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GESCHICHTE/033: Institutionalisierung von Religionskritik (ha)


humanismus aktuell - Hefte für Kultur und Weltanschauung - Nr. 19 - Herbst 2006

Institutionalisierung von Religionskritik

von Ulrich Nanko


Religiöse und nichtreligiöse Freigeister seit 1848 bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts

"Dritte Konfession" - staatskirchliches Interesse und der Selbstbezug von Freigeistern

Der katholische Theologe Eberhard Tiefensee hat 2000 die Konfessionslosen vor allem Ostdeutschlands, den "ostdeutschen Volksatheismus", "wohl zuerst" [1] als "dritte Konfession" bezeichnet. Die Worte "wohl zuerst" ist auf die ostdeutschen Konfessionslosen zu beziehen, "dritte Konfession" durch Theologen auf eine nichtchristliche religionskritische Bewegung angewandt dagegen war in den Jahren 1933-1935 auf die deutschgläubige Bewegung gemünzt. [2] Doch auch Deutschgläubige reklamierten den Begriff für sich wie 1961 das Mitglied der 'Eekboom-Gesellschaft' und der ehemaligen Deutschen Glaubensbewegung Fritz Castagne, der gar eine Traditionslinie der neuen "Heiden", den deutschgläubigen Freigeistern, zu den alten sah. [3]

"Konfession", auf eine Glaubensgemeinschaft angewandt stammt aus der Reformationszeit. Mit diesem Begriff begibt man sich auf ein religiöses Begriffsfeld: "Confessio", abgeleitet vom lateinischen "confiteri", "bekennen" und "gestehen", meint das Bekenntnis sowohl im religiösen als auch im strafrechtlichen Sinn. "Confessio" in der Reformationszeit - das waren die protestantischen Lutheraner und Reformierten, die Katholiken waren "religio" - meinte die Festlegung der Gläubigen auf ausformulierte Glaubenssätze, die man strafrechtlich befolgen lassen und daher auch disziplinieren konnte.

Erst im 19. Jahrhundert gewann "Konfession" die heutige Bedeutung und wurde nun auch auf Katholiken angewandt. Mit der Zuschreibung des Begriffs "Konfession" wird der "Volksatheismus" zu einer Art Kirche gemacht, positiv gesehen: anerkannt. Die Institutionalisierung der organisierten Religionskritik käme somit einer späten Anerkennung gleich, doch die Geschichte der freigeistigen Bewegung zeigt, dass sie soziologischen Prozessen unterworfen ist, die mit denen charismatischer Religionen vergleichbar sind. [4]

'Vom innerkirchlichen Dissens zur religiösen und atheistischen Freidenkerei'

Der (religions)politische Rahmen

Die heutigen freigeistigen Organisationen führen sich alle in irgendeiner Weise auf die Revolution von 1848 zurück. Nach dem Ende der politischen Einheit des 'Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation' im Jahre 1806 gab es in seinen Nachfolgestaaten vielfältige Versuche, eine Einheitlichkeit herzustellen. Die Vorläufer der späteren Freidenkerorganisationen einte die Herrschaftskritik am Gottesgnadentum des Monarchen. Vor dem Hintergrund des aufstrebenden Bürgertums und in Anbetracht der Möglichkeit einer revolutionären Ablösung der alten Staatsform konvergierten Religionskritik und emanzipatorische Politik: Der monarchische Staat bot Angriffsflächen für Staats- wie für Religionskritik. Von größter Bedeutung für die Entstehung der Freidenkerbewegung waren speziell die preußischen Zustände.

Die katholischen Wurzeln waren der Hermesianismus [5], dessen Theologie an den Universitäten Bonn und Breslau gelehrt wurde, sowie der Wessenbergianismus [6], der im süddeutschen Raum verbreitet war, besonders in den großen Städten entlang des Rheines. Beide Richtungen gehörten zur katholischen Aufklärung, die von einem städtischen Publikum getragen war. Sie stritten gegen den von der Römischen Kirche in ihrem Kampf gegen die modernen Strömungen besonders geförderten Volksglauben wie insbesondere gegen den Reliquien- und Wunderglauben, der in der Landbevölkerung seinen Rückhalt hatte. Diese Richtung fand sich im Deutschkatholizismus zusammen.

Die zweite Herleitung ist die aus dem Protestantismus, vor allem dem preußischen, und ist unter dem Begriff "Lichtfreunde" bekannt. Es ist das Produkt aus der preußischen Vereinheitlichungspolitik: dem staatlich erzwungenen Zusammenschluss der Lutherischen und reformierten Gemeinden in Form der 'Preußischen Union'. Sie war gegenläufig zur früher in Preußen verfolgten Toleranzpolitik und integraler Bestandteil der restaurativen Staatsreform nach der Besiegung Napoleons und der Französischen Revolution mit ihm. Die Aufklärung wurde in Theologie und Philosophie zurückgedrängt, gleichzeitig wurden die protestantischen Bekenntnisschriften zusammen mit der Autorität der Biblischen Offenbarung aufgewertet. [7]

Die erfolgreiche Einflussnahme der kirchlichen Orthodoxie auf die preußische Kirchenpolitik führte im Gegenschlag zur Politisierung der Vertreter des theologischen Rationalismus, die dabei in Berührung mit dem Frühliberalismus kamen. [8] Politischer Liberalismus wie Theologischer Rationalismus beriefen sich beide auf die Reformation als Geburtsstunde der religiösen wie politischen Freiheit. [9] 1841 formierte sich die liberaltheologische Pfarrerschaft zu einem innerkirchlichen Verein, den Protestantischen Freunden, für den sich die Bezeichnung "Lichtfreunde" einbürgerte, die sich selbst aber "Freie Gemeinden" nannten. Anlass und Grund war die Kirchenpolitik des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., die deutlich die pietistisch- konservative Staatstheorie umsetzte.

Nach dem Verbot ihrer Parteiorganisationen im Jahre 1832 verfolgten die Liberalen über Vereine und Zeitschriften das politische Ziel einer Beteiligung des Volkes an der Regierung in einem konstitutionellen Staat. [10] Für die Entstehung der Freidenkerbewegung war zusätzlich die Herausbildung einer radikalen Kirchen- und Religionskritik als Folge der durchgängigen Ausschaltung Hegelscher Philosophie seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts von großer Bedeutung.

Kirchenkritischer Diskurs und Radikaldemokratie vor und um 1848

Wichtig für das Zusammenkommen von katholischen und protestantischen Kirchenkritikern waren die politischen Vereinigungen, sei es überregional sei es vor Ort, aber auch Zeitschriften. Ein Beispiel war der übernationale 'Hallgartenkreis' des Demokraten Adam von Itzstein. [11] Zu diesem unter Verschwörungsverdacht stehenden Kreis gehörten mittelbar oder unmittelbar die späteren Deutschkatholiken Robert Blum und Johannes Ronge von den radikalen Republikanern, den sogenannten "Ganzen" [12], und die liberalen bzw. "konstitutionellen" Demokraten Friedrich Daniel Bassermann und Karl Welcker, die sich ein "Bürgerkönigtum" vorstellen konnten.

Eine direkte Verbindung zum 'Hallgartenkreis' hatte auch der schlesische Graf von Reichenbach, in dessen Haus Johannes Ronge [13] dieser sein 'Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi' von 1844 verfasste [14], das durch Robert Blums 'Sächsische Vaterlandsblätter' schnell in den deutschen Ländern Aufsehen erregte und schließlich zur Bildung von eigenständigen 'Deutschkatholischen Gemeinden' führte.

Die Selbstbezeichnung "'deutsch'katholisch" [15] zeigte von vornherein die Opposition zu "'römisch'katholisch" an. Die Deutschkatholiken verstanden ihre Organisation als Überwinderin des Ultramontanismus, aber auch der Kleinstaaterei durch die Schaffung einer deutschen Volkskirche.

Der Deutschkatholizismus stünde - so der prominente Liberale Gervinus - auf einem volkstümlichen, untheologischen Boden und sei aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ein Garant gegen Dogmatismus und Hierarchie. [16]

Zugleich wollte die deutschkatholische Kirche als Nationalreligion der Zukunft keinesfalls deutschkatholisches Staatskirchentum sein. Ronge ging es gerade um ein neues Verhältnis der Religionsgemeinschaften zum Staat. Antisemitische und antislawische Haltungen blieben dennoch nicht aus, obwohl Ronge persönlich in der späteren Freireligiösen Bewegung dagegen ankämpfte. [17] Wie er sahen viele in der Religion nichts anderes als die sich aus sich selbst immer stärker offenbarende Humanität.

