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PORTRAIT/013: Rudolf Valenta, Künstler, Humanist (diesseits)


diesseits 2. Quartal, Nr. 83/2008
Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Profil
Rudolf Valenta
Künstler und Humanist

Von Jaroslav Toussaint


Werke des im HVD organisierten Humanisten und Künstlers Rudolf Valenta finden sich nicht nur in Museen, sondern - als bis zu 22 Meter hohe Grosskulpturen - im öffentlichen Raum in Berlin und anderen Städten. 1993 hatte er einige Arbeiten auf dem Europäischen Humanismus Congress in Berlin vorgestellt. Am 14. Februar wurde im Berliner Haus am Kleistpark die Werkschau "Linie, Farbe, Fläche" - mit Arbeiten Valentas von vor 50 Jahren bis heute - eröffnet.


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"In Valentas Ausstellung" so der Darmstädter Kulturhistoriker Arsén Pohribny, "wird die Schwelle zur Utopie überschritten. Wir blicken auf einige Modelle und Planbeispiele aus einer Werkstatt für Absolutes. Der technologische Imperativ ist hier zu Hause, es bleibt in Valentas Entwurf jedoch genügend Platz für eine besondere Form der Imagination, welche Gegensätze und Paradoxe poetisch auszuspielen vermag."

Die Arbeiten Rudolf Valentas sind bestimmt von der systematischen Erforschung der Fläche und der räumlichen Umgebung. Es finden sich darin ebenso das spontane Spiel mit mathematischen Elementen wie die gestalterische Methode des Zufalls. Ausgangspunkt und Ziel seiner Kunst ist das Erleben und die schöpferische Kraft des Individuums. Das Publikum ist aufgefordert, Objekte zu durchschreiten oder auch durch eigenes Handeln und "Be-Greifen" selbst (um)zugestalten. Sein künstlerisches Schaffen ist der konkret-konstruktiven Richtung zuzuordnen und kreist um das Spannungsfeld von naturwissenschaftlichen Regelmäßigkeiten, Geometrie und ästhetischer Schönheit.

1929 in Prag geboren und aufgewachsen, wurde der Anfang Zwanzigjährige in die Industriestadt Ostrava versetzt. Aus dem sich auf Halden türmenden Ausschuss der Stahlwerke fertigte er seine ersten Skulpturen. Er wandte sich der ungegenständlichen Kunst zu - entgegen der Doktrin des sozialistischen Realismus. Ein ehemaliger Weggefährte, der Kunstprofessor Eda Ovcácek, erinnert sich: "Ruda Valenta lernte ich Anfang der fünfziger Jahre kennen. Vom ersten Moment an verbunden hat uns der unbedingte Wille zum Gestalten und das Besessensein, möglichst alle Informationen über moderne bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik aufzusaugen. ... Ruda war vielseitig technisch begabt und kannte sich aus in vielen Professionen, welche er sich in mehrjährigem Arbeiten in den Kohlengruben angeeignet hatte, wo er als Wehrpflicht-Soldat (in der Strafkolonie PTP) und später in der Grube Pokrok (=Fortschritt) eingesetzt war..." Gegen alle Widerstände gründet er mit tschechischen und internationalen Künstlerfreunden den legendären "Klub der Konkretisten".

Zwei Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 emigrierte Rudolf Valenta nach London. Neben utopisch-ökologischen Einfällen von "Stationen der Ruhe" als Schutzraum vor großstädtischem Getöse sind dort auch Pläne magisch-musischer, von farbigem Licht durchfluteter Labyrinthe entstanden. Zu einer multimedialen Realisation kommt es 1974/75. Ein Film-Ton-Dokument davon, ebenso wie vom "Choral für eine Fabriketage" von 1978 waren in der Werkschau zu erleben. Dazu korrespondiert die Installation "Konkretes Ritual", sich zum Boden neigende, aus der Wand ragende Metallstäbe, die der Besucher durch Berühren zum Schwingen und Klingen bringen kann. Zur Eröffnung war die dem Künstler gewidmete "komposition für r.v." von Sylva Smejkalová zu hören, klassisch für Trompete, Posaune, Horn kombiniert mit computergestützter konkreter Musik eben aus Klängen von Valentas Installationen.

Valenta entdeckte für sich mathematische Regeln u. a. von Fibonacci aus dem mittelalterlichen Pisa, welche ein vollkommenes Anwachsen von Proportionen, Populationen und biologischen Prozessen formuliert. Die gleichnamige räumliche Gestaltung der Fibonacci-Folge, eine vom Boden bis in die Höhe ragende, rechtwinklig abgestufte Edelstahl-Linie, dominierte den zentralen Ausstellungsraum im Haus am Kleistpark.

Valenta lebt und arbeitet seit 1974 in Berlin. Facettenreich sind die künstlerischen Disziplinen, in denen er - stets mit handwerklicher Perfektion und vitalem Gestus - Farbintensitäten, Wirkungen und Gegenwirkungen realisiert. Zahlreiche Ausstellungen, Symposien und Ehrungen belegen die Bedeutung Rudolf Valentas für die europäische Nachkriegskunst. Allen, die bisher nur seine Collagen, Graphiken und Plastiken kannten, dürfte der renommierte Kulturjournalist Hans-Peter Riese aus dem Herzen gesprochen haben. In seiner Eröffnungsrede gab er zu, bis zu dieser umfassenden Werkschau nur geglaubt zu haben, seinen langjährigen Freund Rudolf Valenta und seine Arbeiten gut zu kennen.

Jaroslav Toussaint, Designer und Kurator der Ausstellung im Haus am Kleistpark und Herausgeber eines kleinen Kataloges, der für 5 Euro im HVD-Berlin unter 030 61390419 zu bestellen ist.
Mehr unter www.rudolf-valenta.de.


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Quelle:
diesseits 2. Quartal, Nr. 83/Juni/08, S. 15
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

"diesseits" erscheint vierteljährlich am
1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember.
Jahresabonnement: 13,- Euro (inklusive Porto und
Mehrwertsteuer), Einzelexemplar 4,25 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2008