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VEGETARIERBUND/364: Bluthochdruck und vegetarische Ernährung (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 01/11 - Winter 2010/2011
Das VEBU Magazin

Hypertonie
Bluthochdruck und vegetarische Ernährung

Von Markus Keller (unter Mitarbeit von Franko Schmidt)


Hypertonie (Bluthochdruck) ist eine der häufigsten Erkrankungen in Industrieländern und ein wesentlicher Risikofaktor für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und der Niere. Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck besteht bei Blutdruckwerten über 140/90 mmHg, das heißt mehr als 140 mmHg systolischem und 90 mmHg diastolischem Blutdruck.


Systolischer und diastolischer Blutdruck

Die Muskelarbeit des menschlichen Herzens lässt sich in zwei Phasen einteilen: In der systolischen Phase wird das Blut aus den Herzkammern in den Körper- und Lungenkreislauf gepumpt, in der diastolischen Phase füllen sich die Herzkammern erneut mit Blut.


Häufigkeit

In Deutschland sind etwa 55 % der erwachsenen Bevölkerung von Hypertonie betroffen, bei den Männern 60 % und bei den Frauen 50 %. Etwa 25 % der Betroffenen werden hierzulande medikamentös behandelt. Bluthochdruck ist in Deutschland noch vor dem Rauchen der wichtigste Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit: Rund 26 % aller Todesfälle sind darauf zurückzuführen.


Klassifizierung

Hypertonie wird in drei Grade eingeteilt: leicht, mittelschwer und schwer (Tabelle 1). Dabei muss berücksichtigt werden, dass der systolische Blutdruck mit zunehmendem Lebensalter ansteigt.



Tabelle 1: Definition und Klassifizierung der Blutdruckwerte

Blutdruckkategorie
  Blutdruck (mmHg)

systolisch
diastolisch
optimal
normal
hoch normal
Grad 1 Hypertonie (leicht)
Grad 2 Hypertonie (mittelschwer)
Grad 3 Hypertonie (schwer)
isolierte systolische Hypertonie
< 120 120-129
130-139
140-159
160-179
≥ 180
≥ 140
< 80 80-84   
85-89   
90-99   
100-109  
≥ 110
< 90

Ursachen

Je nach Entstehung der Krankheit wird zwischen primärer und sekundärer Hypertonie unterschieden. Etwa 90 % der Betroffenen leiden an einer primären Hypertonie, deren Krankheitsentstehung noch weitgehend ungeklärt ist. Sekundäre Hypertonien treten meist infolge von Nierenerkrankungen auf.

Unbestritten ist der Einfluss verschiedener Ernährungs- und Umweltfaktoren auf die Entwicklung von Bluthochdruck. Neben der genetischen Veranlagung spielen eine hohe Aufnahme von Kochsalz, Nahrungsenergie und Alkohol sowie Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2 und eine geringe Kaliumzufuhr als Risikofaktoren eine Rolle.


Symptome und Spätfolgen

Typische Symptome von Hypertonie sind Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Leistungsminderung und Sehstörungen. Im fortgeschrittenen Stadium kommen Schmerzen in der Herzgegend und Atemnot bei Belastungen hinzu. Ohne angemessene Behandlung kann es zu schwerwiegenden Folgeschäden kommen, insbesondere durch das Fortschreiten atherosklerotischer Gefäßveränderungen ("Arterienverkalkung") in Herz, Gehirn, Nieren, Gliedmaßen und Augen. Das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt mit zunehmendem Blutdruck kontinuierlich an.


Prävention und Therapie

Zur Prävention und Therapie von Bluthochdruck wird empfohlen:

Vermeiden von Übergewicht bzw. Körpergewichtsreduktion
ausreichende körperliche Aktivität
Verzehr einer Kost mit viel Obst und Gemüse sowie wenig Gesamtfett und gesättigten Fettsäuren
Reduktion des Konsums von Kochsalz und Alkohol

Hypertonie bei Vegetarier/innen

Vegetarisch lebende Menschen sind deutlich seltener von Hypertonie betroffen als Mischköstler/innen (Tabelle 2). Unter Berücksichtigung von Alter und Körpergewicht weisen Vegetarier/innen und vor allem Veganer/innen in den meisten Studien niedrigere Blutdruckwerte auf. Der Blutdruck erhöht sich mit steigendem BMI besonders deutlich.


Tabelle 2: Altersbereinigte Häufigkeit der Hypertonie bei Teilnehmer/innen der EPIC-Oxford-Studie

Gruppe
Häufigkeit (%)

  Männer  
Frauen
Fleischesser/innen
Fischesser/innen
Lakto-Ovo-Vegetarier/innen
Veganer/innen
15,0  
9,8  
9,8  
5,8  
12,1
9,6
8,9
7,7

Ernähren sich nicht vegetarisch lebende Menschen mit erhöhtem Blutdruck in Studien über mehrere Wochen lakto-ovo-vegetarisch oder vegan, lässt sich eine Verminderung des systolischen Blutdrucks um bis zu 5 mmHg beobachten.

Wichtigste Ursache für das seltenere Auftreten von Bluthochdruck bei Vegetarier/innen ist das geringere durchschnittliche Körpergewicht. Die Reduktion von Übergewicht und das langfristige Beibehalten eines wünschenswerten Normalgewichts sind durch vegetarische Kostformen gut umsetzbar und senken sowohl den systolischen als auch den diastolischen Blutdruck.