Prinzipiell passte die Konzeption einer Nationalreligion 1848 ins großdeutsche Konzept der Demokraten und besonders der radikalen Demokraten im Frankfurter Parlament, die im 'Deutschen Hof' [18] vereint waren. [19] Aufgrund der 'Deutschkatholischen Gemeinden', die in Sachsen 1848 staatlich anerkannt wurden, besaßen sie nämlich eine Organisation im - für sie schwierigen - katholischen Feld.

Bereits 1845 dokumentierten die deutschkatholischen Gemeinden nach außen eine Geschlossenheit, als sie ihr erstes Konzil in Leipzig abhielten. Gegenüber Rom zeigten sie damit die Überordnung des Konzils über das Papstamt an und reihten sich damit in eine protestantische Tradition ein. Katholisch an ihnen war, dass sie ein eigenes Glaubensbekenntnis formulierten, das aber eine weit gefasste Kompromissformel darstellte, um die divergierenden Kräfte zusammenzuhalten. [20]

Denn schon zu Beginn der neuen Bewegung gab es ein weit gestreutes Spektrum: Johann Czerski mit seinen 'Christkatholischen Gemeinden', denen sich auch polnische Katholiken angeschlossen hatten und denen sie auch offen gehalten wurden, weswegen die Bezeichnung "deutschkatholisch" nicht angebracht war, repräsentierte den konservativen, stark religiösen Flügel, der Theologieprofessor und Gemeindeleiter in Breslau, Anton Theiner, war für eine Episkopalkirche und der Leipziger Gemeindevorsteher Robert Blum gehörte zum liberalen und politischen Flügel. "Bekenntnis" war für liberaltheologisch gebildete Protestanten aber nicht das erstrebte Ziel - im Gegenteil: Sie beharrten auf der individuellen Glaubensfreiheit. Dieser Konflikt wurde nie befriedigend gelöst.

Die Staatsführungen in Preußen und Bayern, die in den Gemeinden religiös getarnte politische Organisationen sahen, reagierten im Juli 1847 auf das Anwachsen der reformerischen Gemeinden schließlich mit Verboten. Damit traf man auch linke Demokraten, denn 'Deutschkatholiken' wie Lichtfreunde forderten 1848 wie diese den Einzug des Kirchenguts, also eine weitergeführte Säkularisation, über die von 1803 hinaus. Nicht ganz so weit ging das Programm des Frankfurter Parlaments vom März 1849, in dem nur das Prinzip der völligen Religionsfreiheit einschließlich der Glaubens- und Gewissensfreiheit gefordert wurde. [21]

Durch das preußische Religionspatent vom 30. März 1847, das sogenannte Toleranzedikt, wurde festgeschrieben, dass man zwar aus der Kirche austreten und sich neu in einem Verein zusammenschließen könne, aber sämtliche Hoheitsrechte verloren gehen. Dieses Edikt bedeutet im Rückblick den Schritt in die von den Kirchen-Staaten-Strukturen losgelöste "freie" Organisation. Notwendig zur Anerkennung wenigstens als Verein wurde nun eine gemeinsame, mit Inhalt gefüllte Grundlage. Der Ruf der 48er-Revolution in Wien 'Los von Rom', auf den sich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Georg Ritter zu Schönerer, Gründer neugermanischer Organisationen, berufen sollte, genügte nicht. Eine Betonung des Deutschen und Nationalen war - den Zeitumständen angepasst - nahe liegend, wie das Beispiel Gervinus' zeigt. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig mit dem Deutschtum der späteren völkischen Organisationen zu verwechseln, die den Antisemitismus implizierten. Antisemitismus, damals noch unter dem Begriff der "Judenfrage" verhandelt, war jedoch durchaus im demokratischen Milieu auch vorhanden.

Wilhelm Marr ist ein Beispiel dafür. Er war ein radikaler linker Demokrat, unter Wilhelm Weitling zeitweise auch Kommunist, Atheist - er hatte 1844/45 in der Schweiz die junghegelianisch-atheistisch ausgerichteten Blätter der Gegenwart für sociales Leben [22] herausgegeben - und Antisemit: Als Deputierter für Hamburg hatte er im Frankfurter Parlament gegen die Judenemnazipation polemisiert, womit er auch den Liberalismus als deren Träger attackierte. Die 'Freien Gemeinden' sowie die 'Christ-' bzw. 'Deutschkatholischen Gemeinden' waren politisch dagegen liberal, radikal-demokratisch oder sozialistisch. 1850 kam es unter dem Druck der politischen Verhältnisse dennoch zur ersten katholisch-protestantischen Vereinigung, zur 'Religionsgesellschaft freier Gemeinden'. [23] Aufgrund eines verschärften Vereinsrechts erlebten die Freien Gemeinden daraufhin eine Phase von Repressalien, Verfolgungen und Verboten. Die radikaldemokratische Führungsschicht wie z.B. Ronge oder Julius Fröbel emigrierte nach England bzw. in die USA oder saß wie z.B. Gervinus zeitweise im Gefängnis.

Zum äußeren Druck kamen innere Schwierigkeiten: ausbleibende Einkünfte, aber auch Veruntreuung von Geldern durch Prediger und Vorstände, sowie die Rückkehr vieler Gemeindeglieder zu ihren ursprünglichen Kirchengemeinden. Insbesondere brachen der freireligiösen Bewegung die Beamtenschaft und die höher gestellte Bürgerschaft weg, die ihre geschäftlichen und gesellschaftlichen Interessen bei den der Obrigkeit nahe stehenden Großkirchen besser aufgehoben sahen. [24] Kleingewerbetreibende und Händler stellten von nun an das Gros der Gemeinden. [25] Man kann deshalb von einem "Prozess der Verkleinbürgerlichung" sprechen.

Versuche, eine über die Landesgrenzen hinaus gehende Dachorganisation zu gründen, verhinderten die Staaten, insbesondere Preußen, immer wieder. Als seit 1859, in der "Neuen Ära" Friedrich Wilhelms IV., eine günstigere Situation eingetreten zu sein schien, begründeten 53 von 300 deutschkatholischen und 80 protestantischen Gemeinden am 17. Juni in Gotha den 'Bund freireligiöser Gemeinden' - der Zusatz "Deutschlands" erfolgte etwas später.

Zu fragen ist, welche Geschichte die restlichen deutschkatholischen Gemeinden genommen haben. Sind sie im Laienkatholizismus aufgegangen, der 1848 seinen ersten Katholikentag veranstaltete, in der Altkatholischen Kirche oder haben sie sich einem anderen als dem Religionsdiskurs zugewandt?

Der von einem aus den Vertretern der Einzelgemeinden gewählte Vorstand des Bundes fungierte nur als Interessenvertretung nach außen und als formalintegrative Institution nach innen. Er war alles andere als hierarchisch. Man verstand sich zwar als "Bund" von Gleichgesinnten, jedoch nicht als Religionsgemeinschaft mit autoritativer Lehre. Die Einzelgemeinden fühlten sich oft nicht an seine Beschlüsse gebunden, zudem konnten sie jederzeit Koalitionen mit anderen Vereinen eingehen und auch ganz aus dem Bund austreten. Interessant an der Geschichte der Gemeinden des Bundes ist daher die Einbindung in ähnlichen Bewegungen. In unserem Fall ist das vor allem die der Demokratiebewegung, des Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus.

