolgt spezifisch zum ausgewählten Thema die Vermittlung von personaler und sozialer Kompetenz sowie von Sach- und Methodenkompetenz. Zur Bildung der personalen und sozialen Kompetenz überlegen die Schüler z.B., in welcher Form sie in ihrem Alltag Arbeit zur Unterstützung ihrer Familie leisten. Sie entdecken und vergleichen in Bezug auf Kinderarbeit individuelle Gemeinsamkeiten (z.B. Mitarbeit im Haushalt) und Unterschiede (z.B. Arbeit als Straßenverkäufer) zwischen Kindern hier und anderswo. Sie können sich in Kinder hineinversetzen, die vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt sind, ebenso wie in Kinder, die ausgebeutet werden. Hinsichtlich der Sach- und Methodenkompetenz erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler über verschiedene Lernformen die Lebensbedingungen von arbeitenden Kindern. Dazu können sie z.B. Sachtexte zur Kinderarbeit lesen oder unter Zeitdruck Papiertüten herstellen, so wie dies andere Kinder tatsächlich tun müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wirken personale und soziale Kompetenz sowie Sach- und Methodenkompetenz zusammen, zeigt sich die Handlungskompetenz an der Entwicklung und Begründung für den eigenen Standpunkt der Schüler zur Kinderarbeit. Sie können dann z.B. abwägen, ob sie sich beim Einkauf für Produkte (z.B. Nahrungsmittel, Schreibmaterialien, Bälle für den Sportunterricht an der Schule) einsetzen, die ohne Kinderarbeit, mit Kinderarbeit oder unter fairen Arbeitsbedingungen von Kindern produziert wurden.


Moralfragen fördern Urteilsfähigkeit

Die zweite Möglichkeit umfasst die Auseinandersetzung mit ausgewählten Sinn- und Moralfragen zum Thema. Sinnfragen zielen auf das individuelle Verstehen der Menschen, Dinge, Situationen und beinhalten die persönliche Bedeutung für das eigene Leben. Moralfragen hingegen fördern die moralische Urteilsfähigkeit und Sensibilität. So bietet sich als Sinnfrage im Zusammenhang zu Kinderarbeit an: "Was bedeutet es mir, dass ich meine Eltern regelmäßig unterstütze, z.B. im Haushalt, einkaufe oder auf meine Geschwister aufpasse?" Als Moralfrage eignet sich: "Soll man vorwiegend Produkte aus fairem Handel kaufen (auch wenn Geschmack, Aussehen, oder Haltbarkeit nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen)?"

Weitere Vorschläge zur Behandlung der Kinderrechte im Humanistischen Lebenskundeunterricht finden sich in: "Die Rechte der Kinder sind Menschenrechte! Eine Handreichung für Lebenskundelehrer/innen und andere Interessierte", die im Frühjahr 2009 erscheinen wird.


Eva Ellerkmann ist Lebenskunde-Lehrerin in Berlin.


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Quelle:
diesseits 4. Quartal, Nr. 85/Dezember/08, S. 16-17
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

"diesseits" erscheint vierteljährlich am
1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember.
Jahresabonnement: 13,- Euro (inklusive Porto und
Mehrwertsteuer), Einzelexemplar 4,25 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2009