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GESELLSCHAFT/016: Gender Mainstreaming - ganz praktisch (diesseits)


diesseits 1. Quartal, Nr. 78/2007 - Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Gender Mainstreaming - ganz praktisch

Von Ursula Sillge


Es heißt, die Hälfte des Himmels sei weiblich. Da wollen wir doch lieber auf dem Boden der Tatsachen bleiben und die Hälfte auf die Erde holen. GM soll dabei helfen. Ursula Sillge zeigt, wie die im voranstehenden Artikel von Heike Weinbach benannten Forderungen ganz praktisch umgesetzt werden können.


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Eine kommunale Galerie stellt aus. Flyer und Aufsteller informieren am Eingang ausführlich über Biografien und Werke der Künstler und Künstlerinnen, die hier ausstellen dürfen. Es sind acht Männer und zwei Frauen, der übliche Schnitt.

Was hat das mit GM zu tun? Der Begriff steht für eine Strategie, bei der alle Vorhaben, Entscheidungen und Projekte geprüft werden sollen, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken. Eine Kunstausstellung gilt landläufig als geschlechterneutrale Veranstaltung. Es wird Geld ausgegeben für Raummiete, Bewachung, Licht, Druckerei, Organisation, Werbung usw. Im konkreten Fall kommt dies acht Männern zugute, aber nur zwei Frauen.

Ein anderes Beispiel: Eine Kommune plant ihre Ausgaben. Der Gemeinderat ist unschlüssig, ob das Geld für den Sport oder für die Bibliothek ausgegeben werden soll. Für den Sport wird bereits zehnmal mehr aufgewendet als für die Bibliothek. In den Sportgruppen sind überwiegend Jungs und Männer. Die Bibliothek wird zu drei Vierteln von Mädchen und Frauen genutzt.


Faktor Geld

Gender budget ist ein wesentlicher Aspekt bei GM. Wer bekommt das Geld?

Am Gelde hängt's, zum Gelde drängt's. Ohne Geld geht gar nichts. Geld brauchen wir alle, für das täglich Brot, für das Dach über dem Kopf, für den Müll, für die Mobilität usw. Wenn Frauen eigenständig und selbstbestimmt leben wollen, brauchen sie eigenes Geld. Als Hausfrau haben sie das nicht. Eigenes Geld hat Frau in aller Regel durch Berufstätigkeit. Noch immer hat die Mehrheit der Frauen Kinder. Das ist aber nur dann gut so, wenn es ausreichend bezahlbare Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Gleichberechtigung von Frauen geht nur, wenn es ihnen ermöglicht wird, berufstätig zu sein. Ein Kindergarten der um neun öffnet und um zwei schließt oder unbezahlbar ist, nützt gar nichts.

Vielen gefällt es nicht, bei allem zu prüfen, wie es sich auf Männer und Frauen auswirkt. Für Gerechtigkeit sind fast alle, aber GM missverstehen einige und manche wollen das Prinzip missverstehen. Männer setzen sich oft laut und aggressiv, manchmal auch subtil für ihre Interessen ein. Es bedarf einiger Regeln, um auch den Frauen Chancen zu geben und Benachteiligungen zu beseitigen.

Hilfreich für die Umsetzung von GM ist die geschlechterparitätische Besetzung von Gremien, als da sind Parlamente, Beiräte, Vorstände, Aufsichtsräte, Gerichte usw. usf Die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen und Männern helfen beim Finden von geschlechtergerechten Lösungen.

Eine berufstätige Mutter hat mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Prioritäten, als ein kinderloser Single-Mann. Und selbst Familienväter haben oft Anderes im Blick. Wären die Manager von VW Frauen, wäre kein Geld für Bordellbesuche ausgegeben worden.

Herr Hartz hat das nach ihm benannte System erfunden. Das Geld für die Bedarfsgemeinschaft wird an den "Haushaltsvorstand" ausgezahlt. Das ist in gar nicht so schöner Regelmäßigkeit der Mann. Die Frau ist darauf angewiesen, dass er ihr etwas abgibt. Dadurch ist die Frau existenziell abhängig vom Mann. Da hat Herr Hartz nicht überlegt, wie sich sein System auf Männer und Frauen auswirkt, obwohl es GM zu der Zeit schon gab.

Es sollte uns in Fleisch und Blut übergehen, jeden Sachverhalt auf seine Wirkung in Bezug auf die Geschlechter zu prüfen.

(Dr. Ursula Sillge ist Landwirtin, Soziologin und Kulturhistorikerin)


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Quelle:
diesseits 1. Quartal, Nr. 78/2007, S. 19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2007