Freireligiöse innerhalb von Liberalismus und Sozialismus (1859-1878)

Der 'Bund freireligiöser Gemeinden' stellte die organisierte Religionskritik innerhalb des Bürgertums dar. Für deren Radikalisierung bis hin zum uneingeschränkten Atheismus ist er weniger bedeutsam als die entsprechenden Vereine der Arbeiterbewegung, in denen hie und da auch radikaldemokratische Freireligiöse mitwirkten: solche, die sich immer schon als Fürsprecher der Arbeiterschaft verstanden. Unter anderem hatten sie sich an der Gründung von Arbeitervereinen beteiligt. [26]

Dieses Engagement knüpfte an die Armutsbekämpfung durch deutschkatholische Gemeinden in den 40er Jahren an, das sie, religiös überhöht, "Cultus der Liebe" nannten, was eine Art "Liebeskommunismus" war. [27] Solch karitative Aktivität war aber durchaus umstritten, weil viele Mitglieder ihre Aufgabe rein religiös und keineswegs sozial verstanden. Den Befürwortern eines - meist christlichen Sozialismus, der als "Kollektivismus" kritisiert wurde, hielt man die Idee der individuellen Freiheit entgegen, die mit der von einem selbst vertretenen Handelsfreiheit kompatibel war. [28]

Freireligiöse hingen wie Teile des Liberalismus der politischen Option einer großdeutschen Lösung an. Mit der Spaltung des Liberalismus durch Bismarcks erfolgreiche Politik, einen Teil der Liberalen für die kleindeutsche Lösung zu gewinnen, und dem Verfassungskonflikt von 1866/67 begannen bekanntlich der Niedergang des Liberalismus und der Aufstieg der Sozialdemokratie. Bei diesem Prozess fanden sich die Freireligiösen nur zum Teil in der Arbeiterparteibewegung wieder, meistens im linken Liberalismus.

Im Gegensatz zu linken Liberalen verfolgte die neu entstandene Arbeiterpartei nicht die Idee der Selbsthilfe in der Wirtschaft, sondern die Strategie, über den parlamentarischen Weg der Arbeiterschaft zu einem gerechten Lohn und schließlich zu wirtschaftlichem Wohlstand zu verhelfen. Dabei wurde die Frage nach der Religion als einem Herrschaft stabilisierenden Faktor immer wieder ins Spiel gebracht, bis die SPD 1891 mit dem Verweis der Religion ins Private der politischen Option zum Sieg verhalf.

Entsprechend dieser Debatten in der SPD vollzog sich in der Entwicklung der 'Freireligiösen Gemeinden' eine Binnendifferenzierung zwischen eher atheistischen Freidenkern und religiösen Freireligiösen. Letztere, die man nicht einer bestimmten politischen Partei zuordnen kann, sahen in der Pflege individueller Frömmigkeit den Weg zur Veränderung der Gesellschaft, die atheistischen Freidenker dagegen in der Bekämpfung jedweder Religion die Voraussetzung der Herrschafts- und Gesellschaftsveränderung - dies um so mehr infolge des Anwachsens neu erstandener Dissidentenvereine seit etwa 1860, die sich gegen kirchliche Repressalien bei so individuellen Fragen der Zwangstaufe, der kirchlichen Eheschließung, der religiösen Eidesformel und des christlichen Begräbnisses richteten. Im Königreich Sachsen wurde 1870 ein Dissidentengesetz zu ihren Gunsten verabschiedet.

In Preußen brachte der Kulturkampf 1873 ein 'Gesetz betreffend den Austritt aus der Kirche' zustande, das erstmals den freiwilligen rechtlichen Austritt ohne den Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft erlaubte. Der soziale Druck auf Dissidenten blieb jedoch bestehen, weshalb 1876 ein Dissidentenbund gegründet wurde, der im Zuge der Bismarckschen Sozialistengesetze bereits 1879 wieder verboten wurde.

Nur ein Jahr vor Beginn der Sozialistenverfolgung hatte der Hofprediger Adolph Stoecker die 'Christlich-soziale Arbeiterpartei' als konservatives Gegengewicht zum demokratischen Sozialismus der SPD gegründet. Sein Ziel war die Rückgewinnung der Arbeiterschaft für Monarchie und Christentum zugleich, was ihm trotz seiner antisemitischen Propaganda durchaus misslang. Die direkte Reaktion der Linken bestand in der Initiierung einer Kirchenaustrittskampagne durch den Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung 'Die Freiheit', Johann Most. [29] Das war der sozialdemokratischen Gesamtpartei freilich zu radikal. Sie schloss Most auch deshalb aus und erklärte Religion zur Privatsache, um potentielle Wähler im kirchlichen Milieu nicht zu verprellen. [30]

In der Mittelschicht hatte Stoeckers Partei gewisse Erfolge aufzuweisen, weil sie deren Antisemitismus bediente. Hier liegt eine frühe Wurzel des ebenfalls mittelständischen völkischen Antisemitismus, der in auch christentumskritischer Absicht den Antisemitismus ab etwa 1880 für sich reklamierte. Stoecker hatte als Heilmittel neben der Zurückdrängung des jüdischen Einflusses die "Kräftigung des christlichgermanischen Geistes" propagiert und damit apologetisch auf den Germanenmythos der kirchenkritischen und freigeistigen Tradition Bezug genommen.

Diesen Mythos wollten Christentumskritiker innerhalb seiner Partei dem christlichen Antisemitismus wieder entwinden. Ihr als modern bezeichneter Antisemitismus stellt die erste nichtkonservative Bewegung gegen die moderne Gesellschaft dar. In seiner Verbindung mit dem Nationalismus gestaltete er sich antiliberal und antisozialistisch, womit der Nationalismus, der im demokratischen und liberalen Lager zu Hause gewesen war, nun bei den antiliberalen und antidemokratischen Antisemiten anzukommen begann. [31] Auch freireligiöse waren vom Antisemitismus nicht nur Stoeckers angetan, weswegen Johannes Ronge in seiner Zeitschrift 'Neue religiöse Reform' dagegen vehement Stellung bezog.

Hier machte er auch klar, dass er unter einer deutschen Nationalkirche keineswegs eine völkische Deutschreligion meinte - er benutzt das Wort "Nation" nicht "Volk" sondern er stellte sich diese unter Mitwirkung des Reformjudentums vor. [32] Doch zu diesem Zeitpunkt hatten andere Entwicklungen eingesetzt: neben der antisemitischen auf dem rechten Spektrum die atheistische Freidenkerei mit der Gründung des 'Deutschen Freidenkerbundes' im Jahre 1881.

Schon 1864 hatte Papst Pius XI in seinem 'Syllabus' vor achtzig Irrtümern, u.a. des Endes der weltlichen Herrschaft des Papstes, der Presse- und Meinungsfreiheit, des Pantheismus, Naturalismus, Rationalismus und der Trennung von Staat und Kirche gewarnt. Er reagierte auf das Anwachsen der Naturwissenschaften und ihrer um sich greifenden Popularisierung als neue Weltanschauung. In Deutschland war besonders Ludwig Büchners Buch 'Kraft und Stoff' von 1855 gemeint, später kamen die Werke Ernst Haeckels dazu.

Jener Ludwig Büchner, Mitglied im 'Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands', gründete 1881 die 'Deutsche Sektion des Internationalen Freidenkerbundes', den 'Deutschen Freidenkerbund', in Frankfurt mit und wurde ihr erster Präsident. Mit diesem hatte man eine zweite religionskritische Organisation, wobei es Doppelmitgliedschaften gab.

Zuvor, 1879, hatte der preußische Staat gegen die neuen Tendenzen in die Schulbildung eingegriffen, indem er den Biologieunterricht an den Gymnasien verbot. Hintergrund war die sogenannte Virchow-Haeckel- Kontroverse auf der Jahrestagung der 'Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte' in München von 1877. Da hatte Virchow Ernst Haeckels darwinistische Lehre in die Nähe des Sozialismus gestellt, die dieser aber selbst als Gegenprinzip zur "socialistischen Gleichmacherei" verstanden wissen wollte. [33]

Im selben Jahr wie das Verbot des Biologieunterrichts, 1879, begann die Sozialistengesetzgebung. In der Folge radikalisierten sich viele Sozialisten, traten aus der Kirche aus und den Freireligiösen Gemeinden bei, die sie oftmals in ihrem Sinne umwandelten. In dasselbe Jahr reichen erste Bestrebungen, über Ethik Orientierung in Gegenwartsfragen zu bieten. [34] Sie mündeten 1892 in die Gründung der 'Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur'.

