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VEGETARIERBUND/340: Interview mit dem Musiker Xavier Rudd (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 04/08 - Herbst 2008
Das VEBU Magazin

Veggie Didgeman
Down under, tiefe kulturelle Wurzeln und Inspiration - Touren und grüne Kampagnen

Interview von Guido Barth mit dem australo-kanadischen Multiinstrumentalisten Xavier Rudd in Hamburg


Sein wohl wichtigstes Instrument, neben seiner Stimme und verschiedenen Yirdakis (Didgeridoos), ist eine ursprünglich aus Deutschland stammende Weissborn-Gitarre. Seine wunderschöne und harmonische Musik - eine Mischung verschiedener traditioneller Stile; Xavier Rudd nennt Paul Simon sein Vorbild. Mit den zum Teil rührenden Texten über die Erde, die Natur, den Menschen und über Gefühle ziehen die Zuhörer/innen überall in ihren Bann. Der vegetarisch lebende Künstler tritt meistens alleine auf. Er ist in seiner Heimat und in Nord-Amerika bereits sehr bekannt und wird jetzt auch endlich in Europa entdeckt. Guido Barth hat den sympathischen Künstler vor seinem Konzert in Hamburg interviewt.


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GUIDO BARTH: Xavier, Du bist auch Surfer und brauchst bekanntlich viel Bewegung, warst Du heute schon joggen?

XAVIER RUDD: Ja, das stimmt - ich war gerade eben joggen. Das mache ich fast jeden Tag und mir geht es immer wunderbar. Ich bin Musiker, aber eben auch Surfer und natürlich würde ich am liebsten surfen gehen, aber das geht jetzt ja nicht.

GUIDO BARTH: Hast Du auf Deinen Tourneen immer ein Board dabei?

XAVIER RUDD: Nein, das wäre schwierig und ist gar nicht nötig. Wenn ich zu einem Surfspot komme, gibt es immer irgendwie ein Board.

GUIDO BARTH: Welches ist Dein Lieblingsspot?

XAVIER RUDD: Bells Beach, das ist da, wo ich lebe: in Torquay. Der Spot ist sehr bekannt, jedes Jahr findet dort das "Rip Curl Pro Surf & Music Festival" statt - da triffst du Menschen aus aller Welt.

GUIDO BARTH: Wie lange bist Du im Jahr auf Tour?

XAVIER RUDD: Sechs bis acht Monate.

GUIDO BARTH: Das ist sehr lange, zumal Du auch eine Familie hast.

XAVIER RUDD: Ja, das stimmt, das ist sehr lange. Es ist aber sehr wichtig für mich. Ich möchte den Leuten schon etwas mitteilen und natürlich lebe ich von der Musik. Ich sehe mich da durchaus privilegiert, ich reise um die ganze Welt, darf vor wunderbaren Menschen musizieren und meine Botschaft wird gehört. Es gibt ja immer Mal ein bisschen freie Zeit, manchmal kann ich dann nach Australien fliegen oder meine Familie besucht mich.

GUIDO BARTH: Dein Herz schlägt nicht nur vegetarisch, sondern auch ökologisch, wie das Deiner Frau, die ja als Umwelt-Aktivistin bekannt ist. Seid ihr auch gemeinsam in dieser Richtung aktiv?

XAVIER RUDD: Wenn ich zu Hause bin und Zeit habe: immer. Das ist leider nicht so oft. Aber wenn, dann engagieren wir uns in Kampagnen oder organisieren selber etwas.

GUIDO BARTH: Du hast letztes Jahr in den USA auf dem berühmten Bonaroo-Festival vor 60.000 Menschen gespielt. Das Festival gilt als "grün".

XAVIER RUDD: (Lacht) Ja, für amerikanische Verhältnisse, da mag das stimmen, okay. Das darf man aber nicht vergleichen. Zum Glück übernehmen die großen Festivals mit ihren hohen Budgets jetzt eine Vorreiterrolle für eine "grünere" Umwelt, das ist gut. Schließlich gibt es in Amerika viele Gegenden und sogar Städte, wo du deine Sachen nicht mal recyceln kannst. In diesem Kontext setzt das Festival schon ein deutliches Zeichen.

GUIDO BARTH: Du lebst vegetarisch, warum eigentlich?

XAVIER RUDD: Wenn die Indigenous People ein Känguruh töten, folgen sie dabei einem strengen Ritual, so streng, dass es passieren kann, dass sie manchmal nichts zu essen bekommen. Diese Art kommt für mich zwar auch nicht in Frage, aber das kann ich irgendwie noch nachvollziehen. Eine ganz andere Sache ist es, wenn ich in einen Laden gehe und dort liegen die Fleischstücke, von irgendjemandem, einem völlig Fremden zurecht geschnitten - millionenfach, und das Ganze aus Massentierhaltung. Das lehne ich ganz und gar ab.

GUIDO BARTH: Welche Rolle spielt die vegetarische Ernährung in der Indigenous Kultur?

XAVIER RUDD: Die rein vegetarische? Keine. Viele Menschen leben in wüstenähnlichen Gebieten, da gibt es ein paar Wurzeln, Knollen, Nüsse und Beeren bestenfalls. Die Hauptnahrung machen da seit jeher Känguruh-Fleisch und das Fleisch einiger Eidechsen-Arten aus, an den Küsten natürlich in erster Linie Seafood.

GUIDO BARTH: Zu Hause bei dir, wer ist da der Koch, du?

