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VEGETARIERBUND/349: In Gent geht's auch ohne (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 04/09 - Herbst 2009
Das VEBU Magazin

In Gent geht's auch ohne

Von Katja Angenent


Das sind doch mal gute Nachrichten: Die flämische Stadt ernennt sich selbst zur "Vegetarierhauptstadt Europas" und führt einen offiziellen fleischfreien Tag pro Woche ein.

Mit einem solch großen Medienecho hatte im belgischen Gent wohl niemand gerechnet, als im Mai die Stadtverwaltung beschloss, einen vegetarischen Tag einzuführen. Zusammen mit der Partnerorganisation EVA (Ethisch-Vegetarische Alternative) rief sie offiziell dazu auf, sich an einem Tag der Woche, also beispielsweise am Donnerstag, fleischfrei zu ernähren. "Donderdag Veggiedag" heißt das kurz und bündig auf Flämisch. Die Kantinen der Verwaltung bieten nun, genau wie die Schulverpflegung, donnerstags ein vorwiegend vegetarisches Angebot an.

Weiterhin stehen öffentliche Kochkurse für rein vegetarische Mahlzeiten auf dem Programm. Gent hat außerdem 90.000 vegetarierfreundliche Stadtpläne drucken lassen, die zeigen, in welchen Restaurants es sich auch ohne Fleisch genussvoll speisen lässt. Ziel der Aktion ist es, den ökologischen Fußabdruck der Stadt zu verringern und gleichzeitig Ubergewicht und Zivilisationskrankheiten vorzubeugen.

Los ging es am Donnerstag, dem 13. Mai: Im Stadtzentrum wurde ein "Veggie-Happening" veranstaltet. Einwohner konnten sich mit einer Unterschrift selbst verpflichten, donnerstags vegetarisch zu essen. Es gab kostenlose "Veggie-Verwöhn-Pakete" und Küchenschürzen. Bei alldem vergisst die Stadt nicht, gleichzeitig auf die Problematik aufmerksam zu machen, die mit Fleischkonsum einhergeht." Weniger Fleisch zu essen ist der größte Beitrag zur Verminderung unseres ökologischen Fußabdrucks", lässt sich auf der offiziellen Internetseite nachlesen. Und: "Wir in Flandern essen zu viel Fleisch. Wer sich am fleischfreien Donnerstag beteiligt, isst automatisch mehr Obst und Gemüse und tut so aktiv etwas für die eigene Gesundheit."

Für die 240.000 Einwohner zählende Stadt war der Schritt zum Vegetarismus aber eigentlich nicht neu: Gent rühmt sich, die Stadt mit der größten Dichte vegetarischer Restaurants weltweit zu sein - 13 sind es insgesamt. Gemessen an der Einwohnerzahl sind das mehr Restaurants pro Einwohner als London, Paris oder Berlin sie bieten. Doch nun hofft man, diese Zahl noch weiter erhöhen zu können oder zumindest herkömmliche Restaurants davon zu überzeugen, donnerstags eine zusätzliches vegetarisches Angebot bereit zu halten. Viele Restaurants machen bereits mit.
Natürlich kommt auch Protest von den traditionell fleischliebenden Flamen: Viele Einwohner finden, Essen sei - Umwelt, Gesundheit und Tierschutz hin oder her - einfach Privatsache. Außerdem protestieren Bauern, die ihre Absatzmärkte schwinden sehen.
Der Protest hat dem großen Medienecho jedoch keinen Abbruch getan. Obwohl die Kampagne ursprünglich nicht als Werbemaßnahme gedacht war, profitierte überraschend auch der Genter Tourismus. Andere europäische Städte haben Interesse an einer Nachahmung bekundet und auch belgische Nachbarn sind begeistert: Hasselt und weitere belgische Städte wollen im Herbst ähnliche Aktionen starten. In Deutschland bemüht sich der VEBU darum, eine Großstadt vom Nutzen einer solchen Idee zu überzeugen. Eines zeigt sich jedoch bereits jetzt: Die Diskussion um Massentierhaltung, klimaschädliches Verhalten und gesunde Ernährung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.


Internet:
www.gent.be
www.clonderdagveggiedag.be (niederländisch)
www.vegetarisme.be (niederländisch)


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Quelle:
natürlich vegetarisch 04/09 - Herbst 2009, S. 9
60. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
Redaktionsadresse:
Kanonierstr. 9, 48149 Münster
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Internet: www.vebu.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2009