'Auf dem Weg zum Dachverband'

Das 'linke' Weimarer Kartell

Mit der Gründung der 'Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur' 1892 kam eine weitere freigeistige Organisation hinzu. In ihr hatten sich ethische Sozialreformer, durchaus Mitglieder im Freidenkerbund wie im 'Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands', organisiert. [35] Der Anstoß dazu kam von der internationalen ethischen Bewegung [36], die sich von den bisherigen Organisationen dadurch unterschied, dass sie eine Ethik jenseits der "trennenden Lehren der religiösen Konfessionen und der Parteien" entwickelte. [37] Ihre personelle Zusammensetzung war sehr heterogen: Über höhere sittliche Moral und Humanität stritten Befürworter eines individualistischen mit solchen eines kollektivistischen und sozialistischen Ansatzes. [38]

Gegenüber religiösen, d.h. am Jenseits orientierten Begründungen, wie sie zeitgleich, 1891, Papst Leo XIII. in seiner - der ersten katholischen - Sozialenzyklika 'Rerum novarum' vorgelegt hat, hatte es eine am Diesseits interessierte philosophische Begründung ungleich schwerer. Die in der universitären Wissenschaft sich entwickelnde Sozialphilosophie und Gesellschaftslehre wurde auch in der Vereinszeitschrift 'Ethische Kultur' diskutiert. Die 'Deutsche Gesellschaft für Ethische Kultur' stand somit im Schnittpunkt von Politik und wissenschaftlicher Theoriebildung. In ihrer Zeitschrift publizierten Pazifisten, Sozialisten, Darwinisten, Neukantianer und Spinozisten, insgesamt wird sie aber als neukantianisch eingeschätzt. [39]

Politisch galt sie schon damals als links- und sozialliberal - sozialliberal, weil sie "sozialistisch" dachte, ohne Klassenkampf zu wollen. [40] Auf ihrer Züricher Tagung von 1896 mit August Bebel als Gast nahm die Diskussion die spätere Revisionismusdebatte in der SPD vorweg. [41] Nach anfänglichen Erfolgen fiel die Gesellschaft bald in die Bedeutungslosigkeit, nicht zuletzt, weil sich - auch auf ihre eigene Initiative hin - immer neue Organisationen und Arbeitsgemeinschaften herausbildeten: 1905 der Bund für Mutterschutz und 1906 der Bund für weltliche Schule und Moralunterricht.

Das gesamte freigeistige und ethisch-philosophische Feld differenzierte sich organisatorisch noch weiter aus. Nach von Gizyckis Tod und der Kaltstellung seiner Frau durch Friedrich Jodl [42] stand die 'Deutsche Gesellschaft für ethische Kultur' nur noch für einen ethischen Sozialismus [43], weshalb radikale atheistischen Sozialisten im Freidenkerbund, wo ganz ähnliche Tendenzen vorherrschten, sich um die von Konrad Beißwanger 1905 gegründete Zeitschrift 'Der Atheist' enger zusammenschlossen. [44] Diese marxistisch orientierten Oppositionellen erstrebten die Umwandlung des bürgerlichen Freidenkertums in eine proletarische Kampforganisation und organisierten sich 1908 als 'Zentralverband deutscher Freidenkervereine', den sie 1911 in 'Zentralverband proletarischer Freidenker Deutschlands' umbenannten. [45] Dieser Vorgang hängt mit dem Einfluss Ernst Haeckels, Mitglied im 'Deutschen Freidenkerbund' und im antisemitischen 'Alldeutschen Verband', zusammen, der über die engen Grenzen der freigeistigen Bewegung bis ins völkische Lager reichte.

1904 hatte er auf dem internationalen Freidenkerkongress in Rom für seine monistische Weltanschauung geworben und 1906 den 'Deutschen Monistenbund' in Jena gegründet, dem z. B. Alfred Ploetz [46] und Wilhelm Schallmayer, die Begründer und Propagandisten der Rassenhygiene, ebenso wie der Verfasser der "Germanenbibel" und völkische Mitgründer Wilhelm Schwaner [47] angehörten. Während diese das monistische Weltbild mit völkischem Gedankengut verbanden, verknüpften es linke Freidenker dagegen mit Sozialismus.

Ab etwa 1900 gab es zwei gegenläufige Tendenzen: einerseits die Ausweitung des ehemals freireligiösen-freidenkerischen Feldes auf die sich bildenden christentums- bzw. kirchenkritische "deutschvölkische" Organisationen, und andererseits die Polarisierung in einen atheistischen sowie einen religiösen Flügel innerhalb der freigeistigen Bewegung. Die Vielzahl der inzwischen angewachsenen religiösen Klein- und Kleinstorganisationen fielen unter den neuen Sammelbegriff "Mystik", der in der liberalen Theologie kreiert wurde.

Das eigentliche Ziel der Freidenker, den Kirchenaustritt politisch voranzutreiben, gipfelte 1910 in der Gründung des Komitees Konfessionslos. Manche Freigeister, vor allem die sowohl dem 'Deutschen Monistenbund' als auch dem 'Deutschen Freidenherbund' angehörten, hielten den Kirchenaustritt nicht für das wichtigste Ziel und setzten auf Kulturarbeit und auf die bessere Organisation der freigeistigen Verbände. Zwischen 1900 und 1909 kam es mit den jungen, sich gerade konstituierenden deutschvölkischen Kreisen auch zur Zusammenarbeit, die sich aus der Teilidentität antichristlichen Denkens erklären lässt.

Der deutschvölkische Volkserzieherkreis Wilhelm Schwaners z.B. vertrat eine ähnliche Position wie Moritz von Egidy [48], ein Aktivist der 'Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur' und bekennender Christ, der ein dogmenfreies nationales Christentum zum Ziel hatte und die Zusammenarbeit mit all jenen Dissidenten suchte, die eine Alternative zu den Großkirchen, den Freireligiösen, den Freidenkern und den Sozialdemokraten suchten. [49] Doch schieden sich bald die Geister. 1912, als die politische Rechte in den Reichstagswahlen verlor und die SPD zur stärksten Partei aufstieg, gaben sich die am Völkischen orientierten Dissidenten mit der 'Deutschgläubigen Gemeinschaft' selbst eine eigene, eine gottgläubige, also religiöse Dissidentenorganisation.

Die linken Dissidenten fanden sich dagegen 1914 im 'Weimarer Kartell' [50] zusammen. In der Organisationsform des Kartells konnten die Mitgliedsvereine ihre bisherige Autonomie bewahren und zugleich den Vorteil, den die Kooperation mit den anderen bot, mitnutzen. Zwischen den rechten und linken Dissidenten bewegte sich der 'Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands'. Er war nicht dem Kartell beigetreten, 1913 glückte ihm der Status einer 'Körperschaft des öffentlichen Rechts'. Er war für beide Richtungen offen.

Die 'rechte' Deutschgläubige Gemeinschaft

Mit Freidenkern und Freireligiösen verbanden die deutschgläubigen Organisationen das naturwissenschaftliche Weltbild, insbesondere in der Form des Monismus Ernst Haeckels. Jedoch trennte sie die religiöse bzw. mystifizierte Überhöhung von Volk und Rasse. Zudem interpretierten die Deutschgläubigen die sozialen Probleme ihrer Zeit mit Otto Glagaus (1834-1892) Slogan Die soziale Frage ist die Judenfrage antisemitisch. Ideengeschichtlich sahen sich die Deutschgläubigen zwar in der Tradition der "deutschen Freiheit" [51], die sie aber biologistisch, völkisch verstanden. Später bezeichneten sie sie als "arisch". [52] Die Deutschgläubigen hatten zwei Wurzeln, zum einen die antisemitischen Parteien und zum andern das evangelische Deutschchristentum, das den Slogan "Germanisierung des Christentums" führte. Zur ersteren gehört der wichtigste Theoretiker des Antisemitismus, Theodor Fritsch (1852-1933). Ab etwa 1890 war er von der Partei zur Kulturpolitik gewechselt, ein Vorgang auf dem rechten Feld, der eine Parallelität in der ethischen Bewegung hat.

Fritsch schloss die Leser seiner 1902 gegründeten Zeitschrift 'Hammer' 1912 zum 'Reichshammerbund' zusammen. Parallel dazu gründete er Germanenlogen, aus denen z.B. die berüchtigte 'Thulegesellschaft' hervorging. Zum deutschchristlichen Zweig gehörte der oben erwähnte Monist Wilhelm Schwaner. 1911, im Wissen um die Bildung eines Dachverbandes für linke freidenkerische Dissidenten, dem Weimarer Kartell, gründeten Mitglieder beider Richtungen die 'Deutschgläubige Gemeinschaft' eigens für deutschreligiöse Dissidenten. Streitigkeiten führten jedoch 1912 zur Spaltung und damit zur Gründung der 'Germanischen Glaubensgemeinschaft' mit Professor Ludwig Fahrenkrog an der Spitze [53].