XAVIER RUDD: Ich koche auch, manchmal. Ich bin nicht so ein guter Koch, meine Frau hingegen kocht wirklich klasse. Wenn wir beide zu Hause sind, ist sie es meistens, die kocht, sie liebt das. Sie ist brillant. Ich hingegen, ich bin ein guter Busch-Koch, also über offenem Feuer, da bin ich recht gut.

GUIDO BARTH: Verbringst Du eigentlich noch Zeit in Australien?

XAVIER RUDD: Ja, einige Monate jedes Jahr. Wir bauen da gerade ein Haus auf Basis einer Strohballen-Konstruktion, 100% nachhaltig. Es ist noch nicht fertig und macht sehr viel Arbeit. 95% aller Materialien, die wir verarbeiten, sind recycelt; da sind z.B. die Balken, die haben wir aus einer Nachbarstadt von einem alten Gebäude im Hafen. Wir kompostieren unsere Abfälle in der Wurm Farm und unser ganzes Abwasser wird auf natürliche Weise gereinigt. Da merkst du ganz genau, dass du selbst für alles verantwortlich bist. Du bekommst ein ganz gutes Gefühl für Kreisläufe, was gut ist und was nicht. Wir haben zwei Jungs, einen siebenjährigen und einen zweijährigen, Joaquin und Finojet, und die leben auch in diesem Haus und müssen sich diesem System anpassen. Da gibt es für uns alle sagenhaft viel zu lernen.

GUIDO BARTH: Wie funktioniert die Energieversorgung?

XAVIER RUDD: Das Haus wird komplett mit Solar-Energie versorgt. Bäume, die um das Haus herum stehen, bilden einen natürlichen Schatten und wir haben selbstverständlich keine Bäume für unser Haus gefällt, sondern sozusagen um die Bäume herumgebaut. Es ist also alles ganz gut integriert. Die Sonne scheint für ein paar Stunden am Tag direkt auf das Haus, das reicht.

GUIDO BARTH: Wie verhält es sich mit Australiens Musikszene?

XAVIER RUDD: Oh, die ist sehr lebendig und es gibt wirklich gute Musik. Besonders aufregend ist es im Sommer. Da gibt es allerorten großartige Konzerte an fantastischen Orten. Es gibt auch wirklich viele Festivals, die sich um die vegetarische und vegane Kultur drehen. Love and Peace Festivals in den Wäldern - eine tolle Zeit.

GUIDO BARTH: Deine Musik ist stark geprägt von den Indigenous People. Was verbindet Dich mit den Menschen und deren Kultur?

XAVIER RUDD: Ich habe eine recht starke Verbindung und ich habe viele Freunde und Bekannte bei den Indigenous im ganzen Land. Meine Ur-Großmutter war Indigenous und dieser Spirit, den ich immer sehr stark spüre, der stammt wohl von ihr. Ich habe schon immer diese Verbindung mit meiner Kultur gehabt.

GUIDO BARTH: In dem wunderschönen Stück "Things meant to be" heißt es zum Beispiel: "You have to watch hard deep in the sea then you will see", es geht ums Meer, um Bäume, Pflanzen, um die Erde als Freund, als Partner. Sind wir bei unserem Lebensstil, der so wahnsinnig konsumorientiert ist, überhaupt noch in der Lage, so etwas wahrzunehmen oder ist das alles Nostalgie und Romantik?

XAVIER RUDD: Das kann sein, aber die Eindrücke, die ich habe, haben viel mit meiner ursprünglichen Natur zu tun. Weißt du, ich finde diesen "Indigenous-Spirit" ziemlich häufig in mir, ganz besonders eben, wenn ich in Australien bin. Dieser Spirit erfüllt mich dann doch sehr. Dann empfinde ich genau das, was ich in meinen Liedern besinge.

GUIDO BARTH: Das Publikum ist bei Deinen Konzerten sehr enthusiastisch, Du wirst begeistert angefeuert, bejubelt und oft gibt es Freudenschreie, gefällt Dir das?

XAVIER RUDD: Oh ja, das gefällt mir sehr, das gehört für mich dazu, ich kommuniziere ja mit dem Publikum, wir erleben das alles gemeinsam und die Energie dabei ist ganz unglaublich. Ich liebe das sehr. Ich betrachte das als ein großes Geschenk, genauso, wie ich es als Geschenk ansehe, dass ich jeden Tag meine Musik spielen kann und das Glück habe, überall auf der Welt vor vielen wunderbaren Menschen zu spielen. Die Menschen kommen zu den Konzerten und lassen all den Alltagsmist zu Hause, bzw. verlieren ihn spätestens während des Konzerts. Das ist doch sehr schön. Sie bringen all ihre gute Energie mit. Ich bekomme viel davon und ich gebe viel zurück - das ist ein großes Geschenk.

GUIDO BARTH: Was ist eigentlich das Tolle am Surfen, was finden die Leute so großartig daran, oder besser, was findest Du so großartig daran?

XAVIER RUDD: Es ist einfach schön - wie erkläre ich das am besten. Du hast beim Surfen eine ganz starke Verbindung mit der Kraft von "Mother Earth". Das Wasser hat eine unglaubliche Energie, die ist unaufhörlich in Bewegung, zurück und vor, zurück und vor. Oft bist du der einzige Mensch in einer Bucht, ganz allein auf dem Wasser und verbunden mit dieser kraftvollen Energie. Du tanzt mit dem Wasser.


© Guido Barth, 2008

Neues Album: Dark Shades of Blue (August 2008, erschienen bei Anti)

Informationen & Termine: www.xavierrudd.com


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Quelle:
natürlich vegetarisch 04/08 - Herbst 2008, S. 20-22
59. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2008