Ernährungsfaktoren und Hypertonie

→ Kochsalz/Natrium

Die Höhe des Blutdrucks steht in Zusammenhang mit der aufgenommenen Menge an Kochsalz bzw. Natrium. In Bevölkerungen mit hohem Kochsalzverzehr tritt häufiger Bluthochdruck auf als bei solchen mit niedrigem Verzehr. In Deutschland wird das meiste Salz über verarbeitete Lebensmittel wie Brot, Fleisch, Wurst und Käse aufgenommen. Die durchschnittliche Natriumaufnahme übersteigt den Schätzwert für eine angemessene Zufuhr dabei um das 4-6-fache.

Die Auswirkungen der Salzaufnahme sind individuell sehr unterschiedlich, was mit dem Begriff der Salzsensitivität beschrieben wird. Der Blutdruck salzsensitiver Menschen mit Bluthochdruck steigt bei hoher Kochsalzzufuhr stärker an als bei nicht kochsalzempfindlichen Betroffenen.

Vegetarisch und vegan lebende Menschen nehmen nur teilweise weniger Kochsalz auf als die Allgemeinbevölkerung und überschreiten ebenfalls häufig die Zufuhrempfehlungen; ihre niedrigeren Blutdruckwerte sind jedoch unabhängig von der Salzzufuhr zu beobachten.

Durch eine pflanzenbetonte Kost und gleichzeitige Reduktion der Natriumzufuhr lässt sich der Blutdruck zudem stärker senken als durch eine der beiden Maßnahmen allein.


→ Kalium, Magnesium, Kalzium

Durch eine kaliumreiche Kost, wie sie von Vegetarier/innen praktiziert wird, lässt sich das Risiko für Bluthochdruck senken. Von Bedeutung ist dabei vor allem das Natrium-Kalium-Verhältnis in der aufgenommenen Nahrung. Auch Magnesium und Kalzium sind für die Regulierung des Blutdrucks von Bedeutung.


→ Obst und Gemüse

Ein hoher Verzehr von Obst und Gemüse senkt den Blutdruck. Besonders vegetarisch lebende Menschen führen über diese Lebensmittel überdurchschnittliche Mengen an Kalium und Magnesium zu. Neben der signifikanten Blutdrucksenkung führt ein gesteigerter Obst- und Gemüseverzehr zu einer Zunahme der Konzentration von Antioxidantien im Blut, was möglicherweise auch zu den günstigeren Blutdruckwerten der Vegetarier/innen beiträgt.


→ Pflanzliche und tierische Lebensmittel

Ein langjähriger Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln wie Vollgetreide, Obst und Nüssen wirkt Blutdruck senkend. Im Gegensatz dazu begünstigen tierische Lebensmittel, wie Fleisch, Fisch und Eier, einen erhöhten Blutdruck. Der systolische Blutdruck erhöht sich insbesondere durch den Verzehr von rotem Fleisch, während er bei der Aufnahme von Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln sinkt.

Aufgrund seiner Aminosäurenzusammensetzung wird pflanzlichem Protein ebenfalls ein Blutdruck senkendes Potential zugesprochen. Dieser Effekt wird auch in Studien zum Verzehr von Sojaprodukten diskutiert, wobei hier außerdem die antioxidativen und entzündungshemmenden Wirkungen der in Sojabohnen vorkommenden Isoflavone eine Rolle spielen.


→ Fett

Bei der Beurteilung der Blutdruckwirkungen von Nahrungsfetten spielen die Fettqualität und die Zufuhrmenge eine Rolle. Die einfach ungesättigte Ölsäure (zum Beispiel im Olivenöl) hat im Austausch mit gesättigten Fettsäuren bis zu einer Gesamtfettaufnahme von etwa 37 % der Energie eine Blutdruck senkende Wirkung. Mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, einschließlich der in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommenden Linolensäure, senken den Blutdruck ebenfalls, der Effekt ist jedoch gering.

Insgesamt trägt die im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei Vegetarier/innen geringere Aufnahme von Gesamtfett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin zur Blutdrucksenkung und zur Prävention von Übergewicht als Risikofaktor der Hypertonie bei.


→ Alkohol

Regelmäßiger Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für Bluthochdruck, wobei sich der Blutdruck proportional zur verzehrten Alkoholmenge erhöht. Die bei vegetarisch lebenden Menschen beobachteten niedrigeren Blutdruckwerte treten jedoch unabhängig vom Alkoholkonsum auf. Neueren Untersuchungen zufolge trinken Vegetarier/innen meist nicht weniger Alkohol als Mischköstler/innen.


Fazit

Vegetarier/innen haben im Durchschnitt niedrigere Blutdruckwerte und leiden seltener an Bluthochdruck als Nichtvegetarier/innen.
Vegetarische Kost eignet sich sowohl für die Prävention als auch die Therapie von Bluthochdruck.
Empfehlenswert sind ein reichlicher Verzehr von Obst und Gemüse und dadurch eine hohe Kalium- und Magnesiumzufuhr, eine höhere Zufuhr einfach und mehrfach ungesättigter Fettsäuren sowie eine geringere Aufnahme von Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin.
Auch Vegetarier/innen können ihr Bluthochdruckrisiko durch Reduzierung der teilweise recht hohen Aufnahme von Kochsalz weiter senken.
Das meist günstigere Körpergewicht und die gesteigerte körperliche Aktivität von Vegetarier/innen senken das Risiko zusätzlich.

Der Artikel "Hypertonie" ist inklusive Literaturangaben auch unter www.vebu.de/krankheiten abrufbar.

Quelle:
Claus Leitzmann und Markus Keller
Vegetarische Ernährung, 2. Aufl. 2010, S. 117-128,
ISBN 978-3-8252-1868-3, 22,90 Euro


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Quelle:
natürlich vegetarisch 01/11 - Winter 2010/2011, S. 12-13
62. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2011