1912 muss als das Jahr angesehen werden, in dem sich die linke Freidenkerbewegung von der völkischen Bewegung ganz entschieden abgrenzte. Bei den Kirchen löste jedoch die Kultivierung des "Germanischen" der Deutschgläubigen weit weniger Aufregung aus, als die radikale Religionskritik linker Freidenker in der "Kirchenaustrittsbewegung": Das Völkische ließ sich nämlich auf der Ebene des Glaubens verhandeln. Die Freidenker standen dagegen im Begriff, das Feld der Religion zugunsten der Politik zu verlassen, das die Deutschgläubigen gerade auszufüllen begannen. Bei dieser Konstellation war das Verhalten der religiösen Freireligiösen von Interesse: Mit den deutschgläubigen und deutschchristlichen Organisationen verband sie immerhin die Idee einer dogmenfreien Religion, mit den radikalen Atheisten der gemeinsame Dachverband.

"Konfessionslose" oder "gottgläubige" Dissidenten vom weltanschaulich neutralen in den nationalsozialistischen Staat

Das alte Ziel des Weimarer Kartells, die Trennung von Staat und Kirche, wurde 1919 mit der Weimarer Verfassung erreicht. [54] Zwar war formal das Staatskirchenwesen abgeschafft und der Staat weltanschaulich neutral, aber das freidenkerische Ziel war in der Schulfrage nicht erreicht. Mit der neuen Verfassung war eine völlig neue Situation erreicht, denn theoretisch brauchte man keiner Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft mehr anzugehören.

In dieser Nachkriegsphase, die gern als Zeit der Sinnsuche und - stiftung charakterisiert wird, boten deutschgläubige Organisationen ihre nationalen Mythen an. Noch während des Ersten Weltkrieges hatten sie sich auf verschiedenen Gesellschaftsfeldern festgesetzt. Mit der Gründung des 'Greifenbundes Jungdeutscher Bund' z.B. schuf sich der 'Germanenorden' eine Jugendorganisation innerhalb der expandierenden Wandervogelbewegung und wurde später Teil der 'Freideutschen Jugend'.

Mit dem 'Bund für deutsche Kirche' von 1921 war er auf dem kirchlichen Sektor präsent. Deren Mitglieder sollten sich 1932 an der Gründung der Glaubensbewegung 'Deutsche Christen' beteiligen. Ziel von all dem war die Beerbung des christlichen Staates und die Bekämpfung von Atheismus und Sozialismus.

Die proletarischen Freidenker wollten, bestärkt durch den Erfolg der Bolschewiki in der Russischen Oktoberrevolution, einen atheistischen Sozialismus und stellten ihre Agitation gegen die Kirchen in den Mittelpunkt des Klassenkampfes. Nach dem Anschluss des 'Komitees Konfessionslos' 1922 nannten sie sich in 'Gemeinschaft proletarischer Freidenker' um. 1927 vereinigten sie sich mit dem mitgliederstarken 'Verein der Freidenker für Feuerbestattung', einer sozialdemokratischen Gründung aus dem Jahre 1905, und nannten sich 1930 'Deutscher Freidenker-Verband'.

1929 kam es zu einer Abspaltung: Etwa 90.000 Oppositionelle schlossen sich dem von der KPD neu gegründeten 'Verband proletarischer Freidenker Deutschlands' an, der bereits 1932 verboten wurde. Am 17. März 1933 verboten die Nationalsozialisten den 'Deutschen Freidenker- Verband', deren Bestattungskasse im Zuge der Gleichschaltungspolitik in die 'Neue Deutsche Bestattungskasse' überführt wurde. [55]

Mit dem Kriegsende 1914 war die Existenz des 'Weimarer Kartells' faktisch erloschen. Einer der Initiatoren, Gustav Tschirn, seit 1901 in Personalunion der Präsident des 'Deutschen Freidenkerbundes' und des 'Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands', setzte es 1922 in Form der 'Reichsarbeitsgemeinschaft der freigeistigen Verbände' [56], 1924 in 'Volksbund für Geistesfreiheit' umbenannt, fort.

Den südwestdeutschen Gemeinden war sie zu wenig religiös, weswegen sie aus dem 'Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands' austraten und sich im 'Verband Freireligiöser Gemeinden Südwestdeutschlands' verselbständigten. Sie standen in Kontakt mit ähnlichen Organisationen freier Religiosität wie den Unitariern in England und den USA, dem 'Freien Protestantismus' [57] sowie mit völkischen Deutschgläubigen. [58]

Diese Trennung war durchaus politisch relevant: Die Freidenker des Bundes führten innerhalb der SPD den ideologischen Kampf gegen den Bund religiöser Sozialisten, der den Sozialismus christlich interpretierte. [59] Zu Letzterem hatten die südwestdeutschen Freireligiösen über den der Freideutschen Jugendbewegung entstammenden liberalreligiösen evangelischen 'Bund der Köngener' Kontakt, der wiederum in einem deutschvölkischen Diskurs stand. Dieser Bund, geführt von dem Tübinger Indologieprofessor Jakob Wilhelm Hauer, schuf 1933 zusammen mit dem südwestdeutschen Verband, der eigentlichen treibenden Kraft, die rassistische 'Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung'. [60] In ihrer Angst vor Verbot schlossen sich 23 von 115 Gemeinden des 'Volksbundes für Geistesfreiheit' auf der Gründungsversammlung der 'Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung' am 29./30. Juli 1933 in Eisenach an.

Im Vorfeld der Gründung schien es noch, als entstehe damit auf dem religiösen Feld eine wenn auch sich neugermanisch und deutschgläubig artikulierende Organisation ähnlich dem 'Weimarer Kartell', zumal diese die Religions- und Gewissensfreiheit verteidigen zu wollen vorgab. Doch dominierten in Eisenach die nationalsozialistischen Einzelmitglieder stark das Geschehen. Es ist ausdrücklich zu betonen, dass die atheistischen Freireligiösen Gemeinden des 'Volksbundes der Geistesfreiheit' diesen Weg von vorne herein nicht mitgegangen sind. [61] Der Rest schied, nachdem sich klar abzeichnete, dass ein Überleben unter dem Dach der im Mai 1934 offiziell gegründeten 'Deutschen Glaubensbewegung' nur um den Preis der freiwilligen Gleichschaltung mit dem NS-Staat möglich war, freiwillig aus.

Im Herbst 1934 wurde er verboten, Teile bildeten 1937 zusammen mit Ludwig Fahrenkrog und seiner 'Germanischen Glaubens-Gemeinschaft' sowie Mitgliedern der 'Neuen Deutschen Bestattungskasse' die nationalsozialistisch orientierte 'Deutsche Volksreligion'. Auf diese Weise überlebten diese an der völkischen Ideologie orientierten freireligiösen Gemeinden den Nationalsozialismus.

1937 war die 'Deutsche Glaubensbewegung' schon wieder auseinander gefallen. 1936 wurde das stark antisemitische 'Deutschvolk', die Religionsorganisation der 'Ludendorff-Bewegung', als Bund für Deutsche Erkenntnis (Ludendorff) - wieder - gegründet und staatlich anerkannt. Bei dieser Gelegenheit wurde die Bezeichnung "gottgläubig" [62] für religiöse Dissidenten offiziell eingeführt, atheistische konnten sich weiterhin als "Dissidenten" bzw. "konfessionslos" bezeichnen.

1934/35 war der Höhepunkt der religionspolitischen Kämpfe. In diese Zeit fiel das Scheitern der prokirchlichen Religionspolitik Hitlers bezüglich einer - deutschchristlichen - Reichskirche. Das gehörte zu einer Ordnung der religiösen Landschaft, die in einem längeren historischen Zeitraum zu sehen ist. In diesem Zusammenhang fiel auch die Bezeichnung "dritte Konfession" für die Deutschgläubigen wie etwa durch den 'Evangelischen Preßverband'. [63]

Auch innerhalb der 'Deutschen Glaubensbewegung' wurde über diese Bezeichnung diskutiert. So hatte eine Gruppe die Aufgabe, "gemeinsame Absichten und Wünsche" zusammenzustellen, "um als ,dritte Konfession' im Staatsgefüge zur Konkretisierung und zur rechtlichen Grundlegung zu kommen." [64] Eine zweite Gruppe wollte genau das nicht, sondern erstrebte die Verschmelzung mit dem Nationalsozialismus, was den vehementen Kampf gegen Kirchen und Christentum einschloss.

Eine dritte Gruppe, zu der Hauer selbst zählte, erstrebte die "religiöse Vertiefung" des Nationalsozialismus, was als ein lang angelegter Prozess gedacht war. Gemeinsame Überzeugung war, "der" Mensch sei von Natur aus religiös, Atheismus daher eine Geistesverirrung und durch Erziehung korrigierbar, Atheisten galten als Objekte der Mission oder aber als Feinde.

Mit der Gründung der Deutschen Glaubensbewegung war zeitweilig die Hoffnung verbunden, die freie Religiosität politisch in den Griff zu bekommen. Da der freie Protestantismus sich nicht einbinden ließ und fast alle deutschgläubigen Organisationen früh ausschieden, scheiterte das Projekt. [65]

Außerdem war die größte deutschgläubige Organisation, das Ludendorffsche 'Deutschvolk' aus religiösen (zu ariosoph) - und politischen Gründen (Verbot) erst gar nicht aufgenommen worden. Von der einst großen Freireligiösen - und Freidenkerbewegung blieben im nationalsozialistischen Staat schließlich nur die 'Freie Religionsgemeinschaft Deutschlands', also die südwestdeutschen freireligiösen Gemeinden, und die 'Deutsche Volksreligion', der völkisch orientierte Teil des 'Volksbundes für Geistesfreiheit' bestehen. Die Gemeinden der linken Freireligiösen waren alle zerschlagen, zumindest aber inaktiv, der 'Deutsche Freidenker-Verband' war liquidiert, viele ihrer Mitglieder in der Emigration.

Die Nachfolgeorganisationen der 'Hammerbewegung' waren in zahlreiche Einzelorganisationen zersplittert, ihre Weltanschauung jedoch in der nationalsozialistischen Ideologie aufgegangen. Das Ende des nationalsozialistischen Regimes bedeutete das Ende aller seiner Organisationen, auch der völkischen - jedoch nicht aller!

'Neukonstituierungen nach 1945'

Nicht verboten wurden die eindeutig rassistischen 'Nordische Glaubensgemeinschaft' [66] und die 'Deutschgläubige Gemeinschaft'. Der 'Bund für deutsche Gotterkenntnis' (Ludendorff), 1947 in 'Bund für Gotterkenntnis' (L) umbenannt, war 1945 zwar zunächst verboten, aber 1946 wegen seines angeblich religiösen Charakters als Religionsgemeinschaft wieder zugelassen worden, auch deshalb, weil Mathilde Ludendorff aufgrund des Verbots im NS-Staat geglaubt wurde, sie und der Bund hätten gegen Hitler Widerstand geleistet. [67]

Einige antikirchliche Neugründungen nach 1945 nahmen ihren Anfang in den Internierungslagern der Alliierten. Dort organisierten sich Nationalsozialisten, meist aus dem deutschgläubigen Milieu, gegen die von außen geförderte und politisch gewollte Kirchenbildung in den Lagern. Der südwestdeutsche Freireligiöse Rudolf Walbaum führte 1948 solche Nationalsozialisten der 'Freiprotestantischen Religionsgemeinschaft Rheinhessens' zu, deren Wurzeln im Freiprotestantismus des 19. Jahrhunderts liegen. Bei dieser Gelegenheit nahm er die Umbenennung in 'Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft' vor.

Parallel und unabhängig zu diesem Vorgang bemühte sich der sozialdemokratische Monist Albert Heuer um die Wiedergründung des 'Volksbundes für Geistesfreiheit', die 1949 in Wiesbaden offiziell erfolgte und sich erst da 'Deutscher Volksbund für Geistesfreiheit' nannte. [68] Motiv zur Gründung des Volksbundes und ähnlicher Organisationen war wieder einmal die Sorge um die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Furcht vor einem neuerlichen Staatskirchentum.

Das ließ die Idee aufkommen, Gegner wie Befürworter des Nationalsozialismus sollten die Meinungsverschiedenheiten aus der NS- Zeit hintan stellen und sich gegen die neuerliche Klerikalisierung zusammenschließen. 1949 gründete in diesem Sinne der ehemalige Führer der 'Deutschen Glaubensbewegung', Jakob Wilhelm Hauer, kurz nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager die 'Arbeitsgemeinschaft für freie Religionsforschung und Philosophie', die 1957 in 'Freie Akademie' umbenannt wurde. In ihr waren viele wegen ihrer NS- Vergangenheit entlassene Hochschullehrer versammelt. [69] Ihre Funktion innerhalb der freireligiösen Organisationen bestand in dem Bindeglied zwischen Wissenschaft und den Vereinen.

Die freireligiösen Organisationen gingen auf Distanz zu den deutschgläubigen, die im rechtsextremen Milieu weiter wirkten. Die Religionsgemeinschaft 'Deutsche Unitarier' blieb noch lange im Spannungsfeld von Rechtsextremismus und religiösem Liberalismus.

Auf dem linken, politischen Spektrum bildeten sich gleich nach 1945 Freidenkergemeinden. Der Prozess der Verbandsbildung wurde in der DDR wegen des Monopolanspruchs der SED, die sich als Alleinvertreterin der Freidenkertradition interpretierte, sehr früh unterbunden. So gab es in der DDR ab den 1950er Jahren "eine Art 'zwangsverstaatlichter Freidenkerkultur der Arbeiterbewegung'" mit Einrichtungen einer eigenen Lebensweise und Feierkultur, mit Kulturhäusern und Kulturarbeitern. [70]

Der Staat instrumentalisierte die freidenkerischen Anliegen im politischen Abgrenzungskampf gegenüber der BRD, die ihrerseits die Kirchen vorschob. Dem erst 1951 wiedergegründeten marxistisch- atheistischen Freidenkerverband, dessen Mitgliederzahl aufgrund der Verfolgungen durch das NS-Regime recht klein war [71], unterstellte die Bundesregierung der BRD in dieser ideologisch aufgeheizten Situation, von der DDR unterwandert zu sein. Er hielt sich von den verschiedenen Bündelungsversuchen der bürgerlichen freigeistigen Organisationen weitgehend fern.

Unbeschadet der Klerikalisierungstendenzen war in der BRD der 1950er Jahre ein heftiger religionskritischer Streit entbrannt, der sich um die konfessionelle versus weltliche Schule drehte. Im Hintergrund stand auch die ideologische Auseinandersetzung von Atheismus und Christentum.

In diesem Zusammenhang erregte gegen Ende der 1950er Jahre die öffentliche Diskussion um das Verhältnis von Atheismus und Christentum zum Humanismus die Gemüter, die zwischen Gerhard Szczesny und dem österreichischen "Linkskatholiken" Friedrich Heer angeführt wurde. Heers grundsätzliches Anliegen war die Überwindung von ideologischen und weltanschaulichen Grenzen, wogegen Szczesny christentumskritisch war. In einem ideologisch zugespitzten Kontext gründete Szczesny 1961 die 'Humanistische Union'.

'Schluss'

Trotz starker Begünstigungen der Kirchen durch den Staat kam es in der BRD zu dem stillen Auszug aus den Kirchen. Davon profitierten die freigeistigen Organisationen jedoch nicht. Entstanden ist dabei das weite Spektrum dessen, das man esoterische Religiosität nennt. Hierbei handelt es sich um Religion, sogar um Konfession. Die Sprache ist religiös, nicht atheistisch. Von daher ist es ein mysterium theologi, den "ostdeutschen Volksatheismus" zu einer Konfession zu erheben. Oder soll hier der religionsgeschichtliche Vorgang wiederholt werden, den das frühe Christentum, einst ebenfalls als Atheismus eingestuft, auf seinem Weg zur Staatsreligion selbst durchlaufen hat? Oder geht es nur um eine Bändigung kritischer Kräfte?


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Anmerkungen

1 So Groschopp: Ostdeutscher Atheismus - die dritte Konfession? S. 216,

2 Vgl. H.G. Wallmann: Die "dritte Konfession"? Materialsammlung über die nordisch-religiöse Bewegungen. Evangelischer Preßverband für Deutschland. Berlin-Steglitz 1934, Reihe: Das Rüstzeug, H. 3 - Martin Simon: Was ist die dritte Konfession und wie stellen wir uns zu ihr? Stolp 1934 - Rudolf Urban: Eine dritte Konfession? Gütersloh 1934 (Schriftenreihe: Der Kampfbund, H.14).

3 Vgl. Fritz Castagne: Die "dritte Konfession". Dargestellt an ihrer Entwicklung in Schleswig-Holstein. Hamburg 1961.

4 Vgl. Thomas Francis O'Dea: Die fünf Dilemmas der Institutionalisierung der Religion. In: Friedrich Fürstenberg (Hg.), Religionssoziologie, Neuwied a. Rh. u. Berlin 1970, S. 231-237. - Insbesondere das vierte Dilemma, die Ersetzung des Geistes durch den Buchstaben, ist hervorzuheben.

5 Die Bezeichnung geht auf den aufgeklärten und mit der Kant'schen Philosophie arbeitenden katholischen Theologieprofessor in Bonn, Georg Hermes (1775-1831), zurück.

6 Der Name rührt her von dem aufgeklärten katholischen Theologen und Generalvikar in Konstanz, Ignaz Heinrich Karl, Freiherr von Wessenberg (1774-1860). Auf dem Wiener Kongress hatte er sich um die Herstellung einer deutsch-katholischen Nationalkirche unter deutschem Primas bemüht.

7 Vgl. Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union, S. 51.

8 Vgl. Martin Friedrich, S. 51f. - Hans Rosenberg: Politische Denkströmungen im deutschen Vormärz, S. 23-25.

9 Vgl. Friedrich, S. 52. Diese Parole fand in der völkischen Bewegung des 20. Jahrhunderts seine Fortsetzung in der These von der "zweiten Reformation ".

10 Vgl. Friedrich, S. 53.

11 Vgl. Johann Adam von Itzstein (1775-1855) studierte in Mainz Jura, 1822 wurde er Mitglied der Zweiten Kammer des badischen Landtags. Er trat für die Pressefreiheit und die Ausweitung parlamentarischer Rechte ein. Als Beamter wurde er wegen seiner politischen Tätigkeiten strafversetzt. 1848/49 war er Mitglied des Vorparlaments, der Nationalversammlung und des Rumpfparlaments, weswegen ihm der Hochverratsprozess gemacht wurde. 1849 emigrierte er in die Schweiz, 1850 kehrte er zurück.

12 Ludwig Feuerbach unterteilte in einem Brief an seine Frau Bertha vom 24.05.1848 die "Konstitutionellen" und "Republikaner" (Radikaldemokraten) in "Halbe" und "Ganze": Thies: Ludwig Feuerbach, S. 36 - Gustav von Struve bezeichnete in seinem Buch Politisches Tagebuch für das deutsche Volk (Frankfurt a.M. 1846, S. 198, 245) die offen kompromissbereiten Liberalen als die "Halben". - Vgl. Tullner: Gustav von Struve, S. 249. - Jakob Stern meinte am Ende des Jahrhunderts mit den "Ganzen" die atheistischen Freidenker und mit den "Halben" die Freireligiösen.

13 Schon 1843 hatte Ronge einen kirchenkritischen Artikel in Blums Zeitschrift geschrieben, was ihm die Suspension vom Priesteramt eingebracht hatte. Er kannte Blum vom Mannheimer 'Hallgartenkreis' her. Beide gehörten 1848 im 'Frankfurter Parlament' dem 'Deutschen Hof' an.

14 Vgl. Bleiber: Graf Eduard von Reichenbach, S. 191. - In seinem offenen Brief hatte Ronge die Ausstellung des "Heiligen Rocks" in Trier (d.i. das Gewand, das Jesus bei der Kreuzigung getragen haben soll) aufs Heftigste angegriffen und damit den von Rom geförderten Volkskatholizismus.

15 Dass "deutschkatholisch" nicht chauvinistisch gemeint war, geht aus der Bezeichnung "christkatholisch" hervor, die in den deutsch- polnischen Sprachgebieten benutzt wurde und den gesamtchristlichen Anspruch unter Absehung eines Nationalismus signalisierte.

16 Vgl. Lexikon freireligiöser Personen, S. 61. - Georg Gottfried Gervinus: Die Mission der Deutschkatholiken. 1846.

17 Vgl. Pilger-Strohl: Eine deutsche Religion? S. 348-350. - Das hatte auch persönliche Gründe, denn Ranges zweite Frau Berta Meyer, kam aus einer jüdischen Familie.

18 Der 'Deutsche Hof' war die Fraktion der Linken. Diese wollten eine demokratische Republik erreichen, in der allgemeines, gleiches, direktes Wahlrecht herrschte und alle Nationalitäten gleichberechtigt Waren.

19 Blum und Fröbel waren im Oktober 1848 als Vertreter des 'Deutschen Hofs' nach Wien entsandt worden, wo sie sich an den Aufständen beteiligten und trotz ihrer diplomatischen Immunität zum Tode verurteilt wurden. Fröbel hatte Glück und wurde begnadigt, Blum bekanntlich standrechtlich erschossen In Wien hatten sie freidenkerische Gesinnungsgenossen besucht. Vgl. Tormin, S. 37. - Dort kam der Schlachtruf "Los von Rom" auf, den Georg Ritter von Schönerer später für seine deutschvölkische Bewegung reklamierte. Vgl. Trauner: Die Los-von-Rom-Bewegung S. 48-49, 228-231.

20 Vgl. Holzem, Kirchenreform, S. 24-27.21 Vgl. Kampe, IV, S. 194-195.

21 Vgl. Kampe, IV, S. 194-195.

22 Es handelte sich um das Organ des Schweizerischen Arbeiterbundes. Erscheinung: Dezember 1944 bis etwa Juli 1945. Erscheinungsorte waren Veuey und Lausanne.

23 Vgl. Kampe, IV, S. 148-149.

24 Vgl. ebd., S. 369-375.

25 Das haben Brederlow für die "Lichtfreunde" und Holzem für die Deutschkatholiken herausgearbeitet.

26 So wurde z.B. Julius Fröbel Ende Januar 1849 auf dem Heidelberger Arbeiterkongress zum Präsidenten der Arbeitervereine gehört. Vgl. Thies, S. 64.

27 Vgl. zu dieser Thematik Rolfes: Jesus und das Proletariat. - Z.B. propagierte Wilhelm Weitling, wie Robert Blum Mitglied im Bund der Kommunisten, das kommunistische Jesusbild.

28 Hierbei geht es um die Rezeption von französischem Sozialismus einerseits und englischem und amerikanischem Liberalismus andererseits.

29 Johann Most (1846-1906) war Buchbinder, Redakteur, vor 1878 Reichstagsabgeordneter der SPD und Freidenker. 1883 veröffentlichte er 'Die Gottespest und die Religionsseuche'. Er emigrierte später in die USA.

30 Vgl. Prüfer: Sozialismus statt Religion, S. 262-273.

31 Vgl. Greive: Die Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, S. 59-62. - Rürup: Antisemitismus und moderne Gesellschaft, S. 84-87

32 In seiner Zeitschrift Neue religiöse Reform, 6, 1878, S. 9, Sp. 2 sowie 7, 13.2.1881. Vgl. Pilger. Strohl: Eine deutsche Religion? S. 347-349.

33 Vgl. Kolkenbrock-Netz: Wissenschaft als nationaler Mythos, S. 213.

34 Vgl. Köhnke: "Ethische Kultur", S. 284.

35 Zu den Gründern gehörten neben Georg von Gizycki (1851-1895) u.a. seine Frau Lily, spätere Lily Braun, der Sanitätsrat S. Kristeller (-1900), ein hoch angesehener Mann "neujüdischer Richtung", sowie Rudolf Penzig, Wilhelm Foerster (1832-1921), Friedrich Jodl (1849- 1914), Ignaz Jastrow (1865-1937) und Ferdinand Tönnies (1855-1935). Vgl.: Simon-Ritz, S. 126-133 u. Groschopp, S. 126-140.

36 Hauptinitiator war der aus Alzey / Rheinhessen stammende amerikanische Philosophen Felix Adler (1851-1933).

37 Gimpl: Ethisch oder sozial? S. 738.

38 Vgl. Gimpl bes. S. 735.

39 Z.B. die Pazifistin Bertha von Suttner (1843-1914), der dem Sozialismus fern stehende Friedrich Jodl, der Sozialdemokrat Eduard Bernstein (1850-1932), die Soziologen Georg Simmel (1858-1918), Ferdinand Tönnies (1855-1936), der Neukantianer Paul Natorp (1854- 1924) und der Freidenker und Spinozist Jacob Stern (1843-1911), vgl. Köhnke, S. 293. - Stern reklamierte die "ethische Bewegung" exklusiv für die sozialistische Bewegung: Die sozialistische Bewegung eine ethische Bewegung. In: Ethische Kultur, Wochenschrift zur Verbreitung ethischer Bestrebungen, Berlin 1. Jg., Nr. 17 vom 22. April 1893, S. 131-133.

40 Vgl. Köhnke, S. 290.

41 Vgl. Groschopp, S. 159-160.

42 Jodl (1849-1914) studierte Geschichte und Philosophie in München, 1885 wurde er Professor für Philosophie in Prag und 1896 in Wien.

43 Gimpl, bes. S. 759-762.

44 Konrad Beißwanger (1869-1934) war Redakteur, Verleger und Dichter.

45 Vgl. Groschopp, S. 207 nennt 5-6000 Mitglieder.

46 1907 hatte Alfred Ploetz den Ring der Norda gegründet. Er sollte als geheimer Bund Kristallisationskern einer nordisch-germanischen Rassenhygiene innerhalb der Berliner Gesellschaft für Rassenhygiene sein. Ploetz setzte damit seine pangermanischen Vorstellungen in die Tat um. Vorbild war für ihn die Kolonie der Ikarier in Iowa/USA, die auf den französischen Sozialisten E. Cabet (1788-1856) zurückging. Vgl. Doeleke: Alfred Ploetz (1860-1940).

47 Vgl. Wilhelm Schwaner (1863-1944) war Volksschullehrer, 1910 gründete er den 'Bund Deutscher Volkserzieher', den er 1936 auflöste und in den 'NS-Lehrerbund' überführte.

48 Moritz von Egidy (1847-1898) war sächsischer Oberstleutnant der Husaren, dennoch Pazifist und kaisertreu. Er wurde Prediger, gründete 1893 die 'Vereinigung zur Verbreitung von Egidy'scher Gedanken'.

49 Vgl. Groschopp, S. 122-126.

50 Zum Kartell hatten sich 1909 zusammengeschlossen: die 'Deutsche Gesellschaft für Ethische Kultur', der 'Deutsche Monistenbund', der 'Deutsche Freidenkerbund', der 'Bund für weltliche Schule und Moralunterricht', der 'Bund für persönliche Religion', Kassel, das 'Kartell der freiheitlichen Vereine', München, das 'Berliner Kartell' und der 'Bund für Mutterschutz'. Nach 1909 traten noch bei: das 'Kartell der freigeistigen Vereine Frankfurt a.M.', das 'Komitee Konfessionslos', der 'Internationale Orden für Ethik und Kultur (Deutscher Zweig)' und der 'Euphoristenorden'.

51 Vgl. dazu die Herleitung dieser Vorstellung aus dem 18. Jahrhundert, Weiland: Die "deutsche Freiheit".

52 Vgl. die Zeitschriftentitel der 'Edda-Gesellschaft: Deutsche Freiheit' (1919-1926) und 'Arische Freiheit' (1927-1928).

53 Ludwig Fahrenkrog (1867-1952,) war durch seine als Skandal empfundene Darstellung des bartlosen Christus von 1907 in weiten Kreisen bekannt. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte er mit Lucifer - in Wort und Bild Max Stirners 'Der Einzige' mythisch gestaltet. Danach hatte er sich vom Lufizerismus ab- und der "germanischen Lichtreligion" zugewandt, vgl. Joachim Schmidt: Satanismus. Mythos und Wirklichkeit. Marburg 1992, S. 126.

54 Groschopp, S. 398-403, macht auf die Rolle des Berliner Freidenkers und USPD-Politikers Adolph Hoffmann (1858-1930) als Kultusminister und auf die von Konrad Haenisch (1876-1925) vom 'Zentralverband proletarischer Freidenker' beim Zustandekommen dieser Paragraphen der Weimarer Verfassung aufmerksam.

55 Vgl. Strüning, S. 52-61.

56 Zusammengeschlossen waren dann: der 'Deutsche Freidenkerbund', der 'Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands', der 'Verein der Freidenker für Feuerbestattung', der 'Zentralverband proletarischer Freidenker' und der 'Deutsche Monistenbund'

57 Vgl. Kubota, Religionswissenschaftliche Religiosität, bes. S. 95- 190.

58 Vgl. Pilger-Strahl, S. 361-366.

59 Vgl. Rudloff, Michael: Weltanschauungsorganisationen. - Der in der Schweiz gegründete Bund entstand in Deutschland 1926 - s. auch Heimann: Religiöse Sozialisten, S. 38-43.

60 Neben dem 'Verband freireligiöser Gemeinden Südwestdeutschlands' und dem vom Pietismus herkommenden 'Bund der Köngener' gehörten an: verschiedene neugermanische Gruppen u.a. die 'Deutschgläubige Gemeinschaft' und die 'Germanische Glaubensgemeinschaft' sowie Einzelmitglieder, die aus der rechten Bündischen Jugend stammten und der SS, SA oder HJ angehörten.

61 Vgl. Pilger-Strohl, S. 345.

62 Die Nachfolgeorganisationen der Deutschen Glaubensbewegung zeigen das: 'Kampfring deutscher Gottgläubiger' bzw. 'Reichsring gottgläubiger Deutscher'.

63 Vgl. Wallmann: Die "dritte Konfession"?

64 Dierks, S. 253 mit A. Buchheim, S. 183f.

65 Vgl. Nanko: Deutsche Glaubensbewegung, S. 175-177. - Zum Freiprotestantismus vgl. Kubota.

66 Vgl. Haack, S. 73-106. - 1951 nannte sie sich, die ihr "Artbekenntnis" von 1934 nahezu unverändert übernommen hat, in 'Artgemeinschaft e.V. Glaubensbund wesensgemäßer Daseinsgestaltung' um.

67 Haack, S. 130-156. Erst 1962 wurde der Bund wegen nationalsozialistischem Gedankengut erneut verboten An seine Stelle wurde die Weltanschauungsgemeinschaft 'Gotterkenntnis Mathilde Ludendorff' mit Sitz in Tutzing gesetzt. 1977 wurde das Verbot aufgehoben. Seither existieren beide Organisationen nebeneinander.

68 Vgl. Nanko: Religiöse Gruppenbildung, S. 121-134

69 Vgl. ebd.

70 Vgl. Groschopp: Ostdeutscher Atheismus, S. 217.

71 Vgl. Strüning, S. 62-66.


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Literatur

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- Thies, Erich: Ludwig Feuerbach zwischen Universität und Rathaus oder die Heidelberger Philosophen und die 48er Revolution. Heidelberg 1990.

- Tormin, Walter: Geschichte der deutschen Parteien seit 1848. Stuttgart u.a. 1966.

- Trauner, Karl-Reinhart: Die Los-von-Rom-Bewegung. Gesellschaftspolitische und kirchliche Strömung in der ausgehenden Habsburgermonarchie. Szentendre 1999.

- Tullner, Matthias: Gustav von Struve. In: Helmut Bleiber, Walter Schmidt u. Rolf Weber (Hg.), Männer der Revolution von 1848, Bd. 2, Berlin 1887, S. 245-271.

- Weiland, Werner: Die "deutsche Freiheit" in der bürgerlichen und proletarischen Emanzipationsgeschichte. In: Richard Faber u. Renate Schlesier (Hg.), Die Restauration der Götter: antike Religion und Neo- Paganismus, Würzburg 1985, S. 215-240.


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Quelle:
humanismus aktuell, Heft 19 - Herbst 2006, Seite 14-30
Hefte für Kultur und Weltanschauung
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